Donnerstag, 25. April 2013

Gaby wartet im Park - Kapitel 2

Gaby saß am Schreibtisch ihres Büros Sie starrte auf das Angebot und die Policen von BVG. Kassandra hatte ihr alles mitgegeben. Sie staunte nicht schlecht, das Angebot des Mutterkonzerns der BVG war genau 30% günstiger als das, welches sie hätte machen können. Da hatte doch jemand Sonderrabatte eingeräumt. Aber wie zum Teufel war er an die Daten gekommen. Kassandra hatte die Anfrage hier direkt im Büro gestellt. Gaby  drückte den Knopf auf der Gegensprechanlage.
„Frau Brandt, bitte kommen Sie doch mal her.“
„Jawohl Frau Moser.“
Valerie Brandt trat ein. Wie immer war die zierliche, junge Frau in einem fast schon zu sexy Outfit im Büro unterwegs. Gaby fand ihren schwarzen, knielangen Rock und ihre dazugehörigen roten Bluse mit ziemlich weitem Ausschnitt schon beinahe etwas zu provokant. Erst recht, weil Valerie Brandt wieder einmal ihre langen, gelockten, braunen Haare hochgesteckt hatte und damit den Blick auf ihren Hals freigab. Welcher Mann konnte dieser Anfang  zwanzigjährigen mit ihren rehbraunen Augen dann noch widerstehen. Nein, das war eindeutig zu viel Sex Appeal in diesem Büro. Gaby räusperte sich.
„Frau Brandt, können sie sich erinnern wann diese Anfrage bei uns reinkam?“
Gaby zeigte ihr eine Kopie der Anfrage von Kassandra. Kassandra hatte ihr alles mitgegeben inklusive der ausgefüllten Antragsformulare.
„Nein Frau Moser, ich habe diese Unterlagen noch nie gesehen.“
Valerie Brandt musste schlucken, ihr wurde auf einmal warm. Wie zum Teufel kam sie nur an diese Unterlagen. Sie hatte sie doch direkt weitergeleitet. Genau laut Anweisung gehandelt. Wieso passierte denn das gerade? Hatte er ihr nicht versprochen für alles weitere zu sorgen.
„Ich weiß nicht, ich kann mich nicht erinnern, Frau Moser.“
Unsicherheit schwang in ihrer Stimme mit. Sehr große Unsicherheit, Gaby musterte Frau Brandt von der Seite. War da ein leichtes Zittern zu bemerken? Wovor hatte Frau Brandt Angst.
„Danke Frau Brandt, das wäre dann alles.“
„Frau Moser denken Sie bitte daran, in einer Stunde ist der Besprechungstermin mit ihren Agenturleitern.“
„Ja, danke. Sind denn alle da?“
„Nein, nur Herr Fallner und Herr Bierkner. Die anderen sind zur Zeit auf einer Schulung in Bremen und die hat, laut Dienstanweisung 18 b., Vorrang.“
„Ja, ich weiß, danke das Sie mich daran erinnern.“

Verdammt, diese Schulung über die neuen Berufsgruppen bei der Berufsunfähigkeitsversicherung und die der neue SBU-Tarif, die hatte sie ja vollkommen vergessen.

„Bringen Sie die beiden bitte ins Konferenzzimmer ich bin in 20 Minuten da.“

Gaby Moser raffte sich auf. Ihr war bewusst, dass irgendwer in ihrer Direktion ein falsches Spiel trieb. Kassandra hätte sie nie angelogen, nicht nach gestern. Kassandra hatte versucht wieder Kontakt auf zu bauen. Daher das Gespräch in der Bar. Wahrscheinlich dachte sie wirklich, dass Gaby nichts mehr mit ihr zu tun haben wollte und deswegen hat sie das Angebot nicht bearbeitet. Gaby musste rausfinden wer hier so ein falsches Spiel treibt. Nun da die Hälfte der freien Mitarbeiter auf einer Schulung waren bleiben ihr nur ihr Stellvertreter, Hauptagenturleiter Peter Fallner. Der Mann, welcher auf Grund von schlechten Umsatzzahlen in den letzten 3 Jahren den Posten des Organisationsleiters abgeben musste. Immerhin 10.000,- € weniger Verdienst, durch niedrigere Courtagehöhen und Verlust von Sonderzahlungen und seine rechte Hand Markus Bierkner.
„Na gut, dann werde ich mir die beiden mal vornehmen!“, dachte sie sich und ging rüber ins Konferenzzimmer.
Am Tisch saßen Peter Fallner, ein Mann um die 40 Jahre, mit blauen Augen und hellbraunen Haaren. Die  Haare waren in einem altmodischen Kurzhaarschnitt gezwängt. Auf seinem Gesicht ließen sich die Jahre an Hand einiger Sorgenfalten im Stirnbereich sehr deutlich ablesen. Dieser Mann hat schon einiges erlebt. Dinge, die er vielleicht gerne vergessen würde. Aber er lebte weiter und er lebte mit diesen Dingen.
Neben ihm saß seine linke Hand. Markus Bierkner, seines Zeichens Agenturleiter und der Mann, der in den letzten 5 Jahren die besten Verkaufszahlen lieferte, welche Gaby seit ihrer Ausbildung gesehen hatte. Als Gaby das Konferenzzimmer betrat ging seine linke Hand gerade durch seine etwas längeren dunkelbraunen Haare. Dabei musterten seine grünblauen Augen sie auffällig. Gaby fühlte sich in seiner Nähe nicht wohl. Sie wusste nicht warum. Aber irgendwas hatte noch nie an diesem Mann gestimmt.

Gaby setzte sich an ihren Platz und schaute die beiden Männer an.
„Hallo Herr Fallner, hallo Herr Bierkner? Schön dass sie kommen konnten.“
„Hallo Frau Moser, nun ja, Frau Brandt ließ eigentlich keine Wahl.“ Dabei zwinkerte er ihr zu.
„Ja, Herr Fallner, wäre die Schulung nicht, dann würden nun alle Bezirksdirektionsangehörigen hier sitzen.“
Ihr Ton klang gerade eiskalt. Sie war auf der Geschäftsebene angekommen und auf dieser Ebene duldete sie keinen Menschen neben sich. Da hatte sie die absolute Kontrolle.

„Herr Fallner, Herr Bierkner. Ich hab sie hergerufen, weil wir die neusten Stornozahlen vorliegen haben. Irgendwer bricht in unser Revier ein. Wir haben Stornozahlen die liegen bei 25 %!“

Bierkner pfiff durch die Zähne.

„Autsch, da läuft was gewaltig aus dem Ruder, Frau Moser.“, zu mehr ließ sich die linke Hand von Peter Fallner nicht aus.
„Ja, Herr Bierkner, da läuft was gewaltig aus dem Ruder. Und ich möchte mit ihrer Hilfe ein paar Antworten finden. Vielleicht doch ganz gut dass der Rest der Mannschaft auf Schulung ist.“
„Und welche Fragen haben Sie, Frau Moser?“, Peter Fallner versuchte sich wieder in das Gespräch einzubinden, bevor seine linke Hand zu viel verbocken konnte. Denn er wusste, dass er sich mit Frau Moser nicht wirklich grün war.
„Zum Beispiel interessiert mich die Frage, wie jemand an unsere Bestandskundenaddressen kommt. Abgesehen davon, dass hier ein schwerwiegender Fall von Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz vorliegt. Sind ein Großteil unserer Stornos darauf zurückzuführen, dass Kündigungshilfen aus der Konkurrenz vorlagen.“
„Hm, und wie sollen wir das anstellen?“, Markus Bierkner warf diese für ihn berechtigte Frage ein.
„Ganz einfach, ich möchte von Ihnen wissen, wenn sie mitbekommen, dass jemand in ihren Beständen wildert. Ich möchte wissen, wenn einer ihrer Kollegen auf einmal bei IHREM Kunden saß. Ich möchte wissen wenn Ihnen etwas Ungewöhnliches auffällt. Kurz ich möchte, dass sie die Augen aufhalten.“
„Machen wir Frau Moser, sie können auf uns zählen.“, wieder versuchte Peter Fallner seine linke Hand aus der Gesprächslinie mit Gaby zu ziehen.
„Ich danke Ihnen.“
Die drei führten das Gespräch mit Smalltalk weiter, als Frau Brandt reinkam. Sofort musterte Markus Bierkner die junge Frau. Aber sein Blick wandte sich schnell wieder ab. Er schien kein Interesse an ihr zu haben.
„Frau Moser, sie haben Besuch.“, Valerie Brand, schaute fragend zu Gaby rüber.
„Frau Brandt, ich hatte doch gebeten, dass heute Morgen KEINE Termine gegeben werden!“
„Ich weiß, allerdings ließ sich Herr Dr. Farmsen nicht abweisen. Er meinte, so Zitat:“Wenn meine Ex schon für mich als Privatmensch keine Zeit hat, dann soll sie sich jetzt wenigstens die Zeit für mich als ihren Kunden nehmen.“
„Waren das seine Originalworte?“
„Ja Frau Brandt!“
„Ok, ich bin sofort da.“
In Gabys Worten schwang eine gehörige Portion Groll mit. Ja es stimmte, sie hatte den blonden Dr. Stephan Farmsen, seines Zeichens Dozent für Physik an der Universität, als Kundenkontakt kennen gelernt. Und ja es stimmte, die beiden waren einmal ein Paar gewesen. Aber deswegen hatte er nicht das Recht, so mit ihr zu reden. Sie war sauer. In ihr kochte es gerade.

„Soll ich Ihnen den Kunden abnehmen, Frau Moser?“, Peter Fallner war sofort aufgefallen, dass seine Chefin gerade eine Laune hatte, welche mindestens einer Eiszeit glich. Ich meine, wenn zwischen Ihnen beiden mal mehr war, dann kann es jetzt zu Komplikationen kommen. Immerhin scheint Dr. Farmsen gerade sehr….“
„Angepisst zu sein!“, vollendete Markus Bierkner den Satz seines Vorredners.
„Nein, nicht nötig, ich kläre das schon selber mit ihm.“


Abends gegen 22:00 Uhr, Gaby parkte ihren Firmenwagen, den schwarzen Mercedes A-Klasse mit der Aufschrift „Zenturion - Bei uns sind sie gut versichert!“, auf dem Parkplatz ihrer Lieblingsbar. Ein wenig abschalten würde ihr ganz gut tun. Das Gespräch mit Stephan war alles andere als berauschend gewesen. Er hatte ihr vorgeworfen, sie abschieben zu wollen. Die Freundschaft beenden zu wollen. Es dauerte bis sie rausfand, was er überhaupt meinte. Genau wie Kassandra hatte er ein Angebot von der BVG bekommen. Eines das genau seinem bisherigen Versicherungsschutz entsprach. Gaby war deprimiert. Irgendwer wollte ihr doch tatsächlich ihre Direktion kaputt machen. Ihre Existenz vernichten?
„Martin, gib mir bitte ein Bier.“
Der Barkeeper brachte schnell gewünschte ein Bier der Marke Jever. Schnell nahm Gaby einen großen Zug und setzte es dann auf dem Tresen ab. Sie mochte den Laden. Das „Edinburgh“ war eigentlich eine kleine Bar mit diversen ausgesuchten Whiskey-Sorten und ein paar wenigen Biersorten. Unter anderem das Jever, welches sie nach einem harten Arbeitstag so liebte.
Zwei Züge weiter und das Bier war leer.
„Hey Martin, noch mal dasselbe, s´il vous plait!“
Kurze Zeit später brachte der Barkeeper das Gewünschte. Wieder setzte sie an und trank einen großen Schluck.
„Na, na, na junge Dame. In dem Tempo sind sie aber schnell betrunken und auf alle Fälle nicht mehr fahrtauglich.“
Neben sie setzte sich ein etwa 40jähriger Mann, mit halblangen hellbraunen Haaren und sonnengebräunter Haut. Seine Stimme hatte eindeutig einen Akzent, entweder war er Engländer oder Amerikaner.
„Hören Sie, ich hab keinen Bock darauf, von Ihnen kontrolliert zu werden, Mister.“
„Und dennoch sage ich als Arzt, dass sie nicht mehr fahrtauglich sind und besser ihre Schlüssel beim Barkeeper abgeben. Oder wenn es Ihnen lieber ist, bei mir!“
In diesem Moment bekam seine Stimme einen bedrohlichen Unterton, er wollte in diesem Moment keinen Widerspruch zulassen.
„Hören Sie mal genau zu!“
Gaby tippte mit ihrem Zeigefinger auf den Stoff seiner hellblauen Jeansjacke. Sie war mittlerweile wirklich sauer. Was mischte sich dieser Idiot in ihr Leben ein? Ungefragt und ohne, dass sie ihn kannte. Das war IHR Leben und so verkorkst wie es auch im Moment war, er hatte KEIN Recht sich da ein zu mischen.

Ihr Gegenüber, Dr. Angus McAllister, begann sich mittlerweile auch auf zu regen. Was bildete sich diese zugegebenermaßen hübsche, blonde Frau mit ihren smaragdgrünen Augen eigentlich ein? Er war doch nur um ihre Sicherheit besorgt. Und sie führte sich auf wie eine Furie.
„Hören Sie, Lady, ich wollte nur nicht, dass Sie in Probleme mit den Behörden kommen, denn wie es aussieht brauchen Sie ihren Führerschein noch eine Weile.“
Bei dieser Aussage deutete er auf ihren Firmenwagen.
„Ah, wusste gar nicht, dass ich neuerdings von Amerikanern gestalkt werde. Noch dazu von so einer Nervensäge.“
„Hören Sie, Lady, Sie sind gerade mehr als nur unhöflich.“
„Nein, Sie sind unhöflich, Sie dringen gerade ungefragt in mein Leben ein.“
„Ok, dann werde ich jetzt gehen. Aber bei unserem nächsten Treffen wird Ihr Verhalten Konsequenzen haben, LADY!“
Angus McAllister betonte die Lady auf eine Art, welche Gaby einen Schauer über den Rücken fahren ließ. Woher kam dieser Mann, wieso nahm er sich so etwas heraus? Was bildete er sich überhaupt ein?

Mittwoch, 3. April 2013

Gaby wartet im Park - Kapitel 1

Eigentlich ist dieses eine Geschichte, welche ich mir vorgenommen hatte über einen Verlag zu veröffentlichen. Aber die Verlage wollen diese Geschichte nicht. Da ich sie Euch aber nicht vorenthalten will, wünsche ich Euch viel Spass mit Gaby, Kassandra, Valerie und Angus. Achtung diese Geschichte enthält Coporal Punishment und Polyamorie!!!!! Don´t like, don´t read it.
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Laute Musik dröhnte aus den Boxen. Gaby Moser interessierte das nicht. Heute Abend wollte sie nur abschalten. Sie wollte tanzen, trinken und wer weiß vielleicht fand sich auch etwas Nettes für die Nacht. Immerhin war sie seit vier Monaten Single und hätte schon mal wieder gerne Sex mit einem anderen, menschlichen Wesen erlebt. Vibratoren waren doch ebenso wie Tofu – doch nur Fleischersatz und Gaby liebte einen saftigen Braten. Die zierliche, blonde Frau saß auf ihrem Barhocker und schaute nachdenklich zum Barkeeper rüber. Ihre grünen Augen wirkten müde. Sie war vom Alltag geschafft und nun war sie hier und wollte Spaß haben. Sie war direkt von der Arbeit hierher gefahren und nun saß sie hier in ihrer grauen Buntfaltenhose und der weißen Bluse, welche sie wie immer in der Hose trug. Als Bezirksdirektorin einer großen deutschen Versicherung musste sie halt einen angemessenen Kleidungsstil beweisen. Zum Glück war das für sie einfach. Denn sie musste sich wegen ihrer Figur nicht verstecken, da war nicht mal ein Bauchansatz bei ihr! Wie auch? Dafür trieb sie viel zu viel Sport. Ihre zierlichen Füße stecken in schwarzen Wildlederpumps und diese fingen gerade an leicht zur Musik zu wippen, als der DJ gerade anfing die Schlagerwelle der 70er rauf und runter zu spielen. Nach dem Arbeitstag im Büro würde sie gerne alleine etwas trinken. Beide Voraussetzungen ließen sich schnell erfüllen. Das Getränk würde sie gleich bestellen und alleine war sie sowieso fast immer, wenn sie nicht arbeitete.


„Einen Caipirinha mit Rum anstatt Cachaca!“

„Trinkst du immer noch dieses komische Zeug?“

„Ich habe nie komisches Zeug getrunken. Du wusstest nur nie was schmeckt!“ Diese Rechtfertigungen für ihr Lieblingsfeiergetränk fand sie wirklich mittlerweile zum Kotzen. Insbesondere, weil sie immer wieder von einer bestimmten Person kamen.

„Kassandra, du weißt das ich Cachaca nicht mag, warum also lästerst du darüber? Gerade du solltest den Grund kennen.“

„Ja, sorry. Ich wollte dich nicht verletzen. Hab das von dir und Stefan gehört und als ich dich von da drüben hier sitzen sah, dachte ich, dass du vielleicht reden magst.“

„Es ist seit vier Monaten vorbei. Was soll ich darüber reden wollen und wieso ausgerechnet mit dir?“

Endlich kam der Caipirinha und beim ersten Schluck spürte Gaby, wie der Alkohol sich durch die Süße des braunen Zuckers in ihrem Blut verteilte. Sie spüre wieder was, endlich!

Und schon waren sie da - die ersten Gedanken an früher, an diese so verhassten Gespräche mit … ja mit IHR.

„Woran denkst du gerade, Gaby?“, ihr Arm lehnte am Tresen und stützte ihren Kopf, sie sah Gaby aus ihren blauen Augen an, klar, deutlich, interessiert, fordernd. Dann stützte sie ihren rechten Arm auf den Tresen und mit ihrer rechten Hand stützte sie ihr Gesicht ab. Kassandra beobachtete Gaby weiter.

„An Nichts was heute noch zählen würde!“

Gaby wollte nicht, dass die Dinge von früher wieder hochkamen und dennoch, ihr erster Gedanke war: „Wieder dieser Club. Wieder diese Bar“. Aber nein, diesmal nicht. Diesmal würde es nicht so enden wie damals. Kassandra´s Stirn runzelte sich leicht. Sie erkannte, dass Gaby ihr etwas verschwieg, sie spürte die Mauer um sich, welche Gaby gezogen hatte.

“Gaby, das war nicht meine Frage.“

„Vielleicht will ich deine Frage nicht beantworten?“

„Wie du meinst, Träumerin.“

Kassandra´s Stimme hatte wieder diesen spöttischen Unterton, welchen Gaby noch nie gemocht hatte. Ja, sie liebte es zu träumen. Damals zumindest, aber die Zeit war vorbei. „Wir sind hier nicht bei wünsch dir was, sondern bei „So ist das Leben!“ Hatte ihr Vater immer gesagt. Ihr Vater, angesehener Rechtsanwalt.

„Seit wann bist du wieder hier, Kassandra?“

„Wer sagt denn dass ich je weg war?“

„Keine Ahnung, immerhin ist es fast 10 Jahre her das wir uns….!“

Gaby verschluckt den Rest des Satzes, und nahm einen kräftigen Zug von ihrem Caipi.

„Trink nicht so schnell, du verträgst doch nicht so viel.“

„Das kann dir doch egal sein.“

„Wenn du meinst, dann kann ich ja auch gehen.“

Mit diesen Worten stand Kassandra auf und ging. Toll, dachte sich Gaby. Nun ist meine Stimmung komplett im Keller. Immer schneller trank sie den Caipi aus. Irgendwann entschied sie sich zwischen zwei Caipirinha, die Musik war gar nicht so schlecht. Dazu könnte man auch tanzen. Und so verbrachte sie den Abend auf der Tanzfläche und an der Bar. Tanzen oder Caipirinha, das war ihr Freitagabend. Als sie dann gegen 04.00 Uhr den Club verließ, waren kaum noch Leute da. Draußen warteten ein paar Männer anscheinend auf ihr Taxi und auch Gaby stellt sich etwas weiter von ihnen entfernt an die Taxibucht.

„Hallo, schöne Frau, sollen wir dich mitnehmen? Dann sparst du dir das Geld fürs Taxi!“

„Nein danke. Ich fahre gern Taxi!“

„Na komm schon, sei keine Spielverderberin.“

Einer dieser schmierigen Typen legte seinen Arm um sie und ehe sie darüber nachdenken konnte, hatte sie ihm schon eine gescheuert.

„Ich sagte Nein!“

Jetzt schlug die Stimmung um, die Männer drängten sie immer mehr in eine dunkle Ecke. Gaby bekam Angst. Erinnerte sich aber daran, was ihr Lehrer für Jiu-Jitsu ihr damals beigebracht hatte - niemals Angst zeigen!

„Hey Leute, der Spaß ist vorbei. Lasst uns aufhören. Ich will wirklich ein Taxi nehmen.“

„Nein, der Spaß fängt gerade erst an, Süße!“

Mit einem dreckigen Grinsen gab er ihr einen Stoß, sodass sie auf der Motorhaube eines Autos landete.

Mit fester Stimme rief sie.

„Hey spinnt Ihr? Was soll das?

„Halt lieber die Klappe, dann ist es auch schnell vorbei.“

Das nächste was sie mitbekam war, wie der Kerl, der sich gerade über sie gebeugt hatte, aufschrie und neben dem Auto zusammen sackt.

„Will noch jemand Rührei?“

Kassandra stand direkt in Gabys Sichtfeld. Und das erste Mal war sie froh, Kassandra heute zu sehen.

„Toll, statt einer gleich zwei Bräute!“, ruft der eine freudig aus.

„Übernimm dich nicht, Schätzchen.“

Mit einem Lächeln ging sie auf den Wortführer zu. Kaum dass dieser die Arme um sie legen wollte, flog er auch schon an die nächste Wand und sackt zusammen.

„Na, hast du auch Bock auf uns beide?“

Mit diesen Worten schaute sie den letzten Strolch mit kalten, eisblauen Augen an.

„Nein, nein, danke, mir ist die Lust gerade vergangen.“

Sprach´s und schon rannte er weg.

Kassandra ging zur Motorhaube, schaut zu Gaby.

„Na war doch ein wenig zu tief ins Glas geschaut, Kleines?“

„Das geht dich gar nichts an!“

„Na wenn du hier so einladend auf einer Motorhaube liegst und nicht mehr weißt wie du fünf Jahre Kampfkunst anwenden sollst um daraus zu kommen, hab ich zwei Möglichkeiten: Erstes, ich nutze es für mich aus. Zweitens, ich bringe dich nach Hause. Was wäre dir lieber?“

Kassandra lächelte Gaby an. In ihrem Gesicht war die Sorge um Gaby mehr als deutlich zu lesen.

„Bring mich bitte nach Hause, Kassandra.“

Gaby schwankte mehr von der Motorhaube, als dass sie mit sicheren Bewegungen von der Motorhaube kam. Sie zitterte am ganzen Leib. Kassandra legt schnell ihren Mantel um Gaby und brachte sie zu ihrem Wagen.

„Du fährst immer noch den Vectra?“, Gaby muss lächeln. Anscheinend gab es doch so einiges konstantes im Leben ihrer Retterin.

„Ja, warum nicht, er sieht gut aus, hat genug PS für kritische Situationen und ist günstig in den Steuern.“

„Wusste gar nicht, dass du so eine treue Seele sein kannst.“, in ihrer Stimme klang Zynismus mit.

„Du weißt so einiges nicht, Kleines.“

Kassandra fuhr Gaby direkt nach Hause. Gaby schlief in dem warmen Auto schnell ein und so merkte sie gar nicht, dass Kassandra sie nach oben trug, ihr die Clubklamotten auszog und sie ins Bett legte und mit einem Kuss auf die Stirn zudeckte.

Am nächsten Morgen wachte Gaby auf. Sofort viel ihr der Abend wieder ein, Kassandra, die Situation auf der Motorhaube. Kassandra saß auf dem alten Ohrensessel im Schlafzimmer und schlief. Gaby musste lächeln, die ersten Erinnerungen kamen hoch.



„Iiiihh seht mal die Bücherratte da. Bist wohl was Besseres.“ Schon flogen Gabys Bücher neben ihr in den Dreck. „Na Vierauge, kannst selbst mit der Brille nicht wirklich gut sehen? Oder bist du einfach nur zu tollpatschig zum gehen?“

Britta Jansen und ihre Clique waren die Königinnen des Schulhofes und leider auch Gabys Klassenkameradinnen.

„Lasst sie endlich in Ruhe!“ Vor der Clique baute sich in engen Jeans und weit ausgeschnittenem T-Shirt die Neue auf. Man munkelte, sie wäre vom alten Gymnasium geflogen, weil sie in einer Rauferei einem Jungen die Nase gebrochen hatte. Aber jeder wusste, so schnell handelt man sich keinen Schulverweis ein und so ließen sich auch Britta und ihre Clique einschüchtern.

„Ja, schon gut, wusste ja nicht, dass sie dein neues Opfer ist.“

„Ja, ist sie und vergesst das nicht.“ Ihre kastanienbraunen Haare wehen im Wind und ihre stahlblauen Augen funkeln, als sie auf die Clique zuging. Sie reicht Gaby die Hand und half ihr beim Bücher einsammeln.



Gaby setzte sich auf das Bett und schaute in Kassandra´s hübsches Gesicht. Damals war es die Schönheit der Jugend, aber das was sie heute sah, was ihr den Atem nahm, war eine Frau, kein Küken. Nein eine gestandene Frau.

„Verdammt, warum musste ich dir nur wieder begegnen.“

„Weil Gaby immer im Park warten wird. Warten auf Mr. Right.“

„Mr. Right oh nein auf den warte ich schon lange nicht mehr.“

„Auf wen wartest du denn?“

„Keine Ahnung, ich geh jetzt duschen.“

Erst jetzt realisiert Gaby, dass sie nicht mehr ihre Clubkleidung trug.

„Hast du etwas?“

Ihr Gesicht lief rot an.

„Ja, ich habe dich ausgezogen und dir deinen Schlafanzug angezogen. Der an dir übrigens echt sexy aussieht.“

Kassandra musterte Gaby von oben bis unten in ihrem weiß blauen Satinschlafanzug .

„Keine Angst, ich habe nichts gesehen, was ich nicht schon mal gesehen hab und nun ab, geh duschen, Kleines!“

Wie immer, Kassandra kontrollierte die Situation, es ist immer das Gleiche zwischen den beiden. Und wie immer fügte sich Gaby, geht ins Bad und duscht erst mal ausgiebig.



„Alles ok bei dir?“

„Ja, danke. Hab mich schon irgendwie daran gewöhnt.“

„Gewöhnt? Woran? Dass andere über dich bestimmen?“

„Nein, dass diese Hühner meinen, sie wären die Königinnen hier am Gymnasium?“

Zufällig berühren sich Hände, zufällig schauen sich zwei in die Augen. Schnell wird der Blick wieder gemieden.

„Wenn die dich nicht in Ruhe lassen, komm einfach zu mir.“

„Hm, klar und was bekommst du dafür von mir?“

„Alles was du willst, Träumerin.“



Danach ging sie mit einem großen Frotteetuch in die Küche, von weitem roch sie schon den Kaffee.

„Warum Kassandra?“

„Warum was, Träumerin?“

„Warum bist du hier?“

„Weil dich gestern eine Clique vergewaltigen wollte und ich mir Sorgen um dich gemacht habe?“

„Nein, das meine ich nicht. Warum hast du mich nach 10 Jahren angesprochen. Warum lässt du mich nicht einfach in Ruhe?“

„Weil ich mit dir reden wollte. Ich wollte wissen wie es dir geht.“

„Danke mir geht gut. Ich bin seit vier Monaten glücklicher Single.“

„Und ertrinkst deinen Kummer immer noch in Caipirinha!“

„Das geht dich gar nichts an. Das Recht meinen Alkoholkonsum zu kritisieren hast du vor Jahren aufgeben. Vor 10 Jahren…“

„Vor 10 Jahren 4 Monaten und 3 Tagen, Träumerin.“

Verdattert schaute Gaby Kassandra an.

„Du weißt es so genau?“

„Ich habe keinen Tag vergessen. Ich habe nichts vergessen. Und es vergeht kein Tag, an dem ich nicht bedaure, was ich dir angetan habe?“

„Späte Reue?“, die Frage war eher rhetorisch als ernst gemeint. Gaby wollte Kassandra gar nicht so nah an sich ranlassen. So nah, dass sie die Antwort wirklich interessierte.

Kassandra schwieg. Sie kniff die Lippen zusammen.



„Träumerin, ich liebe dich“. Kassandra, drehte Gaby einmal durch den Raum, sodass Gaby auf einmal mit dem Rücken an der Wand stand.

„Wenn dein Vater das hört, prügelt er dich windelweich. Vor unser aller Augen!“

„Wenn schon, das wäre es wert, alleine um das Entsetzten in den Augen des ollen Senseij´s zu sehen!“

„Renshi. Denk dran, seit gestern Renshi!“

Gaby kicherte. Sie hatte sich hier mit Kassandra zum TRAINING verabredet. Es tat ihr gut ihren Körper zu spüren. Die Freundschaft zu Kassandra, Tochter eines Kampfschulenbetreibers, tat ihr gut.

„Übrigens, dein oller Zausel von Daddy würde wahrscheinlich auch die Krise bekommen wenn er wüsste, wer hier gleich seine kleine Tochter vernascht.“

„Das machst du nicht. Nein nicht hier. Hey du sollst morgen deine Meisterprüfung ablegen, wir sollten üben und uns nicht über die Tatamis wälzen.“

„WIR wälzen uns auch nicht.“

Kassandra´s Stimme hatte wieder einen Unterton bekommen. Denselben den sie seit einem Jahr bekam wenn sie im Dojo ihres Vaters unterrichtete. Es war deutlich zu spüren, dass diese Stimme keinen Widerspruch zuließ.



„Wieso? Wieso hast du mich nie besucht. Ich habe dir geschrieben, so oft.“

„Ich konnte nicht, Gaby.“

„Du konntest nicht? Seit wann gibt es Dinge, die große Kassandra nicht kann.“

„Seit dem ich mein Wort gegeben habe. Gaby ich hab damals mein Wort gegeben den Kontakt nicht wieder zu dir aufzunehmen.“

„Warum? Und vor allem wem?“

„Du weißt es nicht, oder? Du weißt wirklich nicht warum ich damals nicht zur Prüfung erschienen bin? Warum du ein Trainingsverbot bei meinem Vater hattest?“

„Nein, ich hab dich doch seit unserer TRAININGSEINHEIT nie wieder gesehen. Bis gestern.“

In Gaby stieg die Wut hoch, eine unbändige Wut.

„Weißt du auch nicht, warum du nicht mehr bei uns trainieren durftest?“

„NEIN Kassandra, NEIN! Ich weiß nur, dass du gerade wieder dabei bist mein Leben komplett durcheinander zu bringen.“

Gaby war den Tränen nahe. Kassandra biss sich auf die Lippen schaute rüber zu Gaby. Schaute ihr tief in die grünen Augen.

„Woran erinnerst du dich?“

„Nachdem wir zwei….“

Gaby räuspert sich, „Nun nachdem …“

„Nachdem ich dich gefickt habe, genau. Woran kannst du dich noch erinnern?“

„Mein Vater rief an, ich solle nach Hause kommen.“



„Fräulein, ich melde dich aus der Sportschule von Kassandra´s Vater ab und ich möchte, dass du den Umgang mit ihr einstellst!“

Ralf Moser, ausgezeichneter Anwalt und ein absolutes Alphatier wenn es um seine Familie und den Auftritt vor Gericht ging, schaute über seine dünne Metallbrille seiner Tochter in die Augen.

„Haben wir uns verstanden, junge Dame?“

„Nein, haben wir nicht! Ich lass mir den Umgang mit meiner Freundin nicht verbieten.“

Trotz steigt in Gaby hoch, sie wollte Kassandra nicht verlieren, durch sie hatte sie erst gemerkt wie schön das Leben sein kann.

„Gaby Moser, darf ich dich daran erinnern, dass ich es bin, der deine Rechnungen bezahlt. Dass ich es bin, der dafür sorgt, dass du dir diese Sportschule überhaupt leisten kannst?“

„Mir doch egal!“

Von draußen hört man aus dem Arbeitszimmer nur ein dumpfes Klatschen und das Aufstöhnen einer jungen Frau.



Kassandra ging auf Gaby zu, sie stand so nah vor ihr, dass sie geradezu in das Dekolltee von Gaby schauen konnte. Aber diesmal nicht, keine Anzüglichkeiten, kein Lächeln auf ihrem Gesicht.

„Gaby, ich war dabei, ich habe alles mitbekommen.“

„Wie du warst dabei?“

„Die Unterredung mit deinem Vater, ich bin dir gefolgt. Denn ich kannte den Grund des Anrufes. Mein Vater hatte deinen Vater angerufen.“

„Ich verdanke deinem Vater die ….“

Fassungslos starrt Gaby Kassandra an.

„Ich verdanke deinem Vater, dass ich eine Woche auf dem Bauch geschlafen habe?“

„Warum bist du danach nicht dagewesen für mich?“

In Gabys Augen sammeln sich die Tränen.

„Warum? Ich hab dich gebraucht, verdammt noch mal!“

In diesem Moment holt Gaby aus und all die Wut, Enttäuschung, Traurigkeit und all der Schmerz entluden sich in einer schallenden Ohrfeige auf Kassandra´s Wange.

Diese bleibt wie in Stein gemeißelt stehen.

„Weißt du es wirklich nicht?“

„Nein, verdammt noch mal!“

„Gut, dann kann ich ja gehen.“

„Ich weiß, im Gehen hast du Übung.“

Voller Zynismus schleudert Gaby ihrer Ex die Worte entgegen.

„So wie du noch immer im Park wartest!“

„Nein, nicht mehr Kassandra, deine kleine Träumerin wartet nicht mehr im Park auf Mr. Right!“

„Nein?“

„Nein, deine kleine Träumerin hat auf dich gewartet, Mrs. Right!“

Tränen schossen Gaby in die Augen, all ihr Widerstand zerbrach. Diese Frau, welche ihr Leben damals so stark verändert hat.



Das ist sie also - meine erste, eigene Bude. Gaby Moser schaute sich etwas skeptisch in ihrem 1,5 - Zimmerappartement um. Aber was sollte sie auch anderes erwarten. Sie hatte gerade ihre Lehre begonne und als Vertriebsassistentin bei einer Versicherung verdiente man immerhin genug, um sich eine eigene Wohnung leisten zu können. Das war überhaupt der Grund gewesen, warum sie diesen Job angenommen hatte. Das und die Aussicht in ein paar Jahren Bezirksdirektorin zu werden. Gut, sie wäre die erste Frau, welche bei der

Zenturion Versicherung AG diesen Posten bekäme, aber immerhin war das ein Ziel.

„Frau Moser, ihre Gehaltsnachweise habe ich in die Akte gelegt. Aber eine Frage wollte ich dennoch stellen. Warum haben Sie nicht die größere 3 - Zimmerwohnung genommen? Bei ihrem Gehalt wäre die doch locker drin gewesen.“

„Ach Herr Berger, wissen Sie, ich will mir erst mal was aufbauen und Geld auf die hohe Kante legen. Bevor ich hohe Sprünge mache. Wissen Sie, ich hab keine Familie die mir im Notfall mal helfen kann, ich muss mich komplett selber finanzieren.“

„Aber das schaffen Sie doch auch locker mit der großen Wohnung, Frau Moser. Sie sind doch eine starke Frau und im Leben mindestens so fest verwurzelt wie die starke Eiche da draußen.“

„Ja und wie diese Eiche stehe auch ich alleine im Wald.“, diesen Satz sagt Gaby mehr zu sich als das der Makler es hört.

„Wie meinen?“

„Nichts, vergessen Sie es. Aber können wir nun den Mietvertrag aufnehmen?“

„Klar ich hab schon alles vorbereitet. Haben Sie die Mietkaution und die Maklercourtage mit?“

„Selbstverständlich.“



„Weißt du was viel mehr weh getan hat als die Schläge meines Vaters?“

Kassandra Heinze schüttelt den Kopf, ihre Lippen zusammen gekniffen. Ihr Gesicht zu einer Maske erstarrt.

„Dass ich das alles umsonst aushalten musste.“

In diesem Moment liefen bei Gaby die Tränen in Sturzbächen die Wangen herunter. Kassandra wollte auf sie zugehen, sie in den Arm nehmen.

„Fass mich nicht an!“, faucht Gaby sie nur an.

„Weißt du, das einzige was mich innerlich aufrecht stehen ließ dabei, war das Wissen, dass du hinter her für mich da bist. Das wir beide irgendwann mal über all das Erlebte lachen können. Sieht das aus als wenn ich darüber lachen kann?“

„Alleine Lachen ist auch nicht so befreiend, Träumerin.“

„Hör auf damit, die Zeit der Träumereien ist lange vorbei.“

„Und warum nimmt es dich immer noch so mit? Ich meine, irgendwas scheint dir diese Zeit ja zu bedeuten. Ansonsten würdest du nicht so….“

„…So ausrasten und dir eine scheuern?“

„Ja.“

„Geh! Verschwinde aus meinem Leben. Endgültig!“

„Das kann ich nicht, Träumerin.“

„Warum nicht?“

„Weil ich dich immer noch liebe. Ich habe nie aufgehört dich zu lieben.“



„Ich liebe dich, meine kleine Träumerin.“

„Und ich liebe dich, Kassy….“

Lippen versiegeln Gabys Mund, hindern sie daran noch einen Laut von sich zu geben. Die beiden liegen in Kassandra´s Zimmer auf ihrem Bett. Musik kommt aus der Stereoanlage.

„Mein Vater bringt mich um!“

„Meiner wird mich enterben.“

Beide fingen an zu lachen, dann legte Gaby ihren Kopf auf den Brustkorb von Kassandra. Schaute ihr von unten in die Augen.

„Dann müssen wir uns eben unser eigenes, kleines Reich erarbeiten. Nur du und ich gegen den Rest der Welt.“

„Du bist #ne Träumerin, Gaby Moser!“

„Ja eine verliebte Träumerin.“

Gaby Moser saß an ihrem Schreibtisch in der Bezirksdirektion der Zenturion Versicherung. Ihr Blick war starr auf dem Flachbildschirm gerichtet. 30 % Stornoquote, irgendwer brach in ihren Geschäftszweig ein. Nicht, dass sie einen Schatten aus ihrer Vergangenheit an der Backe hatte. Nein, zu allem Überfluss musste sie auch noch beruflich kämpfen.



„Frau Brandt, bitte rufen Sie für Montag alle Hauptorganisationsleiter und Organisationsleiter zusammen. Es besteht Anwesenheitspflicht.“

„Jawohl Frau Moser.“

Wenigstens das lief noch einigermaßen. Zucht und Ordnung in ihrer Bezirksdirektion. Doch als sie sich die Stornozahlen genauer ansah, verschluckte sie sich fast am Kaffee.

„Verdammte Schei… das ist glatter Betrug!“

Sie sprang auf und lief wild fluchend durch ihr Büro.

„Das kann doch nicht wahr sein. Das ist die größte Sauerei die ich je erlebt habe!“

Dann drückte sie die Durchwahl zu ihrer Sekretärin.

„Frau Brandt, ich nehme mir den Rest des Tages frei.“

Wütend verließ Gaby das Büro der Bezirksdirektion, ihrer Bezirksdirektion, sie hatte diese gegen alle Widrigkeiten durchgesetzt. Der Vertriebsdirektor war dagegen gewesen, ihn hatte sie mit Zahlen überzeugt. Allerdings musste sie alles selber zahlen. Die Einrichtung, die Miete, das Inventar. Lediglich das Gehalt von Frau Brandt wurde von der Zenturion bezahlt. Und nun drohte sie all das zu verlieren. Sie musste raus. Gaby fuhr auf geradem Weg in ihre Wohnung, duschte kurz zog sich Sportkleidung an, verließ ihre Wohnung und begann zu laufen, sie lief, einfach nur laufen, weglaufen, vergessen. Vergessen, dass ein Versicherungsvermittler, wenn zu viele seiner Verträge gekündigt wurden, er also zu viele Stornos hatte, entlassen werden konnte. Laufen und vergessen, dass sie ihr ganzes Leben lang mit ihrer Stornoquote, die immer maximal 2 % betrug. Sie konnte sich diese hohen Stornozahlen nicht erklären. Und sie wollte auch nicht. Denn es machte ihr Angst. Es machte ihr Angst, dass sie alles zu verlieren drohte, was sie sich hatte aufgebaut. Und sie wollte nur eines, dieser Angst davon laufen.



„Kassandra, Gaby kommt mit. Sofort.“

„Hai, Sensej!“

Der Tonfall in dem Kassandra´s Vater beide angesprochen hatte verhieß nichts Gutes. Er führte die beiden in das Büro seines Dojo´s, dann setzte er sich an den Schreibtisch und deutete beiden an, sich ihm gegenüber hinzusetzen.

„Ihr zwei habt mir ne Menge zu erklären, junge Damen!“

Die Stimme von Sensej Heinze klang unheilschwanger. So unheilschwanger, dass die beiden gar nicht wagten, über den Buchenholzschreibtisch zu schauen und Peter Heinze in seine dunklen Augen zu schauen.

„Was war das am Wochenende? Ich hab gehört, ihr beide wart auf einer Käfig Match- Veranstaltung?“

„Wir? Wie kommst du denn darauf, Dad?“

„Kassandra, leugne es nicht, ich weiß, dass ihr da wart und ich weiß auch, dass ihr nicht nur zugeschaut habt.“

Gaby schüttelte den Kopf, wer hatte sie beide da gesehen oder wer hatte Kassandra kämpfen gesehen. Da war niemand aus ihrem Dojo zu sehen gewesen. Ich meine jeder im Dojo wusste, dass diese halblegalen Wettkämpfe in der Stadt waren, Wettkämpfe bei denen zwei Kämpfer in einem Käfig eingeschlossen wurden und nur einer wieder auf zwei Beinen den Käfig verließ. Aber woher wusste Kassandra`s Vater davon?



„Sensej wie kommt Ihr darauf?“

„Leugnest du es, Gaby?“

Gaby nickt nur.

„Soll das heißen, ja ich leugne oder ja wir waren da?“

Gaby biss sich auf die Unterlippe.

„Na gut, dann frag ich eben meine Tochter. Kassandra, willst du es auch leugnen, dass ihr zwei euch ein Käfigmatch angesehen habt?

„Ja, Sensej , ich leugne, dass ich mir ein solches Match angesehen habe.“

„Ihr zwei leugnet also auf der Käfig Matsch Veranstaltung der Bulldogs gewesen zu sein?“ Das Gesicht von Kassandra´s Vater wurde immer dunkler. Seine Laune immer schlechter.

„Wie kommst du nur darauf, dass wir auf dieser Veranstaltung waren?“

„Das tut nichts zur Sache. Da ihr beide es weiterhin leugnet, werde ich nun die Konsequenzen daraus ziehen. Gaby für dein fortgesetztes Lügen, erhältst du einen Monat Trainingsverbot, eine Kontaktsperre zu Kassandra. Außerhalb dieses Dojo´s untersage ich euch jedweden Kontakt. Des Weiteren wirst du dir mit ansehen, welche Konsequenzen euer Verhalten für Kassandra hat.“

Daraufhin wandte er sich an Kassandra.

„Nun zu dir, Kassandra. Du erhältst ein Jahr Prüfungssperre. Die Sensejprüfung ist dieses Jahr für dich gestorben, dir fehlt die psychische Reife.“

„Dad, bitte !“

Gaby fiel die Kinnlade runter, die Prüfung war alles woran Kassandra denken konnte und ihr Vater nahm ihr genau das gerade weg.“

„Ruhe, ich bin noch nicht fertig!“

„Sensej, darf ich bitte was sagen?“

Gaby fasste allen Mut zusammen. Sie wollte für Kassandra wenigstens die Prüfung retten. Sie sollte ihren Traum erleben dürfen.

„Solange es keine weitere Lüge ist, ja.“

„Sensej, es stimmt wir waren da. Aber wir haben uns keinen Kampf angesehen.“

„Halt die Klappe, Träumerin, du machst es nur noch schlimmer!“

„Still Kassandra , ich will hören was Gaby sagen will.“

„Eure Tochter bestreitet schon seit einiger Zeit Käfig Matches. Und ich bat sie mitkommen zu dürfen, denn wir lieben uns.“

In diesem Moment griff sie nach Kassandra´s Hand und drückte sie ganz fest.

„Ist das die Wahrheit, Kassandra?“

„Ja Sensej, Gaby hat dir die Wahrheit erzählt.“

„Warum machst du das?“

„Irgendwo muss ich einfach mal Dampf ablassen und das Geld können wir auch ganz gut gebrauchen, oder?“

„Kassandra, irre ich mich oder hatte ich dir verboten an solchen Käfigmatches teilzunehmen?“

„Nein, du irrst nicht. Du hast es mir verboten.“

„Und dennoch nimmst du daran teil? Weißt du wie ich das nenne?“

„Nein, Sensej!“

„Das ist Lügen und Hintergehen. Nur noch Betrug würde schlimmer sein. Am liebsten würde ich euch beide nehmen und kräftig den Hintern versohlen.“

Er war mittlerweile richtig in Rage.

„Dann tu es doch, aber hör auf uns hier weiter Vorhaltungen zu machen. Das Ganze ist schließlich schon passiert.“

„Gleich fängst du dir wirklich eine ein. Wie lange machst du das schon?“

Kassandra überlegte, sollte sie ihm sagen, dass es schon seit einem Jahr so lief?

„Lüg mich ja nicht an, wenn ich das rausbekomme bist du fällig, junge Dame!“

„Seit ein paar Monaten, Sensej.“

Gaby wagte nun noch einen Versuch.

„Hören Sie Sensej, Sie wissen nun die Wahrheit. Verbannen Sie mich aus dem Dojo, machen Sie mit mir was Sie wollen, aber bitte ermöglichen Sie Kassandra die Prüfung,“

„Hm, Gaby und das war eben die volle Wahrheit?“

„Ja, Sensej.“

Ihre Stimme war belegt sie wagte es nicht dem Mann in die Augen zu sehen, der ihr zusammen mit seiner Tochter all das Selbstvertrauen gegeben hatte, was sie gerade in sich spürte.

„Gut, ich habe meine Entscheidung getroffen.“

Er ging nach hinten und holte aus einer Schublade etwas hervor. Kassandra´s blauen Augen weiteten sich. Sie schüttelte den Kopf. Als ihr Vater wieder kam hatte er eine mehrschwänzige Peitsche in der Hand und legte diese auf den Tisch.

„Das ist meine Alternative, entweder das oder Trainingsverbot und Prüfungssperre.“

Kassandra schluckte.

In Gabys Kopf begann es zu rattern, die Alternative war es ihrem Vater davon zu erzählen und wenn er rausbekommen würde, warum sie nicht mehr zum Training durfte, würde ihrem Hintern ähnliches blühen. Es war die Wahl zwischen Pest und Cholera. Wobei ihr Vater dem ganzen wohl auch noch eine Umgangssperre zu legen würde.

„Ich wähle die Peitsche, Sensej!“

„Gaby bist du dir sicher? Du weißt ja gar nicht wie viele es sind.“

„Das ist mir egal. Die andere Alternative könnte ich nicht ertragen.“

Kassandra schaute sie an.

„Du bist verrückt, Gaby, das ist kein Spiel, mein Vater zieht das durch. Sie musste grinsen. Gaby fing auch an zu grinsen.

„So wie meiner den Rohrstock. Aber ich will dich nicht verlieren und wenn mein Schmerz der Preis dafür ist, werde ich ihn gerne bezahlen.“

„Du wirst ihn nicht alleine bezahlen, Gaby, ihr beide werdet die Peitsche spüren. Du bekommst 10 für die Lügen und 25 dafür, dass du dich über die Dojoregeln hinweg gesetzt hast.“

Dann schaute er zu seiner Tochter rüber. Und was dich betrifft. Du bekommst auch die 10 für die Lüge und 25 für die Verletzung der Dojoregeln, aber für das bestreiten eines Käfig Matsches bekommst du noch mal 25.“

Die beiden schluckten.

„Habt ihr das verstanden?“

Wie aus einem Munde sagten dann beide.

„Hai, Sensej!“

„Gut dann zieht die Hosen aus und beugt Euch nebeneinander über den Schreibtisch!“

Sofort standen die beiden auf und taten was Kassandra´s Vater sagte.

Gaby griff nach Kassandra´s Hand, schaute zu ihr rüber.

„Ich bin da für dich, egal wie schlimm es wird.“

„Und ich werde immer für dich da sein, kleine Träumerin.“

In dem Moment klatschten die Riemen der Mehrschwänzigen auf Gabys runden Po und sie stöhnte vor Schmerzen auf. Doch anstatt ihre Freundin trösten zu können hatte auch schon Kassandra Besuch von der väterlichen Peitsche. Die Schläge prasselten, trafen die beiden Mädchen abwechselnd. Kassandra´s Vater schlug hart zu. Anscheinend wollte er beiden wirklich mehr als nur einen Denkzettel geben. Sie sollten diese Lektion nicht vergessen. Nach dem ersten Schreck schafften es die beiden, trotz aller Schmerzen in ihrem Hintern, die Hand der anderen zu ergreifen. Fest drückte die eine jeweils die Hand der anderen, wenn das Leder wieder einmal in deren Hintern biss. Nach dem 15 Schlag war es bei Gaby mit der Selbstbeherrschung vorbei. Sie war die Peitsche nicht gewohnt, und der ungeheure Schmerz den die Riemen erzeugten war kaum zu verarbeiten. So liefen die ersten Tränen. Kassandra welche das bevorzugte Strafwerkzeug ihres Vaters kannte, schaute Gaby mit festem Blick an, sie versuchte Gaby Zuversicht und Kraft zu geben als sie sagte:

„Wein ruhig und wenn du nicht mehr kannst schrei auch, es ist ok.“

In dem Moment biss sich das Leder in ihren Arsch und sie zog die Luft scharf ein. Sie selber wollte ihrem Vater nicht die Genugtuung geben.

Schlag 25 löste dagegen bei Gaby alle Barrieren. Sie schrie laut auf.

„AAAAAAAAAAH!“

Als Kassandra die Schmerzenslaute ihrer Freundin vernahm, brach auch bei ihr der erste Damm, sie weinte. Sie weinte weil ihre Freundin wegen ihr leiden musste.

Schlag 35, Gaby schrie laut auf. Kassandra´s Vater ging rüber zu den beiden.

Er nahm Gaby in den Arm.

„Alles vorbei, alles vergeben.“

„Es tut mir leid.“

„ich weiß. Aber lüg mich nie wieder an.“

„Versprochen!“ Gaby nickt bekräftigend.

„Nun zieh dich an und setz dich auf die Couch!“

„Darf ich lieber auf den Stuhl?“

„Aber der ist nicht so weich!“

„Egal, ich würde lieber weiter hin Kassandra´s Hand halten, Sensej!“

„Ok, dann setz dich auf den Stuhl.“

Als Kassandra sich im ersten Moment hinsetzen wollte, stand sie sofort wieder auf. Der Schmerz war einfach übermächtig. Doch dann setzte sie sich vorsichtig seitlich auf den Stuhl, so war es erträglich.

Sie nahm Kasandra´s Hand und schaute ihr in die Augen.

„Ich bin bei dir, Liebling.“

In dem Moment knallt das Leder bereits auf Kassandra´s Hintern, sie riss die Augen auf, atmet tief aus. Die Pause half ihr, auch wieder ihre Kräfte zu sammeln. Aber ihr Vater merkt das sofort und der nächste Schlag war um einiges härter. Schon bald liefen wieder Tränen aus Kassandra´s blauen Augen. Gaby fühlte sich so hilflos, versuchte ihrer Freundin irgendwie Trost zu spenden, streichelte über ihren Handrücken.

„Schh, wir schaffen das zusammen!“

„Was heißt hier wir, du bist schon durch ich hab noch welche VOOOOOOOOOOR mir.“

Wieder traf das Leder Kassandra´s Pobacken und hinterlässt eine deutlich Spur.

„Ich würd sie dir gerne abnehmen, wenn ich könnte.“, dachte Gaby.

Irgendwann begann Kassandra dann doch aufzuschreien. Ihr Vater hatte die Schlagintensität zum Schluss immer weiter gesteigert. Zu oft gab es die Diskussion um diese Matches. Dann legte er die Peitsche weg, streichelt seiner Tochter sanft über den Rücken.

„Komm hoch, es ist vorbei.“

Seine Tochter fiel ihm in die Arme und weinte. Die Tränen liefen! All ihre Beherrschung war weg.

„ES tuuut mir leid.“

„Ich weiß, Kleines, ich weiß.“



Als Gaby anhielt, stand sie direkt vor ihrem alten Dojo. Vorsichtig berührte sie das schwere Holz der Eingangstür. Fassungslos starrte sie auf die Tür. Sie war repariert worden. Es sah fast so aus wie vor 10 Jahren. Aber das konnte nicht sein. Kassandra´s Vater starb vor 5 Jahren. Seit dem war hier nie was passiert. Das alte Dojo war immer mehr verfallen. Unsicher schaute sie sich um, versucht die Tür zu öffnen. Etwas von dem alten Geist zu spüren.



Gaby Moser trat durch die Dojotür, schlüpft aus den Laufschuhen. Sie stellte diese neben dem Eingang ab, legte ihre Hände an die Oberschenkelseite und machte eine Verbeugung, ohne sich im Raum umzusehen. Zu sehr waren die Erinnerungen mit ihr verwurzelt. Zu sehr hatte man ihr den blinden Respekt eingebläut. Sie konnte nicht anders. Und sie wollte es auch nicht anders.



Als sie dann hochschaute, wurde sie leichenblass. Nichts schien sich verändert zu haben. Wirklich nicht. Das Wappen mit dem rotem Shintoschreintor, die traditonellen Reisstrohmatten, einfach alles war wieder da. Einfach alles sah aus wie vor 10 Jahren. Das rote Tori welches das Wappen des Dojo´s zierte, schien zu leuchten. Der schwarze Baum im Hintergrund und die untergehende Orangefarbene Sonne, alles sah wieder so aus wie früher. Alles fühlte sich wieder so an wie früher. Aber das konnte nicht sein. Das war einfach nicht möglich niemand konnte die Zeit zurückdrehen, die Matten aus Reisstroh mussten vergammelt sein, faulig riechen. Und das Rot des Tores hätte verwittert sein müssen. Aber nichts dergleichen war. Es sah alles so aus, als hätte sie den Raum erst gestern nicht mehr betreten. Gaby stand der Mund offen, sie war sprachlos, sie war mehr als nur sprachlos. Sie war wie in Trance. Sie erlebte gerade ihre eigene Vergangenheit ein zweites Mal und das musste sich erst mal setzen.



„Hallo Träumerin, hast du mich vermisst?“

„Hallo, Kassy. Seit wann ist hier wieder auf?“

„Seit einem Monat, Träumerin. Weißt du das nicht?“

„Nein, wieso sollte ich?“

„Nun, weil ich bei dir im Büro ein Angebot für eine Betriebshaftpflichtversicherung und eine Inventarsversicherung angefragt hab und bis heute keines bekam.“

„Äh, bist du verrückt? Du kannst den Laden doch nicht ohne führen?

„Wer sagte denn, dass ich das tue. Da von Euch kein Angebot kam, hab ich eines von der BVG angenommen?“

„BVG? Das ist unser Rückversicherer, wieso? Ich verstehe nicht?“

„Geh erst mal duschen, du weißt ja wohl noch wo die Duschen sind, oder?“

Wie in Trance verschwand Gaby in den Damenduschen. Wie in Trance zog sie sich aus und dreht das heiße Wasser der Dusche auf.



Zwei Körper unter der Dusche, eingeseifte Haut, fremde Hände auf eigener Haut. Vertrauen, Nähe, Geborgenheit, Halt spüren. Finger welche langsam in sie eindrangen, sie presst sich dem Finger immer mehr entgegen. Wollte spüren, wollte vergessen, wollte nur fühlen.

„Hey Träumerin, gleich fällst du um.“

Eine Hand griff um ihre Hüften, zog sie fest an sich. Sie spürte nur noch, fühlte nur noch, in ihrem innersten brannte alles. Es brannte das Verlangen nach mehr, nach dem Gipfel, ihre Hände suchten Halt. Halt an den starken Schultern, ihren Kopf legte sie ab, stöhnen verließ als einziger Laut ihren Mund.

Ein Zucken, ein leises Aufschreien.



Mit hochrotem Kopf kam Gaby aus der Dusche. Sie sah gerade noch, wie sich die Schüler von ihrer Sensej, Kassandra Heinze, verabschieden.

„Gruß im Stand. REI!“

Kassandra deutet eine Verbeugung an und gleichzeitig verbeugten sich ihre Schüler vor ihr. Genauso wie es Gaby tat, als sie das Dojo betrat. Die Hände an den Oberschenkel, Gesicht nach unten. Sofort erkannte Gaby, dass nicht mal die Hälfte den Sinn dieser rituellen Handlung verstanden hatte. Innerlich lachte sie.

Dann ging Kassandra auf sie zu. Komm Gaby, wir machen uns was zu essen und reden, Ich geh vorher noch mal duschen und danach reden wir. Ich denke, das ist schon lange überfällig.“



Gaby nickte nur stumm. Die Atmosphäre hatte sie wieder. Das hier war mal ihre Heimat, der Ort an dem sie glücklich war. Durch den Verfall hatte sie mit ihrer Vergangenheit abgeschlossen. Jeder zerstörte Ziegel, jedes kaputte Fenster ließ sie erkennen, dass das alles Vergangenheit war. Nun war ihre Vergangenheit auf einmal wieder lebendig.

„Aber man kann die Geister der Vergangenheit nicht wieder zum Leben erwecken. Das vergangene ist vergangen. Die Zeit geht nur in eine Richtung.“, dachte Gaby für sich.

„Huhu Träumerin, bist du noch da?“

Vor ihr stand Kassandra in einem weißen Gi und einem schwarzen Hakama und schaut ihre Freundin besorgt an.

„Ja, klar. Sind nur ein paar Erinnerungen die gerade hochkommen.“

Gaby schaute Kassandra an. Der schwarze Hosenrock, diese weiße Jacke. Verlegen lächelt Gaby auf. Sie wusste genau, dass das mehr als nur Erinnerungen waren. Es war ein leises Bedauern dabei. Diese Halle war jahrelang ihr Korsett gewesen, das was ihrem Leben einen Halt gab. Bis zu dem Zeitpunkt, als ihr Vater ihr den Umgang verboten hatte.



„Gaby, ich bin enttäuscht, ich bin richtig enttäuscht. Wie konntest du mir das antun. Dich in eine Frau zu verlieben.“

„Verzeih Dad, aber das ist einfach passiert, einfach ohne das ich nachgedacht habe.“

Man hört wie ein Stock durch die Luft sauste, zischend landete er auf roter Haut. Man hörte einen Klageschrei, einer jungen Frau.

„Dann werde ich dafür sorgen, dass du in Liebesdingen in Zukunft etwas mehr nachdenkst.“

Wieder sauste der Stock, wieder das dumpfe Klatschen auf der Haut. Doch diesmal biss Gaby die Zähne zusammen. Nein diesen Triumph wollte sie ihm nicht gönnen.



„Wollten wir nicht über andere Dinge reden?“

„Wir reden darüber was dir auf dem Herzen liegt, Träumerin.“

Da war sie wieder, diese sanfte Führung, dieser Schubs in die Richtung die für sie gut war. Warum machte Kassandra das nur? Konnte sie sie nicht einfach nur in Ruhe lassen.

„Kann ich das Angebot mal sehen. Ich meine das von der BVG?“

„Klar, nachher kannst du es sehen. Erst mal gehe ich duschen. Machst du uns schon mal was zu essen. Du weißt ja wo die Küche ist.“

„Klar….“

Und schon stand Gaby mit offenen Mund da und wundert sich. Kassandra hatte es wieder getan. Wieder gab sie die Befehle, wieder wurde sie behandelt wie ein kleines Kind. Dabei waren die beiden nicht mal mehr ein Paar. Was fiel ihr eigentlich ein? Sie waren nicht mehr zusammen. SIE hatte den Deal gebrochen. Warum fing sie wieder damit an? Warum wollte sie wieder die Kontrolle?

Doch dann hörte sie schon aus den Duschen das Wasser rauschen. Kassandra hatte sie einfach stehen gelassen.

Verwirrt ging Gaby in die Küche, wieder kamen Erinnerungen hoch. Kassandras Vater hatte hier oft für die Drei gekocht.



„Gaby, reichst du mir mal die rote Beete?“

„Ich muss die aber nicht essen, oder?“

Kassandra ging auf Gaby zu, schaute ihr dabei tief in die Augen und meinte: „Du kannst sie ja wenigstens probieren. Mein Vater kocht sie echt lecker, den Standard aus dem Glas mag ich auch nicht.“ Dabei verändern sich Kassandra´s Haltung, ihre Stimme bekam einen Glanz. In diesem Moment, in dieser Küche hatte Gaby das erste Mal gespürt, wie sehr Kassandra die Kontrolle hatte. Wie sehr Kassandra SIE unter Kontrolle hatte.

Gaby senkte den Kopf, irgendwie hatte sie nicht die Kraft Kassandra in die Augen zu sehen. Irgendwie bekam sie das Gefühl zu enttäuschen. Irgendwie stieg Scham in ihr auf.

„Ok, ich probier die Rote Beete.“, leise sprach sie die Worte aus.

„Wie war das Träumerin?“, Kassandra´s Finger glitten unter Gabys Kinn und zwangen Gaby ihr in ihre stahlblauen Augen zu sehen. Der Blick den sie spürt war fordernd, hart, und dennoch so voller Liebe. Gaby räuspert sich.

„Ich sagte, ich werde die Rote Beete probieren.“

„Danke, Träumerin.“



Wieder stand Gaby in der Küche, sie war renoviert worden, moderner. Aber dennoch, diese Küche würde sie immer wieder erkennen. Zu viele Erinnerungen, zu viele glückliche Momente, zu viele Abende mit Kassandra und ihrem Vater.

Mechanisch bereitete Gaby das Abendbrot zu. Brotzeit mit Aufschnitt, so wie Kassandra´s es abends immer liebte. Die Scheiben Schwarzbrot schnitt sie in kleine Portionen, öffnet noch schnell eine Flasche Bier und füllt dieses in ein Glas. Sie stutzt, dieses Glas kannte sie, es war dasselbe Glas wie vor 10 Jahren, es war das Glas, was sie Kassandra geschenkt hatte. Das Glas, aus dem beide zusammen ihr erstes Bier getrunken hatten. Sie seufzte auf und brachte alles an den Wohnzimmertisch, wie gewohnt schaltete sie den Fernseher ein, dreht die Lautstärke etwas runter. Es war, als wäre nie ein Tag vergangen, es war, als wäre alles wie immer.





Gaby und Kassandra saßen beim Abendessen. Gaby wagte es immer noch nicht Kassandra anzusehen. Zu gerne würde sie wissen wieso. Zu gerne würde sie erfahren, wo Kassandra war. Zu gerne würde sie wissen was damals passiert ist.





„Du Kassandra?“

„Ja Träumerin?“

In Gaby regt sich Widerstand. Es gab eine Zeit in der sie geträumt hatte, eine Zeit in der sie dem Leben am liebsten entflohen wäre. Aber diese Zeit war vorbei. Schon lange.

„Kassandra, ich träume schon lange nicht mehr?“

„Und warum sitzt du dann hier bei mir, isst mit mir zu Abend? So wie damals?“

„Weil ich zufällig hier her kam, und du mich eingeladen hast!“

Gaby versuchte es einfach mal mit einer Lüge. Sie musste Kassandra ja nicht sagen, dass sie noch immer eine große Bedeutung in ihrem Leben hatte. Immer, nein schon wieder. Seit dem Treffen in ihrer Bar, seit Kassandra sie vor den Kerlen gerettet und nach Hause gebracht hatte. Seitdem war sie ihr nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Aber das musste sie IHR nicht auf die Nase binden. Das musste SIE auf keinen Fall erfahren.

„GABY MOSER, lüg mich nicht an.“

Kassandra´s Stimme klang sauer. Sie schien die gleiche Abneigung gegen Lügen zu haben wie ihr Vater. Denn der hatte damals genauso reagiert. Gaby schluckte, sollte sie wirklich mit der Wahrheit rausrücken? Sollte sie ihr wirklich sagen, wie sehr sie sich in ihr Herz gebrannt hatte?

„Verdammt ja, ich hab geträumt.“

Gaby hoffte inständig, dass sich Kassandra von dieser „verkürzten Wahrheit“ blenden lassen würde. Sie wollte nicht alles erzählen.

„Wovon hast du denn geträumt?“

Kassandra´s Stimme war auf einmal ganz sanft. Ihre Hand sucht die von Gaby, nahm sie und schaut ihr dabei tief in ihre grünen Augen.

„Wovon hat meine kleine Träumerin geträumt?“

„Genau davon!“

„Wovon?“

„Davon was hier gerade passiert, davon was du in mir auslöst. Davon endlich ein Heim zu haben.“

In Gaby brachen alle Dämme sie saß auf der Couch, ihr Kopf auf der Schulter von Kassandra und sie weinte hemmungslos. Kassandra legte ihren Arm um sie, streichelte ihr sanft über den Kopf.

„Es tut mir leid, Liebes. Aber jetzt bin ich für dich da. Versprochen. Ich lass dich nie wieder alleine. Wenn du mich noch willst.“

In Kassandra´s Stimme spiegelte sich eine Unsicherheit, deutlich hörbar für Gaby. Die große Kassandra, ihre große Kassandra hatte Angst sie zu verlieren.

„Ich habe nie etwas anderes gewollt.“

„Und Stefan?“

„Stefan? Ja, ich habe ihn geliebt. Aber er konnte mir nicht das geben was ich bei dir hatte.“

„Hm? Nicht. Nun mindestens in einer Sache ist er mir überlegen.“

„Ich rede nicht von Sex.“

„Sondern?“

„Von Halt. Ja ich mag Sex mit Männern. Aber die wenigsten können mir den Halt geben, den ich von dir bekam. Eigentlich keiner konnte das.“

„Ach Träumerin, dann werden wir in unserem Leben wohl einen Mann finden müssen, der neben mir bestehen kann und dir dennoch den Halt gibt den du brauchst.“

„Wer sagt denn, dass ich neben dir einen Mann akzeptieren kann oder will?“

In Gaby regte sich erneut Widerstand. Was bildete sich Kassandra ein. Mit welchem Recht wollte sie wieder über ihr Leben bestimmen?

„Meinst du wirklich, ich lass es noch mal zu, so verletzt werden zu können? Meinst du wirklich, irgendwer bekommt diese Macht über mich?“

„Gaby, glaubst du ehrlich ich hab diese „Macht“, wie du es nennst, nicht über dich?“

„Dann frag ich anders. Warum sollte ich irgendwem neben dir erlauben, diese Macht über mich zu haben?“

„Weil du nur mit einem solchem Menschen an deiner Seite wirklich glücklich werden kannst.“

„Stimmt, nur sollte dieser Mensch männlich sein.“

All ihre Wut, all ihre verletzten Gefühle kamen wieder in ihr hoch. Nie wieder würde sie eine Frau so nah an sich heranlassen. Nie wieder würde sie es aushalten so verletzt zu werden.



Eine Tür ging auf. Schnell versteckte sich Kassandra hinter der Hängeregistratur. Gaby sollte nicht sehen, dass sie hier war. Ihr Vater hatte sie nach ihrer „Unterredung“ direkt zu Herrn Moser geschickt. Der Anblick den Kassandra bekam, er brach ihr das Herz. Ihre kleine Gaby, die Frau welche ihr mehr bedeutet als ihr eigenes Leben, diese Frau ging verheult, langsam schlurfend durchs Büro. Sie sah nichts hörte nichts. Ihre Hände hielten ihre Jeans fest. Sie konnte sie nicht zu machen. Zu sehr brannte das Feuer auf ihren Hinterbacken. Zu sehr spürte sie die blutigen Striemen, welche ihr Vater gezogen hatte. Kassandra riss sich zusammen, so gerne wie sie zu Gaby gehen wollte, so sehr sie sie trösten wollte. Es würde alles nur noch schlimmer machen. Ihr Vater hatte ihr sehr deutlich zu verstehen gegeben das ihrer beider Liebe nicht geduldet wurde. Kassandra hatte Tränen in den Augen als sie sah, wie ihre kleine Gaby hochschlurfte, in Richtung ihres Zimmers ging. Dem Zimmer, in welchem beide so viel Zeit verbracht hatten. Dann klopft sie an die Tür von Herrn Mosers Büro.

„Herein!“

„Herr Moser, mein Vater sagte mir, sie wollten mich sprechen.“

„Hallo Kassandra, ja, komm rein. Setz dich doch!“

Die Stimme von Herrn Moser machte überdeutlich, seine scheinbare Einladung war ein indirekter Befehl.

„Danke, im Moment steh ich lieber.“

„Das war keine höfliche Bitte ich denke wir zwei haben einiges zu bereden und ich habe KEINE Lust dieses Gespräch im Stehen mit dir zu führen.“

Kassandra schaute zu dem blonden Mann im weißen Anzug rüber, seine grünen Augen waren eiskalt. Dieser Ausdruck war eindeutig, er war nicht bereit die Situation auch nur einen Finger breit aus der Hand zu geben. Und Kassandra hatte nach seinen Wertvorstellungen einfach nur zu gehorchen. Kassandra seufzt auf, sie verzog kurz das Gesicht, als ihr Po die Sitzfläche des Sessels berührt.

„Also, was wollen Sie mit mir besprechen?“

„Ich denke das weißt du. Ich denke, dir ist sehr wohl bewusst, dass weder dein Vater noch ich diese Beziehung dulden werden!“

„Mit Verlaub, denken Sie nicht, dass diese Beziehung eine Sache zwischen Gaby und mir ist?“

„Verdammt noch mal, nein das denke ich nicht! Gaby ist MEINE Tochter und noch bestimme ich was in diesem Hause passiert!“

„Herr Moser, ich weise Sie darauf hin, dass ihre Tochter volljährig ist.“

„Schön dass DU das offensichtliche auf diese Art kommentierst. Aber ich weise dich darauf hin, dass in meinem Hause die gleichen Hausregeln gelten wie bei deinem Dad. Insofern ist das tatsächliche Alter meiner Tochter zweitrangig. Solange sie die Füße unter meinen Tisch setzt, tut sie was ich sage.“

„Herr Moser, ich denke ich habe verstanden was Sie mir damit sagen wollen. Allerdings sehe ich nicht, dass diese Entscheidung eine ist, welche SIE zu treffen haben. Ich will diese Entscheidung aus Gabys Mund hören.“

„Das wirst du nicht, denn du wirst keinen weiteren Kontakt zu Gaby haben. Ich verbiete es dir.“

„SIE HABEN MIR NICHTS ZU VERBIETEN. SIE SIND NICHT MEIN VATER!“

„Hm, wenn du das so siehst kann ich ihn ja mal anrufen.“

Herr Moser griff zum Telefon und wählt eine Nummer.

„Hallo Peter, ich bin es. Ja, wie erwartet, deine Tochter rebelliert hier gerade. Einen Moment ich mach mal den Lautsprecher an.“

Mit diesen Worten schaltete Ralf Moser den Lautsprecher am Telefon ein und legt den Hörer beiseite.

„Kassandra, Peter und ich kennen uns aus alten Zeiten beim Bund. Seine Worte sind meine Worte. Du tust was er dir sagt, verstehen wir UNS!“

Beim „uns“ bekammen die Worte von Peter Heinze einen Klang der keine Widersprüche duldete. Der Klang, deren Stimme ihr vorhin noch eine Runde über den Knien ihres Vaters einbrachte, weil sie ihn einfach ignorierte.

„Dad, das ist unfair. Wir gehören zusammen. Das könnt ihr nicht machen. Das DÜRFT ihr nicht machen.“

„Kassandra, wir tun und wir können.“

„Ralf kümmerst du dich bitte um den Rest?“

„Kein Thema Peter, tut mir leid das ich dich noch mal stören musste.“

Ralf Moser legte auf und lehnt sich in seinem Sessel zurück.

„Ich denke, wir zwei haben uns verstanden oder muss ich noch deutlicher werden, FRAU HEINZE.“

„Sie können so deutlich werden wie Sie nur wollen, nichts und niemand wird mich von Gaby fernhalten.“

(...weiter)