Dienstag, 28. Februar 2012

Netzfundstück: Lucy in the sky with diamonds.

Hallo Liebe Leser,

heute habe ich mal wieder ein Netzfundstück für Euch es stammt von der Seite FANFIKTION.DE und ist eine meiner absoluten Lieblingsgeschichten da.Ich möchte nicht verraten worum es geht. Lest einfach selber.  Es ist eine Geschichte die mich zu einer eigenen inspiriert hat. Vielleicht werde ich die irgendwann hier veröffentlichen. Viel Spass beim Lesen.
P.S
Als Oneshot bezeichnet man eine Geschichte welche keine Fortsetzung haben wird, also nur ein Kapitel.










Wenn ich nicht betrunken wäre, dann hätte ich vermutlich geglaubt, sie gesehen zu haben. Doch ich war mir sicher, dass meine Sinne mich täuschten. Das konnte doch nicht möglich sein! Sie war seit zehn Jahren verschwunden, niemand wusste, wo sie oder ihre Familie sich aufhielt. Nach dieser schicksalhaften Nacht war sie einfach verschwunden, ohne eine Nachricht zu hinterlassen. Ich blinzelte, mein Blick klärte sich und mir war klar, dass ich mir das nur eingebildet habe. Lou war nicht wirklich hier. Sie war fort. As always.

Wieso fühlte ich dann einen Blick auf meiner Haut, beinahe so, als wäre er brennend? Meine Haut kribbelte und ich hob den Kopf, strich eine Strähne beiseite und sah mich in der stickigen Bar um. Das Tavern war Kulturzentrum und Puff zugleich, hier hörte man als erste den Tratsch, hier wurde gebetet und gelacht, Frauen wurden betascht, man sah sich freizüge Clips an und man unterhielt sich über Politik. Es war der einzige Skandalpunkt in dieser erbärmlich kleinen Stadt. Deswegen gingen hier auch so unendlich viele Leute hin. Gut, zumindest die, die über einundzwanzig waren.

Verwirrt schüttelte ich den Kopf und fuhr mir mit beiden Händen übers Gesicht, versuchte die Müdigkeit abzuschütteln. Ich schloss für eine Millisekunde die Augen und konzentrierte mich dann wieder auf mein halbvolles Bierglas. Ich hob es an, trank einen Schluck und entdeckte dann Lou auf der Bank gegenüber mir. Ich verschluckte mich, griff mir nach dem Hals und fächelte mir gleichzeitig Luft zu. Es dauerte einen Moment, bis mein Husten nachgelassen hatte, meine Augen tränten, als ich mich schließlich beruhigte.

„Herr im Himmel, erschreck mich nicht so!“, fuhr ich sie an und sie runzelte die Stirn.

„Missbrauche nicht den Namen des Herrn, Lucy in the Sky with Diamonds.“ Wir verfielen in unsere allzu bekannten Rollen zurück, als wäre nichts geschehen, als wäre immer noch 2001.

Lou grinste mich breit an, zwinkerte mir dann zu, langte nach meinem Bier und trank es in gierigen Zügen aus.

„Hey“, beschwerte ich mich, „dass waren drei Dollar!“ Sie ignorierte mich, wie immer, und deutete dem Barkeeper und zwei weitere Biere vor die Nase zu knallen. Am liebsten hätte ich sie mit all den Fragen bombardiert, die mir auf dem Herzen brannten. Ich wusste jedoch, dass dies nicht ratsam war, deswegen fragte ich einfach das simpelste, das mir einfiel.

„Warum bist du wieder hier?“ Ich spähte auf meine Armbanduhr, erkannte, dass es schon nach elf Uhr abends war, der sechzehnte Oktober 2011. Knapp zehn Jahre waren vergangen, seitdem wir uns das letzte Mal gesehen haben.

„Du hast mir gefehlt, Luce“, ging sie meiner Frage aus und lächelte mich an. Ich zuckte mit den Schultern, ging diesem Kommentar ebenso aus wie sie meiner Frage. Sie seufzte, griff nach einem der Biere, die der Barkeeper vor uns abstellte.

„Ich sehe schon, du willst nicht mit mir reden!“ Ich schob meine Unterlippe vor, konnte meiner Wut nicht trotzen.

Ich stand auf, nahm mein Bier und ging zur Bar, ließ mich auf einem Hocker fallen und begann mein Bier zu trinken. Lou war mir gefolgt, ließ sich neben mir nieder und sah mich von der Seite durchdringend an.

„Ich kann verstehen, wenn du sauer bist, Luce, du hast allen Grund dazu.“

„Da hast du verdammt recht“, knurrte ich leise und konzentrierte mich auf Patrick, mein Exfreund und gleichzeitig auch der örtliche Barkeeper. Die halbe Stadt war hinter ihm her und bisher war ich die einzige gewesen, die in der Lage war, ihn zu bändigen.  Mein einziger Triumph, den ich je gelandet habe. Die halbe Stadt trauerte ihm nach. Wie auch immer, es war Vergangenheit. Jetzt war ein Neuankömmling in der Stadt, auf den sie sich konzentrieren konnten. Lou war immer ein Skandal gewesen und die Jungs hatten sich gleichermaßen für sie interessiert wie Mädchen.

„Schau“, sagte sie seufzend, „ich hatte meine Gründe, warum ich damals verschwunden bin.“

„Die hattest du“, sagte ich überzeugt, „wäre trotzdem schön, wenn du wenigstens Tschüss gesagt hättest.

„Ich wünschte, ich hätte es tun können, Luce, aber es ging nicht. Was sagst du, ein Spaziergang würde uns beiden sicherlich gut tun, oder?“

Sie warf einen Geldschein auf den Tisch, sagte mir, sie würde für mich zahlen. Patrick sah uns nachdenklich hinterher, ich formte lautlos ein paar Worte, die er verstehen würde. Bestätigend nickte er, winkte mir zu und ich grinste breit. Lou hatte sich derweilen bei mir untergehakt und schob mich aus dem Tavern.

Es war stockduster draußen, in diesem Teil der Stadt gab es keine Laternen. Der Stadtrat war der Meinung, dass die Hölle Licht genug hatte, da mussten nicht auch noch Unsummen für Laternen ausgegeben werden. Tatsächlich war es normalerweise erstaunlich hell hier, denn die vielen Autos, die hier herumfahren, spendeten mit ihren Scheinwerfern genügend Licht, um alles zu erkennen.

Dafür, dass dieser Stadtteil verleugnet war,  befanden sich viele Menschen hier.

Lou und ich schwiegen eine Weile, beobachteten die Sterne und setzten uns irgendwann auf eine alte, dreckige Band. Mir war es egal, ob ich mich in ein Kaugummi setzte oder nicht, meine Hose war sowieso dreckig. Meine Mom würde die Reinigungsrechnung bezahlen.

„Wie erging es dir so in der Zeit, Luce?“, erkundigte sich Lou und sah mich von der Seite an. Ich spürte ihren Blick auf mir, konnte ihren Gesichtsausdruck aber in der Dunkelheit nicht erkennen.
Ich fühlte mich ein wenig unwohl dabei, mochte es nicht, wenn sie mich anstarrte. Es erinnerte mich zu sehr an damals.

„Ganz gut“, gab ich knapp zur Antwort. Sie schwieg einen Moment, dann hakte sie weiter nach:

„Definiere gut, Luce. Bist du verheiratet? Hast du einen Freund? Kinder?“

„Du?“, wich ich ihrer Frage aus.

„Verheiratet“, sagte sie. Ich riss überrascht die Augen auf, wandte mich zu ihr herum und starrte sie an.

„Ehrlich?“, fragte ich. Ich erhielt keine Antwort, deswegen ging ich davon aus, dass sie nickte.

„Oh. Okay“ Mehr konnte ich dazu nicht sagen. Vielleicht war ich ein wenig enttäuscht, dass sie schon verheiratet war, aber das war ihre Sache. Ich war immer davon ausgegangen, dass ich als erste von uns beiden heiraten würde.

„Ihr Name ist Chloe.“ Sie ist mit einer Frau verheiratet? Gut, war nicht so ungewöhnlich, was anderes hätte ich auch nicht erwartet.

„Sie muss atemberaubend sein“, mutmaßte ich. Ich hörte Lou lachen, dann sagte sie:

„Das ist sie. Aber kein Vergleich zu dir.“

„Lou“, sagte ich gequält, „das ist zehn Jahre her. Du hast dich entschieden.“

„Nein!“, entgegnete sie lauter als vermutlich beabsichtigt, „nachdem das damals mit uns rausgekommen ist, Luce, da haben mich meine Eltern gezwungen, zu gehen. Boarding School war die einzige Möglichkeit, um den Skandal zu entgehen.“

„Und warum hast du dich nie gemeldet?“, fragte ich sie bekümmert.

„Ich… ich konnte nicht“, stotterte sie. Die Antwort, auf die ich immer gewartet hatte, war genau die, die ich mir ausgemalt hatte.

„Gut, dann kann ich jetzt gehen.“  Ich stand auf, doch Lou griff nach meinem Arm und zog mich zurück auf die Bank. Ich landete halb auf ihren Schoß und griff nach ihrer Schulter, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.

„Du kannst es doch nicht vergessen haben!“, spie sie verzweifelt aus, hielt mich fest, umarmte mich.
Ich versuchte mich loszumachen.

„Lass mich los“, sagte ich verzweifelt.

„Nein!“, meinte sie, „ich werde nicht gehen lassen, Luce. Du fehlst mir so sehr, dass es beinahe körperlich fühlbar ist.“

„Chloe?“, flüsterte ich lautlos.

„Luce, ich habe immer nur dich geliebt.“ Sie umfasste mein Kinn, wandte es in ihre Richtung und starrte mich an. Dadurch dass sie so nah an mir war, konnte ich ihre Augen sehen, sah das Verlangen.

Und ehe ich mich versah, presste sie ihre Lippen auf meine.

„Komm schon“, sagte Lou grinsend und schob mich in eine Toilettenkabine, schloss die Tür hinter uns hab und drückte mich an eine Wand. Ihre Hand strich über meine Wange, sie liebkoste meine Lippen, meine Halsbeuge und schließlich meine Brust durch den dünnen Stoff mit ihren Fingern. Nach einem Moment begann sie mich gierig zu küssen, ihre Zunge strich erst über meine Unterlippe, bat um Einlass. Als ich diesen schließlich gewährte, wickelte sie ihre Zunge um meine, küsste mich feurig und stöhnte schließlich in meinen Mund.

„Gott, Baby, ich hab dich so vermisst!“ Ich kicherte leicht, zog sie noch ein wenig an mich heran und strich- ganz zufällig- über ihre Brust.

„Du mir auch, Lou!“ Sie grinste mich an, glitt mit einer Hand unter mein Shirt und strich über meinen Bauch, fuhr in meinen Bauchnabel und kreiste ein paar darin herum. Ich lachte, kugelte mich leicht, denn es kitzelte fürchterlich.

„Himmel, du machst mich wahnsinnig!“ Ich lachte noch ein bisschen mehr. Plötzlich kniete sich Lou hin, öffnete meine Hose und drückte mir einen Kuss auf meinen Schambereich. Ich erstarrte, wusste nicht, wie ich darauf reagieren sollte, denn übers Küssen und Berührungen waren wir noch nicht herausgekommen.

„Luce?“

„Ja?“

„Ich liebe dich.“


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Ich drehte den Kopf beiseite, wollte nicht, dass sie mich küsste. Lou und ich, das war Geschichte. Nie würden wir wieder das Level erreichen, dass wir einst waren. Wir würden nie wieder die Liebenden sein, die Leidenschaftlichen, nie mehr ein Paar.

„Louise, ich sage das nur ein einziges Mal und ich möchte, dass du mir gut zuhörst. Fass mich nie wieder auf diese Art und Weise an, küss mich nicht, schlafe nicht mit mir, liebe mich nicht. Berühre meine Seele nicht, es hat lange gedauert, bis sie heilt.“

Sie starrte mich entgeistert an, wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Doch dann nahm ihr Gesichtsausdruck einen Schadenfrohen Ausdruck an und ich wusste sofort, dass sie wieder irgendeinen Triumph aus dem Ärmel ziehen würde. Das war Lou, so typisch für sie.

„Du verleugnest dich gerade selbst, Luce. Du liebst mich immer noch!“
„Und wie kannst du dir da so sicher sein?“, fragte ich herausfordernd.  Sie legte ihre Hand auf mein Herz, das viel zu schnell pochte. Leise ahmte sie das Klopfen meines Herzen nach und bei jedem ‚Bu-Bum‘ wurde ihr Lächeln noch ein wenig selbstsicherer. Ich konnte nebenbei unmerklich ignorieren, dass ihre Hand auf meiner Brust lag, selbst wenn sie vorgab, nur nach meinem Herz fühlen zu wollen.

„Dein Herz hat dich verraten, Lucy in the Sky with Diamonds.“ Ich rutschte von ihrem Schoß herunter, blieb frustriert neben ihr sitzen und seufzte wütend.
„Weißt du, es ist ziemlich einfach, zu kommen und zu gehen, nicht? Eine Nacht bis du hier, verdrehst mir den Kopf und in der anderen bist du wieder bei deiner Chloe. Lou, das ist nicht fair.“

„Das Leben ist nicht fair, Luce.“ Ihre Art und Weise hatte mich schon vor zehn Jahren auf die Palme gebracht und wie ich feststellte, hatte sich nichts daran geändert.

„Ich verdrehe dir also den Kopf?“, erkundigte sie sich interessiert. Mit einem lauten ‚Och, ehrlich, Lou!‘ sprang ich von der Bank auf und entfernte mich ein von ihr, musste etwas Abstand zwischen uns bringen. Ihre Anwesenheit brachte mich durcheinander.

„Louise, ich habe nie behauptet, dass du es nicht tun würdest. Aber es ist vorbei, verstehst du das nicht?“, fragte ich verzweifelt.
„Nein!“, meinte sie einfach. Obwohl ich sie nicht sehen konnte, ahnte ich, dass sie lässig mit den Schultern zuckte, meine Verzweiflung einfach herunterspielte.

„Weißt du, ich heirate auch demnächst!“, teilte ich ihr mit.  Lou schwieg für einen Moment, dann fragte sie: „Wie heißt sie?“
Ich konnte in ihrer Stimme hören, dass ihre diese neue Information gegen den Strich ging.

„Patrick. Sein Name ist Patrick. Du hast ihn gerade eben kennen gelernt, er ist der örtliche Barkeeper.“  Ich legte die Betonung auf das Wort ‚Er. ‘
„Er? Barkeeper? Luce, willst du mich auf den Arm nehmen? Das ist beides falsch, in so vielen Beziehungen.“

„Du bist die einzige Freundin, die ich je hatte, Lou.  Die einzige Frau, mit der ich jemals zusammen war. Patrick und ich waren mehrmals ein Paar, wir lieben uns, hassen uns, verachten uns. Vor sechs Monaten, kurz nach unser…“, ich zählte kurz, „ vierten Trennung, hat er mir einen Heiratsantrag gemacht.“

„Ein Mann? Luce, du hast gesagt, du ekelst dich vor Männer, hast keine Gefühle…“, ich unterbrach sie.

„Das ist zehn Jahre her, Lou. Zehn Jahre sind eine verdammt lange Zeit.“

„Lucy, wenn ich herausbekomme, dass du getrunken hast, dann ist dein Leben bis zu deiner Volljährigkeit beendet, haben wir uns verstanden?“  Meine Mutter versuchte streng zu sein, doch es missling ihr gewaltig. Sie war zwar dreiviertel des Tages wirklich ätzend und gemein, aber in diesem Moment war sie die verständnisvolle Mutter, die ich liebte.

„Ja, Mom!“, entgegnete ich augenverdrehend und tastete nach dem Griff, wollte endlich aus unserem Chevy springen.

„Pass auf ich auf, ja? Trink nichts aus fremden Gläsern, aber viel mehr als das, Lucy, kein Sex!“  Sie kannte meine Freundin anscheinend wirklich gut, sonst würde sie diese Warnung nicht aussprechen.
„Ja, Mom“, widerholte ich meine Worte von gerade eben und sprang schnell aus dem Wegen, schlug die Tür hinter mir zu, ehe meine Mutter noch weitere Regeln aufstellen würde.

Ich rannte beinahe zu Gracie Tegans Haus, klingelte und trippelte ungeduldig auf der Stelle herum. Meine Tasche mit all meinen Schlafutensilien hatte ich geschultert, in meiner rechten Hand hielt ich Gracies Geschenk. Nach einem kurzen Augenblick wurde die Tür aufgerissen und das Geburtstagskind persönlich strahlte mich an.

„Hi, Lucy, danke, dass du gekommen bist!“ Ich fragte mich, wie oft sie diesen Satz heute schon gesagt hatte. Aber dennoch, ich fühlte mich willkommen, begrüßte sie und drückte ihr ihr Geschenk in die Hand.

Sie bedankte sich überschwänglich und griff nach meiner Hand, zog mich ruckartig ins Haus hinein und führte mich dann wie ein Hund an der Leine hinter sich her, ins Wohnzimmer. Da, wo alle anderen Plastics sich versammelt hatten. War ja klar, dass Gracie Tegan eine Pyjamaparty schmeißen würde, wo alle in pinken Negligés bekleidet herumtanzen würden, sich gegenseitig die Nägel lackierten, Pan- und Cupcakes fraßen und über Jungs tratschten, die an unserer Schule ‚in‘ waren.

Gegen Abend, Verzeihung Nacht, würden wir uns dann einen Film ansehen, heimlich den Alkohol aus den Taschen kramen und kurz nach Mitternacht die Jungs im Wald treffen, wo wir eine Runde Flaschendrehen spielen würden.

„Kommt“, sagte sie begeistert und klatschte in die Hände, „darf ich meine Geschenke auspacken?“
Wir verneinten, es war noch nicht ihr Geburtstag, erst nach Mitternacht dürfte sie es. Nachdem auch die letzten angekommen waren, dauerte es noch eine Stunde, bis Gracies Eltern zu einem Theaterbesuch in die Stadt aufbrechen würden und da die Fahrt so lange war, würden sie diese Nacht in einem Hotel übernachten. Es war ja nicht so, dass wir ohne Aufsichtspersonen wären, ihre großen Brüder waren auch immer anwesend, feierten ein wenig mit, bis Gracie sie schließlich herauskickte, damit wir uns umziehen könnten.

Es verstand sich von selbst, dass danach etliche Mädchen duschen gingen, vorbei an den Zimmern der Jungs, bekleidet in besagten, knappten Negligés. So lief das ab, jedes Jahr seit sie zwölf war.

Mit einer winzigen Ausnahme. Anstelle der knappen Negligés trug ich meinen Teddybär Schlafanzug.  

Wir aßen zu Abend, Fettuchini Alfredo, zum Nachtisch Schokopudding, selbst gekocht von  Gracie persönlich. Mit diesem, so sagt sie, hat sie auch ihren Freund an die Angel bekommen, den Quarterback der Schule, Kayne Richardson.  Ob das so stimmte, oder ob ihre großen Brüste alleine der Grund dafür waren, wusste ich nicht. Hatte mich auch nicht zu interessieren. Tat es auch nicht.

Nachdem wir die Teller weggeräumt hatten, gingen wir hoch, in Gracies riesiges Zimmer. Jeder schleifte seine Tasche hinter sich her. Überall in ihrem Zimmer waren riesige Matratzen aufgepustet, die dieselbe Höhe von Gracies Bett hatten und an Breite an ein Ehebett erinnerten. Das Tolle an den Matratzen war, dass alle quietschpink und durchsichtig waren. In den Matratzen waren Kugeln zu sehen, die optisch an Seifenblasen erinnerten. Natürlich waren alle Betten mit einem dünnen Laken bezogen, nur Decken musste man mitbringen.

Dieses hatte meine Mom schon gestern bei ihr abgeliefert, mein Bett war schon fertig bezogen, am Ende von Gracies rosa Zimmer. Eine riesige Lampe, die aussah wie ein Baum, spendete Gracies Zimmer genügend Licht, sodass wir alles beziehen konnten und unsere Klamotten wechseln konnten. Ich schlüpfte verschämt in meinen Schlafanzug, fühlten mich zwischen all den knappen Dessous wie eine Außenseiterin. War ich ja auch, denn nur ich trug solch peinliche Nachtwäsche.

Nachdem wir es uns alle auf unseren Betten gemütlich gemacht hatten, legte Gracie die Jonas Brothers auf, tanzte durch das Zimmer, strippte halb und riss dann schließlich ihre Zimmertür auf und brüllte über den Flur nach ihrem Bruder.

„Layton!“ Seine Tür riss er ebenso schnell auf. Ihr neunzehnjähriger Bruder kam in Boxershorts herausgeschlittert, in beiden Händen eine Flasche Wodka.

Im selben Moment klingelte es an der Haustür. Wer kam denn jetzt noch? Hoffentlich nicht meine Mom!

Gracie quietschte und ehe ich mich versah, sauste sie die schwere Marmortreppe herunter und öffnete die Haustür. Ich konnte nicht sehen, wer da war, aber sie würde es uns sicherlich nachher mitteilen. Ich hörte sie mit einer Frau sprechen und nach einem Augenblick kam sie zurück ins Zimmer gerannt. Ein Atemzug nach ihr traf ein weiteres Mädchen ein. Man konnte sehen, dass sie deutlich älter war als wir es waren.

Natürlich war ich neugierig, wer sie war, aber ich wollte den Mädchen um mich herum als ein Paradebeispiel zur Seite stehen und sah sie nur kurz an, zuckte mit den Schultern und senkte meinen Blick dann auf die DVDs, die vor mir lagen.

Durch meine Haare schielte ich jedoch wieder nach oben, beobachtete den Neuankömmling intensiv. Sie war hübsch, dass konnte man nicht bestreiten, weißblonde Haare, tiefgrüne Augen. Sie war groß gewachsen, viel größer als ich es war und kurvig gebaut, nicht so eine Bohnenstange wie ich es war. Sie hatte die Pfunde an der richtigen Stelle, ausgeprägte Hüften, eine schmale Taille und ein voller, wiegender Busen. Ihre langen Beine steckten in einer schmalen Röhrenjeans, die ihren Hintern gekonnt betonten.

Außerdem trug sie ein grünes Shirt, dass so stark ausgeschnitten war, dass man den Ansatz ihrer Brüste erkennen konnte.

Sie sah so aus, wie ich gerne aussehen wollte.

„Alle mal herhören“, riss Gracie uns aus unserer Starre. Sie grinste uns breit an, wusste wahrscheinlich, was in uns vorging.
„Das ist Lou, meine Cousine. Sie ist siebzehn.“ War ja klar, dass sie uns das vierzehn und fünfzehnjährigen entgegen schleudert musste.

Lou winkte in die Runde, sah sich kurz im Raum um und zuckte dann mit den Schultern.

„Lou, du schläfst mit Lucy auf einer Matratze“, erklärte Gracie ihr. Ich spürte alle Blicke auf mir, dann wanderten diese zu Lou herüber, zurück zu mir, gaffend.

„Fein.“ Sie kam auf mich zu, langsam und schleichend, grinste mich leicht an. Grübchen! Sie hatte Grübchen. Komische Gedanken, sagte ich zu mir selbst.

Als sie vor mir stehen blieb, zwinkerte sie mir zu. Ich spürte wie mir Blut in die Wangen schoss und murmelte verlegen ein leises Hallo. Am liebsten würde ich meinen Kopf senken, doch ihr Blick hielt mich gefangen.

Sie sah mir forschend in die Augen, ihre Pupillen weiteten sich, als sie meine Augenfarbe erkannte. Dann wurde ihr Lächeln plötzlich um eine Idee breiter und innerhalb einer Sekunde hüpfte sie mit einem großen Satz zu mir auf die Matratze. Ich verlor  beinahe das Gleichgewicht,  fiel beinahe auf den Boden. Lou hielt mich an meinem Handgelenk fest und zog mich mit einem festen Ruck zurück auf die Matratze. Ich knallte gegen ihre Brust und lehnte dort für eine Millisekunde, bis ich zurückfuhr, als hätte ich mich verbrannt. Wenn ich vorhin schon rot war, dann war ich jetzt eine Tomate.

„Hi, Lucy“, begrüßte sie mich, „ Lucy in the Sky with Diamonds.“

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„Da hast du Recht, zehn Jahre sind eine verdammt lange Zeit. Aber es hat sich nichts geändert.“
Zornig machte ich eine Handbewegung, die diese ganze Situation einschloss.
„Lou, alles hat sich geändert. Ich habe mich verändert. Du hast dich verändert. Und du musst es akzeptieren, dass ich nicht mehr mit dir zusammen sein will.“

Lou sackte ein wenig in sich zusammen.

„Das meinst du nicht ernst.“
„O doch, Lou, das meine ich!“

Es ging rasch auf die zehn Uhr zu, wir machten es uns in unseren Betten gemütlich und sahen neugierig auf Gracies Fernseher. Jedes Jahr kam sie mit einem neuen, skandalösen Film, der all unsere Höschen nass machen würde.

Lou lag neben mir, ebenfalls in so knappen Klamotten, dass ich mich neben ihr wie eine Perverse fühlte. Sie hatte ihren rechten Arm über ihre Augen gelegt und ich wusste nicht genau, ob sie schlief oder sich einfach nur ausruhte.

Gracie hüpfte zu ihrem Fernseher und grinste einmal kurz in die Runde, dann holte sie zwei DVDs hinter ihrem Rücken hervor.
„Heute habt ihr, zum allerersten Mal, die Wahl zwischen zwei Filmen. Sexy sind sie wie immer. Wer war letztes Jahr nicht hier?“ Drei Mädchen, Allison, Amber und Ashley, die drei absolut dummen A’s, die in der Schule auch die Plastiques genannt wurden. Ich konnte nicht verstehen, warum Gracie sie eingeladen hatte, denn sie hing nicht mit ihnen ab.

„Eine Nacht in Rom oder Wild Things?“ Beides Lesbenfilme, so viel ich wusste. Einige kreischten Chloe, doch Gracie entschied sich für ‚Eine Nacht in Rom‘, da sie ja das Geburtstagskind war. So war sie, hinterhältig und gemein. Sie ließ es so aussehen, als hätten wir eine Wahl, aber nein, sie zwang uns ihren Willen auf, egal wie nett sie das tat.

„Vertraut mir, der Film ist großartig.“

Das war er auch, wenn man auf die Sexszenen achtete. Außerdem war der Film mit so viel Philosophie vollgepackt, dass mir beinahe davon schwindelig wurde. Eine Spanierin und eine Russin trafen sich in Rom, die Spanierin schleppte die Russin ab und die ganze Nacht vögelten die beiden im Bett. Tolle Handlung. Mein Höschen war nass, natürlich, die Sexszenen waren in einer guten Qualität gedreht worden.

Nachdem der Film geendet war, herrschte eine peinlich berührte Stille im Raum. Da Gracie kein Radar für so etwas hatte und generell kein Taktgefühl besaß, meinte sie nur plump, dass das ein heißer Film war. Lou hatte den ganzen Film verschlafen, vielleicht tat sie nur so oder sie kannte ihn schon, irgendwann folgte ich ihrem Beispiel und machte es mir gemütlich, sah immer mal wieder zum Film hin, doch die meiste Zeit hing ich meinen Gedanken nach.

„Er hat dich erregt, oder?“, flüsterte sie mir plötzlich zu, so leise, dass nur ich sie hören konnte.
„Was?“, fragte ich verwirrt und sah auf sie hinab. Lou lugte unter ihrem Arm durch und lächelte mich wissend an.
„Der Film, er hat dich ungeturnt.“
„Nein“, stritt ich ab. Natürlich hatte er das, aber das wäre wohl das letzte, was ich zugeben würde. Er ging ich ins Bad, sterben.
„Du lügst“, flüsterte sie noch leiser. Beinahe hätte ich sie nicht verstanden und halb wünschte ich es mir, denn dann müsste ich darauf nicht eingehen. Doch unglücklicherweise hatte ich es. Mein Körper hätte mich sowieso verraten, denn ich versteifte mich, Blut schoss mir in die Augen.

„Tue ich nicht“, fauchte ich sie an.
„Ui, Kätzchen hat Krallen“, murmelte sie grinsend und zuckte mit den Schultern.
„Weißt du, es kümmert mich nicht. Mich hat der Film angemacht, sehr sogar.“  Ihr Lächeln wurde um noch eine Idee breiter und spürte, wie sich die Röte in meinem Gesicht intensivierte und in meinem ganzen Körper ausbreitete.

„Aber du hast doch geschlafen“, murmelte ich verwirrt. Lou schüttelte leicht den Kopf.
„Bilder vergehen wieder, doch Stimmen bleiben immer in deinem Kopf. Ich habe gelauscht und dich beobachtet.“
„Beobachtet? Mich?“, stotterte ich. Lou bejahte. Oh je, dann wäre abstreiten wohl kaum mehr möglich.
„Du wurdest richtig nervös“, meinte sie. Natürlich, das war ja auch ein Film, der unter die Haut oder- wortwörtlich- ins Höschen ging.

„Fein, fein“, meinte Gracie laut und klatschte begeistert in die Hände. Setzt euch alle in einen Kreis, wir spielen eine Runde Lesbenflaschendrehen. Ich stöhnte innerlich genervt auf. Gracie ließ sich immer wieder etwas Neues, Bescheuertes einfallen. Langsam fragte ich mich, warum ich eigentlich noch zu ihren Partys ging.

Gut, sie waren nicht so schlecht und ich wollte in der Schulhierarchie nicht absteigen, deswegen besuchte ich sie weiterhin.

„Als allererstes müsst ihr alle schwören, dass das, was hier gesagt oder getan wird, diesen Raum nie verlässt!“ Gracie hob feierlich die Hand, schwor, dass sie nie jemanden von unserem kleinen Abenteuer hier drinnen erzählen würde und forderte uns alle auf, ihren Schwur zu widerholen. Selbst Lou versprach es, tat dies jedoch mit einem demonstrativen Augenverdrehen gen ihrer Cousine.

Schließlich holte Gracie eine volle Wodkaflasche hinter ihrem Rücken hervor, erklärte, dass jeder, auf den die Flasche zeigte, ein Glas Wodka trinken und die Aufgabe der Person zuvor erledigen musste.
„Ich fang an“, rief sie begeistert, öffnete die Flasche, füllte ein Glas bis zum Rand und trank dieses Gesichtsverziehend aus.

„Derjenige, auf den die Flasche zeigt, muss sagen, ob sein Höschen feucht ist.“ Bescheuerte Aufgabe, bei der alle sowieso lügen würden. Die Flasche zeigte auf Amber, die errötend zugab, dass es sie tatsächlich erregt hatte. Ja, klar, Schätzchen, nichts Neues! So erging es jedem… wirklich jeden!

Amber trank ein Glas, hustete fürchterlich und forderte auf, denjenigen nach ihr, den Namen des Schwarmes zu sagen. Solch ein Schwachsinn. Gracie gab zu, in ihren Freund verliebt zu sein. Ein Küsschen auf die Wange für die Person, die rechts neben des Loosers saß, auf den die Flasche zeigte. Mich. Klasse.

Wer saß neben mir? Lou! Ich beugte mich schnell zu ihr herüber, gab ihr einen Kuss auf die Wange. Lou murmelte irgendwas von Kinderspielen, doch ich ignorierte sie geflissentlich. Es war für mich schon eine Herausforderung gewesen, dies zu tun und ich war wirklich stolz auf mich.

Die Aufgaben wurden versauter, ein Zungenkuss, ein Tittengrabscher und irgendwann verlangte Lou, dass die BHs ausgezogen wurden. Wir saßen schließlich alle mit nacktem Oberkörper da, ich verschränkte meine Arme vor der Brust, wollte nicht ganz so verletzlich aussehen.

Als es auf die halb zwölf zuging und Gracie verlangte, dass wir die Höschen auszogen, machte ich sie darauf aufmerksam, dass wir uns hübsch machen sollten, damit wir die Jungs treffen konnten. Sie dankte mir, sprang vom Boden auf und riss ihre Schranktür auf.
„Was soll ich bloß anziehen?“, meinte sie frustriert. Sofort sprangen einige Mädchen ebenfalls auf, berieten Gracie, um ein paar Punkte für die Beliebtheitsskala von Gracie Tegan zu sammeln. Ich zog mir einfach meinen BH über, einen Pulli und schlüpfte samt Pyjamahose in meine Jeans.

Ich sah, wie Lou sich komplett umzog, sie stand vollkommen nackt vor mir und als sie meinen starrenden Blick bemerkte, zog sie schlicht die Augenbraue hoch und fragte mich, ob ich etwas sehen würde, was mir gefiel.

Meine Wangen wurden noch einen Tick röter, ich wand mich von ihr ab und band mir meine Haare zu einem Pferdeschwanz im Nacken. Gracie schminkte sich noch und schlüpfte dann, ohne BH, in ein beinahe durchsichtiges Top. Meine Mutter würde sie galant als Schlampe bezeichnen, wenn sie Gracie so sehen würden. Ich tat es meiner Mutter schweigend nach und betitelte sie außerdem mit dem Begriff Bettmatratze.

Natürlich war ich als erste fertig und ließ mich wieder auf dem Bett nieder, zog meine Kapuze vom Pulli über den Kopf und schloss für einen Moment die Augen. Müdigkeit überrollte mich und für ein paar Minuten nickte ich tatsächlich ein. Ich träumte nichts, genoss nur, wie die Geräuschkulisse in den Hintergrund trat und mein Bewusstsein abschaltete.

Es dauerte allerdings nicht lang und Gracie weckte mich mit ihrer quietschenden Stimme. Abrupt fuhr ich hoch, blinzelte gegen das plötzliche Licht an und blickte in Lou’s Gesicht. Sie sah mich amüsiert an, fragte mich, ob ich gut geschlafen hätte. Ich bejahte, dankte ihr und teilte ihr mit, sie solle sich um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern. Sie lachte lauthals, schlug mir sanft auf den Rücken und sagte:

„Recht so, Kätzchen.“  Ihre Anspielung auf ihren Kommentar vorhin fand ich unangebracht, außerdem mochte ich es nicht, wenn sie mich berührte. Ich fühlte mich komisch, beinahe so, als würde ich krank werden. Mein Magen spielte verrückt, flatterte nervös und Kopfschmerzen machten sich für einen Moment bemerkbar.

Gracie drehte sich vor ihrem großen Spiegel einmal im Kreis, zupfte an ihrem Top, bis es so saß, wie sie es wollte, strich sich die Haare glatt und überprüfte ihr Make-up. Lou kramte aus ihrer Hosentasche einen rosa Lipgloss hervor, trug sich diesen in dreifacher Auftragung auf, presste die Lippen einmal aufeinander und bewegte diese, sodass der Lipgloss überall perfekt aufgetragen war. Nach einem Moment fragte sie mich:

„Du auch?“ Ich nickte bejahend und streckte die Hand aus, um das Lipgloss entgegen zu nehmen, doch nicht so Lou. Sie beugte sich zu mir herüber und drückte ihre Lippen auf meine. Mit ihrer Zunge strich sie über meine Unterlippe und automatisch öffneten sich meine Lippen, erlaubte ihrer Zunge Einlass. Sie spielte mit meiner, tanzte und wirbelte sie herum, ich schloss genießerisch die Augen und spürte die warme Feuchte. Noch nie zuvor hatte ich so etwas getan, noch nie etwas so gespürt.


Gracie Tegans Cousine war mein erster Kuss. Viel zu schnell löste sich Lou von mir, streckte ihre Hand aus und wischte mir etwas Lipgloss vom Kinn. Meine Wangen brannten und ich spürte etliche Blicke auf mir, versuchte diese jedoch gekonnt zu ignorieren.

„Perfekt“, meine Lou grinsend und hakte sich bei mir unter.
„Fertig?“ Ich nickte.


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Ich sah an ihrem Gesichtsausdruck, dass sie meinen Worten keinen Glauben schenkte. Lous Sturheit ging mir gegen den Strich, ich hasste es, dass sie mich so gut kannte, auch nach so vielen Jahren. Resigniert seufzend ließ ich mich zurück auf die Bank fallen und starrte schweigend in die Dunkelheit. Einige Autos fuhren vorbei und ich fragte mich, was sie in diese Ecke der Stadt gelotst hat, denn diese Straße war für die Öffentlichkeit gesperrt, keine Autos wurden geduldet. Was, wie wir sehen konnten, nicht hieß, dass diese Leute sich auch zwangsläufig daranhielten. Diese Straße war einst eine Straße gewesen, die aus diesem Höllenloch herausführte, doch aus irgendeinem Grund wurde sie gesperrt. Nun nutzten sie nur noch Fahrradfahrer und Rollerblader.


Erneut fuhr eine Reihe Autos an uns vorbei.
„Weißt du was los ist?“, fragte ich Lou verwirrt. Lou lachte leicht, griff nach meiner Hand und zog mich von der Bank hoch.
„Und ob ich weiß, was hier los ist, Luce. Autorennen.“ Perplex sah ich in ihr durch Scheinwerfer hell erleuchtetes Gesicht.
„Autorennen? Lou, wir sind eine anständige Stadt, hier gibt es keine Autorennen!“, versuchte ich ihr zu erklären. In ihren Augen funkelte das Vergnügen, als sie sich bei mir unterhakte.
„In jedem Guten steckt auch etwas Böses, Luce. Das solltest du wissen.“

Wie Recht sie hatte. Wie Recht.


Wir liefen ungefähr zwanzig Minuten schweigend, bis wir unendlich viele rote Rücklichter entdeckten. Ich konnte Lous triumphierenden Blick in der Dunkelheit erahnen, verdrehte demonstrativ die Augen, auch wenn sie mich nicht sehen konnte.
„Ich sagte es dir doch“, musste sie hinterherschieben.  Für jeden Seufzer, den ich ihretwegen gemacht hatte, sollte ich zehn Dollar bekommen. Damit hätte ich in den letzten zehn Jahren mein Studium finanziert. Davon war ich überzeugt.

Wir erreichten die stehenden Wagen relativ schnell. Überrascht nahm ich zur Kenntnis, dass es hier auch viele Leute aus den umliegenden Städten anwesend waren. Familiäre Gesicht waren in der Masse zu erkennen, einige starrten mich überrascht an. Sie hatten nicht gedacht, dass sie mich hier antreffen würden. Vor einigen Stunden hätte ich das auch nicht gedacht, doch da Lou so plötzlich zurück in mein Leben getreten war, ist nichts anderes zu erwarten. Lou hatte ihre eigenen Pläne. Sie stellte alles auf den Kopf. Immer. Es war eine Charaktereigenschaft von ihr, die sie immer noch nicht abgelegt hatte. Meine Hoffnung hatte ich schon lange aufgegeben, ich konnte dieses Mädchen, nein, nun war sie ein Frau, nicht verändern.

Ich musste mich verändern, damit unsere Beziehung funktionieren konnte, doch das würde zwangsläufig auch bedeuten, dass ich mich selbst verlieren würde. Lou war… sie selbst, doch egal wie sehr ich sie liebte, ich durfte mich nicht weniger lieben.

Einige der Männer begrüßten Lou mit Vornamen, sie ließ mich los, schlug bei einigen High-Fives ein, begrüßte die Kerle ebenfalls bei Namen und unwillkürlich fragte ich mich, wie lange sie schon wieder in der Stadt war. Egal wie klein diese Stadt war, musste es nicht heißen, dass ich sie zwangsläufig sehen würden. Es kam darauf an, in welchen Kreisen wir verkehrten. Lou war eine aufsässige Person, eine Rebellin, die in solchen Kreisen verkehrte, auch wenn ihre Eltern reich waren.

Ich war eine brave Studentin, die unter der Woche zum College ging und das Wochenende lernend bei ihrem Verlobten verbrachte. Ich konnte es nicht verhindern, bei diesem Gedanken beschlich mich ein leises Gefühl der Verbitterung. Ich beneidete Lou um ihre Unabhängigkeit.


„Louise, bist du schon länger hier?“, fragte ich sie alarmiert. Lou grinste mich an, zuckte mit den Schultern und kramte in ihrer Hosentasche nach einem Kaugummi.
„Ein paar Wochen vielleicht.“
„Wie viele?“
„Ein paar Wochen, wie ich schon sagte!“
„Lou!“, meinte ich sauer. Sie hob abwehrend die Hände, ihr Grinsen wurde noch ein wenig breiter.
„Fünf Wochen.“

„Fünf Wochen?“, widerholte ich sauer. „Du bist fünf Wochen hier und sagst nicht mal Hallo? Streich das, warum hab ich davon nichts mitbekommen?“
Ich hatte mir vor einigen Minuten diese Frage noch selbst beantwortet, aber vielleicht sah Lou das ja anders. Mich regte es auf, dass ich generell immer die Letzte war, die die Neuigkeiten erfuhr. Das war gemein und vor allem total frustrierend! Als wäre ich eine komplette Idiotin.

„Du warst mit deiner Uni beschäftigt, Luce. Das ist verständlich.“ Ja, klar, aber trotzdem… Stopp! Ich spulte zurück, versuchte zu realisieren, was ich da gerade gehört hatte.
„Louise! Hast du mich etwa gestalkt?“ Sie schüttelte verneinend den Kopf, sah mich wütend an.
„Es dreht sich nicht immer alles um dich, LucyAnn. Ich habe nur Patrick danach gefragt, er hat mir erzählt, dass seine Verlobte studiert.“

Jetzt kam ich mir ultradumm vor. Ich hatte mich bemüht, aus Patrick ein Geheimnis zu machen und Lou wusste schon davon. Sie wusste ja von allem. Und ich dumme, naive Nuss dachte…
„Super!“, meinte ich eingeschnappt, „da hast du recht, Louise. Es dreht sich nicht immer nur um mich. Um genau zu sein, es dreht sich immer nur um dich!“ Ich rückte ein Stück von ihr, stampfte zornig mit dem Fuß auf und warf ihr einen durchdringenden Blick zu.

„Hör auf, mich Louise zu nenne, Lucy in the Sky with Diamonds!“ Sie setzte zu einem weiteren Satz an, doch ich unterbrach sie, indem ich sie anbrüllte.
„Stopp es! Das bin ich nicht mehr kapiert, ich bin glücklich verliebt und verlobt. Nur weil du ein kleines Kapitel in einem ganzen Buch bist, heißt das nicht, dass du einfach in mein Leben spazieren kannst! Dein Platz wurde von jemand angenommen. Ich liebe Patrick.“

Die Leute starrten tuschelnd zu uns herüber. Na klasse, morgen würde die ganze Stadt- und vor allem mein Vater, der örtliche Pastor, davon wissen, dass ich eine kleine, lesbische Liason hatte. Mom hatte mir versprochen, ihm nichts zu erzählen, er würde mich sonst hochkant herauswerfen.

„Ärger im siebten Himmel?“, fragte uns ein junger Typ in einer schwarzen Lederjacke. Seine dunklen, längeren Haare waren zurückgestrichen, ein schelmisches, attraktives Lächeln umspielte seine Lippen.
„So kann man es nehmen“, meinte ich lässig. Sein Lächeln wurde noch ein wenig breiter, als er sich bei mir unterhakte. Wie bitte? Irritiert versuchte ich mich, bei ihm loszumachen, doch sein Griff war stark und ich hatte nicht genügend Kraft, um mich von ihm zu lösen.

„Hey!“, rief ich sauer und warf Lou einen panischen Blick zu. „Was soll das?“
„Wir regeln das anders“, erklärte er mir. Wovon zum Teufel sprach er?
„Ich bin Gabriel.“
„Lucy. Lass mich los, oder ich schwöre, ich trete dir…“ Er drückte meinen Kopf herunter und ehe ich mich versah, saß ich ihm einen der Rennautos. Was ging hier vor? Mit Lou wurde gerade dasselbe gemacht, nur dass sie sich dagegen nicht werte. Scheiße!

„Wenn ich gewinne, musst du deine kleine Freundin dort drüben…“, er deutete auf Lou in dem blauen Wagen, „küssen. Sollte Sean, mein kleiner Freund mit deiner Freundin dort gewinnen, dann werdet ihr beide auf dem Rückweg eure T-Shirts verlieren.“

„Nein! Da mache ich mit“, erklärte ich ihm und versuchte aus dem Wagen zu steigen, doch er hielt mich am Arm zurück.
„Einmal im Wagen, immer im Wagen, Lucy. Mach dir nichts daraus, wir sind hier verschwiegene Leute. Was auf der Piste geschieht, bleibt hier.“ Er kramte unter dem Fahrersitz eine Wodkaflasche hervor und reichte sie mir.
„Nimm einen tiefen Schluck“, riet er mir. Ich war sowieso schon betrunken, da brauchte ich keinen weiteren.
„Nimm ihn!“, meinte er hart. Wohoo… Ich tat, was er von mir verlangte.

Eine junge Frau mit bauchfreiem Shirt trat nach vorne und ich erkannte, dass wir auf der Startlinie standen. Es handelte sich anscheinend nur um einen Zweierrennen. Die Dame trug nur einen knappen Rock und als sie sich mit zwei Fahnen in der Hand hinkniete, konnte ich ihren Slip sehen. Gabriel schaltete die Fernlichter ein und die Frau blinzelte geblendet. Gabriel startete den Wagen, ließ den Motor ein paar Mal aufheulen und grinste mich lässig an.

„Bereit, Babe?“ Die Frau hob die Hüften an, hielt die Fahnen in die Höhe und sprang dann schließlich auf, als Zeichen, dass es losgehen würde. Gabriel drückte das Gaspedal durch, ich wurde in den Sitz gepresst und schon rasten wir los. Panisch sah ich mich nach einem Anschnallgurt um, es war jedoch keiner vorhanden.

Ich begann auszuflippen, brüllte herum und sagte ihm, er solle mich aussteigen lassen.
Es machte mich nervös, in diesem Wagen zu sitzen. Der Tacho sagte mir, dass wir bereits hundertvierzig fuhren, der andere Wagen, indem Lou saß, hatte ein bisschen Vorsprung.

„Schneller“, rutschte es mir heraus. Gabriel sah mich überrascht an, dann schenkte er mir ein diabolisches Grinsen und jagte das Auto schneller über die asphaltierte Straße. Ich jauchzte, stützte mich am Armaturenbrett ab und starrte durch die Frontscheibe. Die Dunkelheit jagte an mir vorbei.

Wir holten auf, waren schließlich mit dem anderen Wagen auf Augenhöhe. Lou grinste mich an. Ich kniff die Augen zusammen. Da der Wagen auf der rechten Seite war, konnte Lou mich gut sehen. Ich streckte ihr den Mittelfinger zu und sie fing laut an zu lachen.

„Wie kann ich das Fenster aufmachen?“, fragte ich Gabriel.
„Was?“
„Wie kann ich das Fenster aufmachen!“, meinte ich drängend. Er deutete auf den Hebel. Verblüffung stand ihm ins Gesicht geschrieben. Ich kurbelte das Fenster herunter, stand im Wagen auf und beugte mich heraus, sodass mein Oberkörper heraushing.

Alkohol machte mich größenwahnsinnig.

Ich hoffte, dass ich nicht aus dem Wagen krachen würde, denn ich wankte gefährlich. Auf einmal spürte ich eine Hand an dem Bund meiner Jeans. Im Nüchternen Zustand hätte ich ihn dafür geohrfeigt, doch nun war ich einfach nur froh, eine stabile Pose zu haben.

Ich griff nach dem Saum meines Shirts und riss es hoch. Da ich am Wochenende mir die Freiheit des BH-nichttragens erlaubte, streckte ich dem Typen, Sean, und Lou meine blanken Brüste entgegen. Lou sah mich entgeistert zu, ich konnte ihr Brüllen durch das Fenster nicht hören. Aber sie musste außer sich sein.

Gabriel brüllte begeistert, tätschelte mir den Hintern und lachte vor sich hin, als wir eine Sekunde vor dem anderen Wagen über die Ziellinie schossen. Ich zog mein Shirt wieder herunter, kam in den Wagen zurück und atmete gierig die rauchgeschwängerte Luft ein. Dort draußen hatte ich kaum atmen können.

Wir bremsten abrupt ab und ich knallte mit dem Oberkörper gegen das Armaturenbrett, gapste nach Luft, die mir abgeschnürt wurde.  Für einen Moment traten mir Tränen in die Augen, ich griff nach meinem rasenden Herz und versuchte es zu beruhigen.

„Gott, hättest du nicht Bescheid sagen können?“ Gabriel grinste mich an.
„Nicht Gott, aber Gabe.“ Ich warf ihm einen vernichtenden Blick zu, doch er zuckte nur stumpf mit den Schultern. Am anderen Ende der Rennstrecke waren noch mehr Leute versammelt als am Anfang. Ich hatte hier niemanden erwartet. Alle hatten wohl meinen kleinen Brustauftritt mitbekommen und ich wurde knallrot, selbst im betrunkenen Zustand. Sean und Lou kamen neben uns zum Stehen, als Sean hielt, öffnete Lou die Tür und sprang aus dem Wagen. Sie war stinkwütend.

Ich öffnete ebenfalls die Beifahrertür und torkelte eher als ging aus dem Auto. Ein nettes Ding, fiel mir auf.

Lou kam mit schnellen Schritten auf mich zu, blieb schlitternd vor mir stehen.
„Was zum Teufel ist in nicht gefahren, Luce? Bist du komplett durchgedreht?“
„Anscheinend schon“, meinte ich achselzuckend. Sie holte ihre Hand aus und scheuerte mir eine.

Ich hielt mir die brennende Wange und blickte sie höhnisch an.
„Soweit kommt es noch, Louise Tegan schlägt mich! Mein Gott bist du stark“, höhnte ich, „wie gut du doch bist! Verpiss dich aus meinen Leben, hast du verstanden? Das kannst du doch am besten, hast du vor zehn Jahren bewiesen.“

Lou sah aus, als hätte ich sie geschlagen. Und tat sie etwas, was ich nicht erwartet hätte. Sie griff nach meinem Kinn und zog mich gewaltsam an sich heran, küsste mich intensiv. Ihre Zunge strich über meine Unterlippe, ich öffnete dem Mund, um sie von mir zu weisen, doch sie nutzte die Gelegenheit und schob ihre Zunge um mich.

Was tat sie nur mit mir? Ich schloss die Augen, griff in ihre Haare und presste ihren Körper an mich. Ich spürte ihren Herzschlag an meiner Brust. Gott, sie roch so gut. So gut…

Lou schlug die Tür hinter sich ins Schloss und drang mich in das Innere meines Zimmers. Für einen Moment ließ sie meine Lippen los, schloss meine Türe ab und drückte ihre Lippen dann wieder auf meine.
Ich stöhnte in ihren Mund, als sie nach dem Saum meines Pullovers griff und ihn mir versuchte, über den Kopf zu ziehen. Wir lösten uns für einen Augenblick wieder, ich streckte meine Arme in die Luft, um ihr beim Ausziehen behilflich zu sein. Meinem Pulli folgte schnell das Top, dass ich darunter trug. Sie griff nach dem Verschluss meines BHs und öffnete diesen gekonnt. Sie musste mein Erstaunen gespürt haben, denn ihre Lippen verzogen sich auf meinem zu einem Lächeln.

Ich brauchte keine Antwort auf meine Frage, solange ich mit ihr zusammen war, war alles gut. Gott, wie sehr ich dieses Mädchen liebte.
Sie tastete nach meinen Brüsten, knetete sie sanft und zwirbelte meine Brustwarzen zwischen ihrem Daumen und ihrem Zeigefinger. Ich stöhnte erregt, presste mich ihren Händen entgegen.

„Das gefällt dir, nicht wahr, Kleine Lucy?“ Ich nickte wild, jegliches Schamgefühl fiel von mir ab.
Ich nestelte an ihrem Gürtel, versuchte ihn in meiner Eile zu öffnen, doch es gelang mir nicht. Lou ließ von mir ab, öffnete ihn selbst und strampelte ihre Jeans von den langen Beinen. Danach entledigte sie sich auch gleich ihres Shirts. Eins hatte ich gelernt. Lou Tegan trug nie, niemals einen BH, was die Jungs in unserem County regelmäßig in den Wahnsinn trieb.

Unsere Körper pressten sich aneinander. Ich stieß Lou auf mein Bett, sie fiel mit einem überraschten Jauchzen darauf und starrte mich perplex an. Ein teuflisches Grinsen trat in mein Gesicht und ich kraulte ihr hinterher, krabbelte über das Bett auf sie zu. Ihre Augen wurden ganz groß, als sie meine veränderte Stimmung bemerkte.

„Du sagst nicht umsonst ‚Kätzchen hat Krallen!“, erklärte ich ihr. Im nächsten Moment presste ich meine Lippen wieder auf ihre. Wir waren noch nie so weit gegangen und ich wusste nicht, was ich genau machen sollte. Lou war die erste Person überhaupt, mit der ich sexuellen Kontakt hatte und das Wissen, dass wir gleich miteinander schlafen würden, machte mich ein wenig nervös.

„Gott, Lou, ich liebe dich.“ Sie lachte leicht, griff nach meinen Schultern und presste mich in einer Umarmung an sich.
„Ich liebe dich auch, Luce, so sehr.“
„Spürst du das?“
„Was?“
„Mein Herz“, meinte ich, „es schlägt nur für dich.“ Lou schluchzte und ich wusste nicht, was ich falsch gemacht hatte, dass sie weinte. Es dauerte einen Moment, bis ich damals realisierte, dass sie vor Freude weinte.
„Ohne dich werde ich sterben, Luce. Komm her, lass mich dich verwöhnen.“ Sie drückte mich in mein Kissen, krabbelte über mich hinweg, sodass sie wieder vor mir war. Ihre Lippen umschlossen meine rechte Brustwarze, zwirbelten diese in ihrem Mund. Mein Rücken beugte sich ihrem Mund entgegen.

„LucyAnn, mach die verdammte Tür auf oder ich schwöre dir, ich trete sie auf!“, brüllte meine Mutter von der anderen Seite. Ich erstarrte.


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Viel zu schnell war der Kuss wieder vorbei, nur wiederwillig löste ich mich von ihr, aber ich musste wirklich dringend atmen. Lou nahm alles von mir:  Mein Herz, meinen Verstand und nun auch die Luft. Sie war wie ein Hurrikan, erschien, wirbelte auf und hinterließ die Menschen im kompletten Chaos zurück. Ich blinzelte, zog mich zurück und sah sie durchdringend an. Mein innerstes war eine komplette Verwirrung, ein Durcheinander und am liebsten würde ich davonrennen, mich ordnen. Scham brannte in meinen Wangen, hatte ich mir doch versprochen, nie wieder so gehen zu lassen.

Lou hatte wie immer die Kontrolle über mich, ließ mich wie eine komplette Idiotin dastehen, da ich schon wieder dem Ausflippen nahe war. Verlegen wischte ich mir über die Lippen, wollte alles, was von ihr an mir war, loswerden. Als ich Lous Blick auf mir spürte, errötete ich, wusste nicht, was ich sagen sollte.
„Wir sollten reden“, meinte sie schließlich.

Ich nickte zustimmend und sah mich um, hoffte, dass nicht allzu viele Leute diesen Kuss mitbekommen haben. Leider wurde meine stumme Bitte nicht erhört, denn verwirrte, erregte und belustige Gesichter starrten zu uns herüber. Aus ihnen stach ein verletztes hervor, ich fragte mich, warum diese Person verletzt war von unserem Kuss. Es dauerte einen Moment, bis ich diese blauen Augen zu mir durchdrangen und ich erkannte, wer da eigentlich in der Menge stand. Patrick.

„Oh scheiße!“, fluchte ich, setzte mich in Bewegung, flog beinahe auf ihn zu. Er drehte sich um, lief von mir davon. Er hatte alles recht zu, nachdem ich ihn so hintergegangen hatte.
„Patrick!“, rief ich nach ihm. Er fuhr zu mir herum, der Schmerz in seinen Zügen war verflogen. Wut. Wut starrte mich an.
„Patrick, es tut mir Leid.“ Ich griff nach seinem Arm, wollte ihn daran hindern zu gehen. Aber das brauchte ich auch gar nicht, denn er stampfte auf einmal auf mich zu.
„Ist hier ein Problem?“, hörte ich Lous Stimme hinter mir.
„Geh weg“, schnappte ich, Tränen traten in meine Augen. „Du machst alles kaputt.“

„Ich? Übernimm doch Verantwortung für dein…“, ich unterbrach sie.
„Nicht jetzt, Louise. Lass mich in Ruhe. Geh einfach. Geh weg.“
Patrick kam vor mir zum Stehen, Lou sprach derweilen noch immer und ich brüllte laut:
„Verpiss dich.“

Patrick sah mich überrascht an, seine Wut wurde noch ein wenig stärker.
„Ich soll gehen? Sag mal, was bildest du dir eigentlich ein, LucyAnn?“
„Nicht du!“, entgegnete ich verzweifelt und fuhr zu Lou herum.
„Du. Lou, ich will dich nicht. Schon lange nicht mehr. Verschwinde aus meinem Leben, ich verachte dich für das, was du mir angetan hast. Ich will dich nie wieder sehen. Nie wieder. Hast du verstanden?“

„Weißt du was, Luce? Ist schon okay, ich lass euch Turteltäubchen einfach im Ruhe.“
„Patrick! Ich habe nicht mit ihr geschlafen.“
„Doch, hat sie“, mischte sich Lou ein.
„Vor zehn Jahren, Louise! Patrick, hör nicht auf sie. Zwischen uns ist nichts mehr, schon lange, lange nicht mehr.“
„Ich glaube dir nicht, Luce.“
„Patrick, bitte.“

„Ja genau, Patrick, bitte.“ Ich fuhr herum, holte aus und schlug sie ins Gesicht. Meine Wut kochte über.
„Sag mal, geht’s dir noch ganz gut?“, fuhr sie mich an, hielt ihre brennende Wange.
„Danke, besser“, entgegnete ich trocken. Patrick starrte mich voller Abscheu an.
„Du bist nicht die Lucy, in die ich mich verliebt habe.“
„Hallo? Ich bin betrunken!“, rief ich ihm nach, als er davon stiefelte. Was fiel ihm ein, mich einfach so stehen zu lassen? Ich rannte ihm nach, torkelte eigentlich mehr und griff nach seinem Ärmel, riss ihn zu mir herum.
„Wenn du mich liebst, dann lässt du mich hier nicht stehen. Warum schnüffelst du mir überhaupt nach?“
„Schieb nicht die Schuld auf mich, LucyAnn, du bist hier die Böse.“

Frustriert hob ich meine Arme, wedelte provokant vor seinem Gesicht damit herum. Lou war derweilen einige Schritte zurückgetorkelt, Unglauben spiegelte sich in ihren Zügen. Warum beachtete ich sie überhaupt noch?
„Sie lügt“, meinte ich, auf Lou deutend.

Ich strich hastig meine Haare und meine Kleidung nach, deutete Lou, sich ebenfalls zu ordnen. Hastig öffnete ich meine Zimmertür, denn ich zweifelte nicht an der Drohung meiner Mutter. Wenn es nötig war, dann würde sie die Tür auftreten, ganz ohne Zweifel.
Meine Mom kam ins Zimmer, an mir vorbei, gestürmt und riss Lou vom Bett.
„Ich schwöre bei Gott, wenn du meiner Tochter noch einmal zu nahe kommst, dann lege ich Hand an dich!“ Lou streckte trotzig das Kinn hervor. Sie mimte die Kühne, doch ich konnte die Furcht in ihrem Gesicht lesen.

„Mom!“, rief ich erschrocken. „Was zum Teufel tust du da?“ Sie fuhr zu mir herum, unter ihren Augen lagen tiefe Schatten, Wahnsinn war in ihnen zu lesen.
„Nutze niemals den Namen des Teufels, LucyAnn. Er hört dich und je mehr du es sagst, desto mehr nimmt er Besitz von dir.“
„Was redest du da?“, fragte ich panisch. Das war nicht meine Mom.
Sie stach Lou in die Brust, sah sie durchdringend an.
„Teufel, lass die Finger von meiner Tochter.“
„Mom!“

Sie riss die Hände hoch und stieß mich gegen die Wand.
„Bleib da, wo du bist, Lucy. Du bist zu schwach, kommst nicht gegen sie an.“
„Was redest du da?“, wiederholte ich. „Das ist nicht wahr. Kein Teufel treibt mich- oder sie- an. Ich liebe Lou, hast du mich verstanden? Geh weg von ihr.“ Ich stieß meine Mom beiseite und stürmte zu einer völlig verängstigten Lou, doch Mom bekam mich an meinem Top zu fassen und riss mich zurück.
„Geh von ihr weg! Sie wird dich verführen.“

Selbst wenn Lou Angst hatte, dann mimte sie noch die Tapfere. Aber ich kannte Lou, wusste, wenn sie etwas beschäftigte. Wenn sie etwas ängstigte…
Ich rannte an meiner Mutter vorbei und stellte mich vor Lou. Sie versteckte sich hinter mir, lugte an mir vorbei zu meiner wahnsinnigen Mutter.

„Mom! Hör verdammt noch mal auf. Reiß dich zusammen. Ich bin mit Lou zusammen, weil ich es will. Okay? Nicht weil der Teufel in ihr ist, ich liebe sie!“
„Mein armes Baby“, wimmerte meine Mom und streckte die Arme nach mir aus. Es erschien mir so, als würde sie jeden Moment anfangen zu weinen.

„Hör auf!“, brüllte ich. Mein Gott, was war nur mit meiner Mutter los? Warum verhielt sie sich so wie eine Furie? Als hätte sie noch nie etwas von einer lesbischen Beziehung gehört. Heutzutage war das kein Tabu mehr. Frauen durften Frauen heiraten, deswegen verstand ich ihren Wirbel nicht. Wenn mein Vater diesen Trubel machen würde, dann hätte ich wenigstens eine Ahnung… warum.

Warum? Klar. Mein Vater.
„Mom“, ich packte sie an den Schultern, „was hat Dad gesagt?“ Sie zitterte am ganzen Körper.
„Das Böse ist hier, Lucy. Es kommt uns holen.“
„Mom!“ Sie sah Lou direkt ins Gesicht, der Wahnsinn war verschwunden. In ihren Augen las ich nichts als tiefste Verachtung.
„Geh, Louise. Ich wünsche nicht, dich je noch einmal hier zu sehen. Nie wieder. Halte dich von Lucy fern, oder ich vergesse mich.“ Ihre Stimme war kristallklar, schneidend, und Lou sprang auf, sah mich kurz an und murmelte etwas von kranken Leuten.

„Lou!“ Ich wollte ihr nachstürmen, doch meine Mom hielt mich fest, umklammerte mich, als hinge ihr Leben davon ab. Immer wieder sagte sie:
„Es ist besser so. Es hält euch beide am Leben.“

Es war das letzte Mal, dass ich Louise Tegan sah. In zehn Jahren.



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Noch immer hielt sie ihre brennende Wange, dann seufzte sie resigniert.
„Fein, du hast gewonnen. Ich gebe auf.“ Verblüfft sah ich sie an.
„Was, Lou Tegan kapituliert?“ Sie sah mich vernichtend an. Das einzige was ich jetzt tun konnte war lachen.
„Du hast die Scheiße verbockt, Lou, also hab den Anstand zu bleiben, kapiert?“ Sie streckte trotzig ihr Kinn hervor und in diesem Moment erkannte ich, dass sie noch immer dieselbe, alte, verspielte Lou war. Die Lou, die ich einst liebte.

„Weißt du, wir können es versuchen!“
„Was versuchen?“, fragte sie mich. Idiotin. Dass sie auch nie merkte, wovon man eigentlich sprach.
„Wir beide. Beziehung?“ Nun war sie an der Reihe, bescheuert aus der Wäsche zu gucken.
„Ernsthaft? Woher kommt der Sinneswandel?“ Ich zuckte mit den Schultern. Ich konnte es nicht verleugnen, ich spürte Patricks Blicke auf mir, aber das zählte nicht mehr. Das Gefühl von damals, als sie sich nicht mehr meldete, das wollte ich nie mehr spüren.
„Erinnerst du dich an damals? Meine Mom?“ Sie nickte zustimmend.

„Danach bin ich auf ein Internat gegangen. Ich war nicht weit weg. Nur vierzig Meilen?“
Sie war so nah und doch so fern. Wie hätte ich sie erreichen können, wenn ich nicht wusste, wo sie war? Die Antwort auf meine Frage, warum Lou sich nie gemeldet hatte war ganz einfach. Sie hatte Angst.

„Du musst eins wissen, Lou.“
„Und das wäre?“
„Ich bin immer oben.“ Lächelnd beugte ich mich zu ihr herüber und drückte ihr einen Kuss auf die Wange, auf die ich sie vorher geschlagen hatte. Dann küsste ich sie richtig. So wie ich es tun hätte sollen. Nicht aus Leidenschaft. Nein, aus Liebe.

Mit diesem Kuss fängt unsere Geschichte an. Denn dieser Kuss bringt Konsequenzen mit sich. Leute beobachten. Unter ihnen ist ein Mensch, den ich liebe. Mein Dad. Was er dazu sagt? Nichts. Er hat seitdem nicht mehr mit mir gesprochen. Aber ich bin zuversichtlich. Er liebt mich zu sehr, um mich immer gehen zu lassen. Eines Tages wird er Lou genauso lieben wie ich. Nur auf eine andere Weise. Als Tochter.

Lou und ich leben zusammen. Ich studiere, sie arbeitet nebenbei und macht einen Fernkurs. Ihr Studium hat sie schon abgeschlossen. Zufrieden ist sie damit nicht, aber sie wird ihren Weg- ihren beruflichen Weg- finden.

Wir haben unseren Weg gefunden, auch wenn er anstrengend ist. Lou generell ist anstrengend. Mit ihr zusammen zu leben ist reinste Chaos. Aber das ist eine andere Geschichte.

Freitag, 3. Februar 2012


Kapitel 4 Sich gemeinsam finden
Kapitel 5 Der Spiegel 
Kapitel 6 Unsicherheiten
Kapitel 7 Gefangen im eigenen Leben
Kapitel 8 Neue Perspektiven
Kapitel 9 Männergespräche 

Schweissgebadet wachte er auf. Sein Mädchen in seinen Armen und dennoch unglücklich. So wie jedes mal wenn er aufwachte. Es war nicht mehr sein Leben. Nichts war ihm geblieben. Er hatte keine Kontrolle mehr. Weder über sich, noch das was er mit dem Menschen tun durfte den er so sehr liebte. Es war schlimmer wie ein kleines Kind zu sein. Denn nicht mal der Tod war ihm geblieben. Vorsichtig setzte er sich auf und schaute auf die grüne Haut seiner Lady. Er liebte sie immer noch. Aber er konnte nicht zulassen, daß er sie noch einmal so leiden liess. Sicher, Konsequenz war das was sie beide in ihrem Leben wollten. Sie hatten sich beide dafür entschieden, aber damals sollte es nicht von aussen bestimmt werden. Es sollte ihrer beider Leben sein. Aber wie sollte er es anstellen? Wie sollte er wieder Kontrolle über sein Leben bekommen? Vielleicht wenn er…?Nein die Idee war einfach absurd. Er stand auf zog sich eine Jeans und einen schwarzen Sweater an. Setzte seinen Hut auf und ging nach draussen. Er ging ein paar Meter von den Badlands weg. Damit Stampede nicht merkte wo er hinwollte musste er zu Fuss gehen und das tat er auch.

Willkommen in Starr Peak

Ich war sehr erstaunt als ich seine Stimme hörte.
„Schaman komm raus, ich muss mit Dir reden.“
„Was willst Du Tex?“
„Reden, einfach nur reden.“
„Reicht es nicht wenn Du meinen Ziehsohn zum reden hast?“
„Nein, das was ich besprechen möchte, würde ich gerne mit Dir besprechen. Ausserdem schuldest Du es mir. Alleine wegen Weihnachten!“
Ich seufzte auf, er hatte Recht. Ohne mein Zutun hätte er am Heiligen Abend Fort Kerium überfallen.
„Komm rein, der Bannkreis ist unterbrochen.“
Und so redeten wir die ganze Nacht, er erzählte mir von seinen Sorgen, seinen Ängsten und vor allem von seinem Plan. (...mehr)

Donnerstag, 2. Februar 2012

Lange nicht mehr hier gewesen.

Hallo meine lieben Blogleser,

leider muss ich mich bei Euch entschuldigen, und auch bedanken. Bedanken für Eure Geduld, entschuldigen für meine Abwesenheit. Aber ich war zum Glück beruflich sehr eingespannt. So daß, ich nicht wirklich dazu kam privat viel zu schreiben. Aber ich werde mich bessern. Die nächsten Tage erscheint ein neues Kapitel von Bravestarr und auch ein oder 2 andere Gedanken spuken mir durch den Kopf.

Liebe Grüsse

daira{M}