Sonntag, 9. Juni 2013

Gaby wartet im Park - Kapitel 3

Gaby saß im Büro und trank ihren x-ten Kaffee, sie konnte es nicht glauben, aber in ihrem Email- Postfach war tatsächlich diese Mail:

„Sehr geehrte Frau Moser,

bitte kommen Sie morgen um 15.00 Uhr in mein Büro. Wir müssen über die Vorgaben der BVG zum Thema Gesundheit und Stornoquote reden. Diese Mail ist eine Dienstanweisung!

Mit freundlichen Grüßen

Rüdiger Franzen
Vertriebsdirektor Zenturion Versicherung“

Gaby schluckte, nun war der Bock also fett, nun hatte sie echte Probleme, IHRE Bezirksdirektion war in Gefahr weil ihr jemand das Geschäft madig machen wollte. VERDAMMT !!! Musste dieser nörgelnde, machohafte Glatzkopf ausgerechnet jetzt nerven!!! Gerade jetzt konnte sie das gar nicht gebrauchen.
„Frau Brandt, sagen Sie bitte für morgen ab 14.00 Uhr alle Termine ab. Und tragen Sie einen Termin in der Vertriebsdirektion ein.“
„Jawohl, Frau Moser. Soll ich irgendetwas vorbereiten für den Termin mit Herrn Franzen?“
„Nein, alles Notwendige hab ich bereits vorbereitet. Ich danke Ihnen. Sorgen Sie nur dafür, dass Herr Fallner mich morgen Nachmittag hier vertreten kann.“
„Jawohl, Frau Moser.“
Valerie Brandt grinste. Es sah ganz danach aus, als würde ihre Chefin endlich ein wenig Druck von oben bekommen. Sah fast so aus als würde ihre Mission hier bald beendet sein. Und vielleicht wäre Sie dann endlich frei. Vielleicht würde sie dann endlich ein neues Leben beginnen können.
Schnell suchte sie die Nummer aus dem Wahlspeicher.
„Hallo Herr Fallner, Valerie Brandt hier. Frau Moser sagt, ich soll Ihnen Bescheid sagen, dass Frau Moser morgen Nachmittag eine Vertretung braucht.“
„Frau Brandt, richten Sie doch bitte Frau Moser aus, dass ich morgen sehr gerne vorbeikomme. Wann soll ich Frau Moser denn vertreten?“ Seine tiefe, sonore Stimme, gefiel ihr wirklich gut. Mann, da wusste sie gleich warum der Mann so gut verkaufen konnte.
„Frau Moser hat ab 14.00 Uhr alle ihre Termine abgesagt.“
„Ja gut, dann werde ich um 12.00 Uhr da sein. Richten Sie das bitte Frau Moser aus!“
„Sehr wohl, Herr Fallner.“
Mit einem Klicken beendet Peter Fallner das Gespräch. Er mag dieses junge Vorzimmerküken nicht. Also bloß nicht viel mit ihm abgeben.

Während dessen saß Gaby Moser kreidebleich an ihrem Schreibtisch. Die Kundendaten der Stornos wurden alle über eine IP ausgelesen. Doch wer kannte das Passwort. Wie zum Henker kam jemand an das Passwort für IHREN PC. Gott verdammt, das durfte einfach nicht wahr sein. Sie lehnte sich in ihrem Chefsessel zurück. Versuchte abzuschalten.
„AUA!“, zischte sie nur hervor. Verdammt das tut echt weh.“ Die Frau hat ne Handschrift mein lieber Herr Gesangsverein.“
Sie stand auf, ging zum Vollautomaten in ihrem Büro und machte sich schnell eine Tasse Kaffee. Den brauchte sie jetzt. Sie konnte es einfach nicht glauben, irgendwer hatte ihren PC geknackt. Aber wer und wie? Und viel wichtiger, wie kam jemand an IHR persönliches Passwort. Schnell hatte sie den Kaffee aus. Und instinktiv griff ihre Hand nach der Schublade in der ihr Wild Turkey Whiskey stand. Sie machte die Schublade auf und holte die Flasche und den Whiskey raus. Es war erst Mittag und bis abends würde der Alkohol eh wieder verflogen sein. Doch kaum hatte sie den Verschluss in der Hand, schossen ihr die Gedanken an gestern wieder durch den Kopf.

„ICH ERWARTE DAS DU GAR NICHTS TRINKST!“

Diese Worte hatten sich in ihr Hirn gebrannt und auch in ihren Hintern.
„Was soll´s, dann nehm ich mir heute Abend ein Taxi.“
Und schenkte sich zwei Finger breit Whiskey ein. Ausgerechnet in dem Moment erklang die Gegensprechanlage.
„Frau Moser, Herr Dr. Farmsen ist noch mal hier. Er meinte er müsse mit Ihnen reden.“
Gaby stöhnte auf. DER hatte ihr noch gefehlt. Sie leerte das Glas in einem Zug und ließ es im Schreibtisch verschwinden.
„Ok, lassen Sie in rein!“
Wenige Augenblicke später betrat der blonde Mittdreißiger das Büro von Gaby.
„Hallo Stephan, was kann ich für dich tun?“
„Ich wollte mich nur erkundigen wie es dir so geht. Und wie weit du mit der Anwartschaft für mich bist. Ich bin doch endlich Beamter auf Lebenszeit.“
„Die Anwartschaft sollte Frau Brandt dir doch zuschicken. Einen Moment!“
Gaby ging ins Vorzimmer und ging direkt auf Frau Brandt zu.
„Frau Brandt, wie weit ist die Anwartschaft von Herrn Farmsen?“
„Ich, ich ich bin gerade dabei die letzten Tarifkombinationen auszuprobieren.“
„OK. Morgen Früh hab ich das als erstes auf dem Tisch. Verstanden!“
Gaby hasste es wenn Sachen künstlich in die Länge gezogen wurden und Frau Brandt war eine Meisterin darin.
„Ja… Jawohl Frau Moser. Morgen Früh haben Sie die Unterlagen auf dem Tisch.“
Danach ging sie wieder in ihr Büro und setzte sich vorsichtig auf ihren Stuhl. Als ihr Po das Stuhlkissen berührte, verzog sie leicht das Gesicht. Scheiße, ihr Hintern stand immer noch in Flammen von Kassandra.
„Ist sonst noch was, Stephan?“
„Ja, ich wollte fragen wie es dir geht.“
„Danke gut, warum sollte nicht?“
„Na zum einen setzt du dich sehr merkwürdig hin, zum anderen riechst du bereits mittags nach Whiskey. Caipirinha ist ja normal, dass du den gerne trinkst, aber mittags Whiskey bedeutet da ist etwas. Also wollen wir reden?“
„Nein wollen wir nicht, aber wenn du einen guten ITler kennst, ich brauch hier mal einen für ein Sicherheitsproblem.“
„Willst du wirklich nicht mit mir reden?“, Stephan Farmsens Stimme klang besorgt.
„Nein will ich nicht, ich muss das alleine hinbekommen, Danke Stephan.“
„Na gut, aber hier ist dennoch die Adresse eines guten ITler´s. Jack ist echt topfit und nicht sehr teuer. Und mal wieder in Deutschland. Grüß Ihn einfach von mir.“
„Danke Stephan, das werde ich machen.“
Der Blonde Dozent für Physik gab ihr eine Visitenkarte und lächelte.
„Danke, ich find den Weg schon alleine, bemühe dich nicht.“
Gaby schaute auf die Visitenkarte:
Jack Flanagan
Internet Security

Ihr schwante übles, hoffentlich war das nicht der Typ aus der Bar, aber schnell wählte sie die Handynr.
„Flanagan!“
„Zenturion Versicherung, Gaby Moser. Herr Flanagan, ein gemeinsamer Freund gab mir ihre Karte und ich denke ich muss ihre Dienste in Anspruch nehmen.“
„Klar, worum geht es denn?“
„Passwortdiebstahl und Auspionieren von Kundendaten. Wohlgemerkt ich bin das Opfer.“
„Klar dass sie nicht die Täterin sind, Lady.“, die Gegenseite musste lachen.
„Am besten wir treffen uns übermorgen in ihrem Büro. Am besten gegen Abend. Passt Ihnen das?“
„Klar welche Uhrzeit?“
„19.00 Uhr?“
„Geht klar, Herr Flanagan.“

Gaby war erleichtert, zumindest etwas erfreuliches für diesen Tag. Schnell machte sie sich noch einen Kaffee. Der Whiskey musste aus ihrem Blut. Sie musste unbedingt zu Kassandra.  Nein, da kann sie auch nicht hin, nicht schon wieder, das würde einfach nur schaden. Kassandra war ihr schon viel zu nahe gekommen. Sie trank einen Schluck Kaffee und dachte nach. Sie dachte an die Dinge die ihr gerade passierten. Sie dachte daran, dass ihre Emotionen gerade Achterbahn fuhren, Sie dachte daran, dass diese Frau in ihr ein Bedürfnis weckte, was niemals hätte sein dürfen, niemals wieder wollte sie sich in sie verlieben. Und doch, es war wieder passiert.

Während dessen saß Kassandra mit dem Doc beim zweiten Frühstück. Sie schaute dem Doc in seine saphirblauen Augen. Sie war nachdenklich. Sie wusste, dass Gaby Zeit brauchen würde. Aber alleine sein, ohne sie, das war schwer. Ja, sie war da, passte auf Gaby auf, aber ja auch sie brauchte Gaby, dieses Gefühl gebraucht zu werden. Einen Menschen zu haben der einem bedingungslos vertraute. Ja sie brauchte ihre kleine Träumerin, auch wenn diese mittlerweile erwachsen geworden war.
„Wo sind deine Gedanken, Kassy?“
„Weit weg, Doc. Ganz weit weg!“
„Hast du immer noch nicht mit ihr geredet?“
„Doch, ich hab sie vor ein paar Tagen in ihrer Bar angesprochen.“
„Und, was macht dich denn so traurig und nachdenklich?“, der Doc stand auf und ging auf sie zu. Seine große, starke Hand griff nach ihrem Gesicht, seine Finger berührten ihre Wange, zärtlich, liebevoll. Er schaute sie aus seinen saphirblauen Augen an und seine Augen wurden immer weicher.
„Was ist los?“
„Sie hat Angst, sie hat Angst mich wieder zu verlieren. Und ich weiß nicht wie ich ihr diese Angst nehmen soll. Ich verstehe sie einfach zu gut. Ich hab dieselbe Angst. Ich kann nicht noch mal ohne sie leben.“
Kassandra´s Augen füllten sich mit Tränen als Sie zu dem Doc hochschaute.
„Rede mit ihr. Erzähl ihr deine Angst.“
Kassandra schluckte. Sie konnte nicht auszuschließen dass er Recht hatte. Er hat fast immer Recht mit seinen Ratschlägen.

Es ist wieder spät geworden, schnell setzte sich Gaby in ihr Auto und fuhr los. An ihrer Kreuzung überlegte sie kurz. Links geht es zu Kassandra, rechts in ihre kleine Wohnung. Harsch setzte sie den Blinker rechts, fuhr zu sich nach Hause. Nein heute muss sie abschalten, für sich sein. Der Tag morgen würde hart werden.
Sie ging in ihre kleine Wohnung, auf dem Weg ins Badezimmer fallen Hose, Bluse, BH und Slip. Dann unter die Dusche und das heiße Wasser genießen. Endlich wieder Leben spüren. Und AUAAAAAA! Da war noch was.
Nach der Dusche schnappte sie sich ihren Wohlfühlpulli und schlüpfte mit einem heißem Kakao ins Bett. Schnell schlief sie ein.
Und anderswo hofft jemand, dass Gaby den Weg zu ihr fand. Von selber! Auch diese Person schlief nach einem harten Trainingstag in ihrem Bett ein, und keiner sah ihre Tränen. Keiner war da der sie tröstete. Wieder einmal standen die stärksten Bäume alleine im Wald.


„Frau Brandt, ihre Leistungen sind mangelhaft, NEIN SIE SIND EINFACH UNGENÜGEND. So etwas dulde ich nicht bei meinen Mitarbeitern. Haben wir uns verstanden?“
Valerie Brandt saß vor einem großem Holzschreibtisch. Der blonde, mittlerweile schon fast grauhaarige Mann mit Schnauzbart, schaut ihr ins Gesicht, er war wütend, wieder mal haben ihre Leistungen ihn nicht zufriedengestellt.
„Es tut mir leid, aber Frau Moser ist einfach zu clever und sie ist in letzter Zeit sehr häufig im Büro, ich kann nicht mehr so schalten und walten wie früher. Und zählen denn die hohen Stornozahlen überhaupt nicht?“
In Valerie Brandt steigt die Verzweiflung hoch.
„Ich mei… meine Frau Moser hat Stornozahlen von 25% ist das denn gar nichts?“
„Frau Brandt, sie hatten mir innerhalb eines halben Jahres einen Storno von 50% zugesichert. Wir sind jetzt in welchem Monat dieser Zeitspanne?“
„Wir sind einen Monat drüber hinaus!“, leise sagte Valerie Brandt die Worte.
„Frau Brandt, bitte noch mal, diesmal etwas deutlicher. Ich kann sie hier nämlich nicht hören.“
„Wir sind einen Monat darüber hinaus!“, klar und deutlich wiederholte Frau Brandt die Worte und schaute dem Mann in die grünen Augen.
Der Mann der immer auszuschließendem Anzüge trug, stand auf und ging auf Frau Brandt zu, bedrohlich langsam. Dann schaute er ihr tief in die Augen.
„Doch Frau Brandt, das bedeutet, dass sie mich nur zu 50% enttäuscht haben!“

Am nächsten Morgen betrat Frau Brandt das Büro, ihre Chefin saß schon am Schreibtisch und schien einige Sachen durchzuarbeiten.
„Guten Morgen Frau Moser, ich setze sofort eine Kanne Kaffee auf.“
„Danke Frau Brandt! Ehm, bevor ich es vergesse, denken Sie bitte daran, dass nachher Herr Fallner noch kommt?“
„Selbstverständlich!“, wie konnte die Kuh nur denken, dass sie den Termin mit Fallner vergessen würde, sie mag ihn nicht und er sie anscheinend auch nicht, so was vergisst man nicht.

„Oh man, da ist heute aber jemand mit dem falschen Fuß aufgestanden.“, dachte  Gaby bei sich und  musste grinsen, ihr war die Laune ihrer Sekretärin nicht entgangen. Und sie konnte sich das Grinsen auch nicht verkneifen als sie sah, wie vorsichtig Frau Brandt sich in ihren Stuhl setzte. „Na da hat gestern Abend wohl wer zu viel gefeiert und nun Muskelkater in den Beinen.“, dachte sie sich bei sich.
Herr Fallner erschien pünktlich um 12.00 Uhr in der Bezirksdirektion.
„Hallo Frau Brandt! Ich wünsche einen wunderschönen Tag!“
Seine gespielte Höflichkeit nervte sie. Warum kann er ihr einfach nicht zeigen was er von ihr denkt und sie dann in Ruhe lassen.
„Mahlzeit Herr Fallner, die Bezirksdirektorin erwartet sie bereits.“
Zielsicher betrat Herr Fallner das Büro seiner Chefin, ging direkt an den Schreibtisch und gab Gaby Moser die Hand.
„Ist Frau Brandt mittags immer so gut gelaunt?“
Er kam heute lieber direkt auf den Punkt, er wollte unbedingt vor der Abfahrt von Frau Moser noch ein paar Punkte klären. Und das junge Küken im Empfang war es ihm nicht wert, mehr Zeit als notwendig für zu opfern. Er konnte sowieso nicht verstehen was Frau Moser in Frau Brandt sah.
„Nein, allerdings ist sie heute den ganzen Tag schon so drauf.“
„Hm, verstehe. Eine Frage hab ich noch. Die Stornozahlen von denen Sie sprachen. Betreffen die alle hier oder nur „ausgesuchte“ Mitarbeiter der Versicherung?“ Herr Fallner setzte das Wort ausgesuchte in die obligatorischen Gänsefüßchen.
„Nein die betreffen zum Großteil das direkte Geschäft der Bezirksdirektion. Also Kunden die hier Angebote nachgefragt haben und komischerweise mich persönlich. Wieso fragen Sie?“
„Reine Neugier, ich hab mich nur gewundert, denn meine Stornoquote liegt weit unter 25%.“
„Ich weiß, ich kenn ihre Stornoquote.“
Gaby musste lächeln. Das war ja ein netter Versuch sie auszuhorchen.
Peter Fallner war ein Fuchs, Gaby merkte das immer wieder. Die Erfahrungen des Anfang vierzigjährigen Hauptagenturleiters war nicht zu unterschätzen. Und auf der anderen Seite war das genau eine der Stützen welche sie hier im Büro hatte. Leider musste sie das Gespräch aber beenden, es gab da noch eine Sache die erledigt werden musste.
„Hören Sie Herr Fallner, ich muss gleich los, ich muss in die Vertriebsdirektion und vorher will ich noch etwas privates erledigen.“
„Kein Problem, Frau Moser. Wann sind Sie wieder hier?“
„Ich habe um 19.00 Uhr hier noch einen Termin.“
„Ok, dann weiß ich Bescheid.“

Gaby ging zum Schreibtisch von Frau Brandt.
„Frau Brandt, ich habe heute Morgen mein Angebot von Herrn Farmsen nicht erhalten. Haben Sie das gestern nicht geschafft?“
Gaby versuchte eine freundliche, unbeteiligte Stimme zu behalten, innerlich jedoch kochte sie vor Wut. Gaby hoffte, dass Frau Brandt es wenigstens auf ihrem Schreibtisch hatte.
„Ähhhm, nein Frau Moser, tut mir leid! Ich mache das sofort fertig.“
„Nicht nötig, Frau Brandt. ICH habe das Angebot selber ausgerechnet, ich werde es gleich zu Herrn Farmsen bringen und dann in die Vertriebsdirektion fahren. Wir zwei werden uns morgen Mittag  UNTERHALTEN! Ihre Mittagspause ist morgen gestrichen!“
Gaby war auf 180. Dieses kleine Miststück, seit Monaten trödelte sie auf der Arbeit rum, kam mit Anfragen nicht hinterher. Briefe dauerten Tage bis sie in ihrer Unterschriftenmappe lagen. So ging das echt nicht weiter. Gaby musste dem ganzem einen Riegel vorschieben und dazu würde sie morgen mit ihrem „vergesslichen“ Vorzimmerdämchen ein ernsthaftes Gespräch führen. Vielleicht begriff Frau Brandt dann den Ernst der Lage.

Mist, verfluchter Mist, morgen keine Mittagspause! Stattdessen ein Gespräch mit Frau Moser, na wenn das die gleichen Gespräche wie mit ihm werden, na Mahlzeit. Obwohl der Typ ist sie nicht, sie würde niemals auf diese Art ein Gespräch führen. NIEMALS! Obwohl ihre Stimme hatte teilweise denselben Klang. Aber wer weiß, vielleicht kam sie ja mit einer Abmahnung davon. Die einfache Ermahnung würde es garantiert nicht geben. Da war sich Valerie sicher. Und irgendwie bekam sie Angst, denn sollte ER herausfinden, dass ihr Job in Gefahr war. Auweia. Daran mochte sie gar nicht denken.

Während Frau Brandt in ihren Gedanken hing, fuhr Gaby auf direktem Weg in die Uni von
Dr. Farmsen. Sie hatte ihm ein Angebot für seine Anwartschaft als Beamter ausgerechnet. Lange hatte er darauf hin gearbeitet seinen Job als angestellter Universitätslehrer in eine Beamtenstelle umwandeln zu können. Dieses Projekt hatte er schon verfolgt als er und Gaby zusammen kamen.  Und das war vor 2 ½ Jahren.  Sie fuhr zügig, sie wollte nicht zu spät kommen. Sie musste etwas Zeit raus schinden, denn die Fahrt in die Vertriebsdirektion würde auch eine halbe Stunde dauern.  Sie fuhr schneller und schon war es passiert. ZACK!!!!!! Das rote Licht erwischte sie voll.
„Fuck, so ein verdammter Fuck!“
Wütend schlug sie gegen das Lenkrad ihres Firmenwagens. Parkte ihren Wagen auf einem Parkplatz neben der Uni und ging Richtung Büro von Dr. Farmsen. Zielsicher suchte sie die einzelnen Gänge ab. Wie oft hatten sie sich hier getroffen wie oft waren sie dann in irgendwelchen Gängen verschwunden. Aber nein, das war Vergangenheit. Sie lebte im hier und jetzt. Sie baute sich ein neues Leben auf. Ein Leben, in dem sie auf eigenen Füssen stand. Ein Leben, in dem sie nie wieder abhängig sein würde, von irgendwem. Kein Ralf Moser, kein Dr. Stephan Farmsen, keine Kassandra Heinze. Nein. Sie würde sich nie wieder abhängig machen von einem Menschen. Also schnell das Angebot abgeben und dann ab in die Stadt zur Vertriebsdirektion. Zielsicher suchte sie die Türen ab. Wo war denn nur Zimmer 5. Ah, da. Sie klopfte kurz an und ging dann hinein. Ihr Ex saß gerade mit einem dunkelhaarigen, gutaussehenden Mann zusammen und beide stoppten die Unterredung sofort als Gaby den Raum betrat.
„Hallo, Gaby. Was verschafft mir die Ehre deines Besuches?“
„Hallo Stephan, ich hatte dir doch das Angebot zugesichert. Nun, hier ist es. Lass uns die Tage telefonieren. Wenn du Fragen hast ruf mich einfach an. Du hast ja meine Handynr.“
„Äh ja, mach ich, du….“
Schon unterbrach sie ihm das Wort. Das hatte sie früher schon gemacht und es störte ihn damals wie heute. Was fiel ihr ein, das war grob unhöflich.
„Sorry Stephan, ich bin in Eile ich hab gleich ein Treffen mit meinem Chef und der war alles andere als gut drauf.“
„Ok, ich ruf dich dann morgen an. Und……“
Den Rest des Satzes hörte Gaby schon nicht mehr, denn sie war aus dem Raum raus und rannte wieder Richtung Auto, von weitem sah sie schon das Unglück, eine Politesse schrieb ihr gerade ein Ticket.
„Verfluchte Scheiße!!!! Fuck, Fuck!!! Der Tag ist echt…..“
Mehr Kraftausdrücke fielen ihr gerade nicht ein und zum Glück war die Politesse schon weg als Gaby am Auto ankam. Toll wieder 5 € für Falschparken. Sie konnte mit den Tickets bald die Wände tapezieren.
Schnell stieg sie ein, schmiss das Ticket auf den Beifahrersitz und fuhr los. Zum Glück war die Autobahn frei und sie konnte zügig durchfahren. 10 Minuten vor der Zeit war sie in der Vertriebsdirektion, sie stieg in den Fahrstuhl, fuhr in den ersten Stock und bevor sie ausstieg atmete sie noch mal durch. Verdammt sie war nervös, aber hier musste sie durch, es ging um ihre Existenz.
Gaby betrat das Büro des Vertriebsdirektors, Rüdiger Franzen. Wie zu erwarten saß da wieder eine seine Vorzimmerdamen und manikürte sich die Nägel. Blondierte Haare und künstliche, lange Nägel. Rüdiger Franzen hatte noch nie einen stilsicheren Geschmack was Frauen betraf. Erst Recht was sein Vorzimmer betraf. Daher hatte Gaby auch darauf bestanden sich ihre Vorzimmerdame selber aussuchen zu dürfen. Sie hatte sich gegen das Alphatier durchgesetzt. Sie hatte zwar schwer ackern müssen um ihn mit Zahlen zu überzeugen. Aber am Schluss hatte sie ihn mit Zahlen und weiblichen Charme überzeugt.
„Ich habe einen Termin bei Herrn Franzen!“
„Ja Frau Moser, sie werden bereits erwartet.“