Donnerstag, 25. April 2013

Gaby wartet im Park - Kapitel 2

Gaby saß am Schreibtisch ihres Büros Sie starrte auf das Angebot und die Policen von BVG. Kassandra hatte ihr alles mitgegeben. Sie staunte nicht schlecht, das Angebot des Mutterkonzerns der BVG war genau 30% günstiger als das, welches sie hätte machen können. Da hatte doch jemand Sonderrabatte eingeräumt. Aber wie zum Teufel war er an die Daten gekommen. Kassandra hatte die Anfrage hier direkt im Büro gestellt. Gaby  drückte den Knopf auf der Gegensprechanlage.
„Frau Brandt, bitte kommen Sie doch mal her.“
„Jawohl Frau Moser.“
Valerie Brandt trat ein. Wie immer war die zierliche, junge Frau in einem fast schon zu sexy Outfit im Büro unterwegs. Gaby fand ihren schwarzen, knielangen Rock und ihre dazugehörigen roten Bluse mit ziemlich weitem Ausschnitt schon beinahe etwas zu provokant. Erst recht, weil Valerie Brandt wieder einmal ihre langen, gelockten, braunen Haare hochgesteckt hatte und damit den Blick auf ihren Hals freigab. Welcher Mann konnte dieser Anfang  zwanzigjährigen mit ihren rehbraunen Augen dann noch widerstehen. Nein, das war eindeutig zu viel Sex Appeal in diesem Büro. Gaby räusperte sich.
„Frau Brandt, können sie sich erinnern wann diese Anfrage bei uns reinkam?“
Gaby zeigte ihr eine Kopie der Anfrage von Kassandra. Kassandra hatte ihr alles mitgegeben inklusive der ausgefüllten Antragsformulare.
„Nein Frau Moser, ich habe diese Unterlagen noch nie gesehen.“
Valerie Brandt musste schlucken, ihr wurde auf einmal warm. Wie zum Teufel kam sie nur an diese Unterlagen. Sie hatte sie doch direkt weitergeleitet. Genau laut Anweisung gehandelt. Wieso passierte denn das gerade? Hatte er ihr nicht versprochen für alles weitere zu sorgen.
„Ich weiß nicht, ich kann mich nicht erinnern, Frau Moser.“
Unsicherheit schwang in ihrer Stimme mit. Sehr große Unsicherheit, Gaby musterte Frau Brandt von der Seite. War da ein leichtes Zittern zu bemerken? Wovor hatte Frau Brandt Angst.
„Danke Frau Brandt, das wäre dann alles.“
„Frau Moser denken Sie bitte daran, in einer Stunde ist der Besprechungstermin mit ihren Agenturleitern.“
„Ja, danke. Sind denn alle da?“
„Nein, nur Herr Fallner und Herr Bierkner. Die anderen sind zur Zeit auf einer Schulung in Bremen und die hat, laut Dienstanweisung 18 b., Vorrang.“
„Ja, ich weiß, danke das Sie mich daran erinnern.“

Verdammt, diese Schulung über die neuen Berufsgruppen bei der Berufsunfähigkeitsversicherung und die der neue SBU-Tarif, die hatte sie ja vollkommen vergessen.

„Bringen Sie die beiden bitte ins Konferenzzimmer ich bin in 20 Minuten da.“

Gaby Moser raffte sich auf. Ihr war bewusst, dass irgendwer in ihrer Direktion ein falsches Spiel trieb. Kassandra hätte sie nie angelogen, nicht nach gestern. Kassandra hatte versucht wieder Kontakt auf zu bauen. Daher das Gespräch in der Bar. Wahrscheinlich dachte sie wirklich, dass Gaby nichts mehr mit ihr zu tun haben wollte und deswegen hat sie das Angebot nicht bearbeitet. Gaby musste rausfinden wer hier so ein falsches Spiel treibt. Nun da die Hälfte der freien Mitarbeiter auf einer Schulung waren bleiben ihr nur ihr Stellvertreter, Hauptagenturleiter Peter Fallner. Der Mann, welcher auf Grund von schlechten Umsatzzahlen in den letzten 3 Jahren den Posten des Organisationsleiters abgeben musste. Immerhin 10.000,- € weniger Verdienst, durch niedrigere Courtagehöhen und Verlust von Sonderzahlungen und seine rechte Hand Markus Bierkner.
„Na gut, dann werde ich mir die beiden mal vornehmen!“, dachte sie sich und ging rüber ins Konferenzzimmer.
Am Tisch saßen Peter Fallner, ein Mann um die 40 Jahre, mit blauen Augen und hellbraunen Haaren. Die  Haare waren in einem altmodischen Kurzhaarschnitt gezwängt. Auf seinem Gesicht ließen sich die Jahre an Hand einiger Sorgenfalten im Stirnbereich sehr deutlich ablesen. Dieser Mann hat schon einiges erlebt. Dinge, die er vielleicht gerne vergessen würde. Aber er lebte weiter und er lebte mit diesen Dingen.
Neben ihm saß seine linke Hand. Markus Bierkner, seines Zeichens Agenturleiter und der Mann, der in den letzten 5 Jahren die besten Verkaufszahlen lieferte, welche Gaby seit ihrer Ausbildung gesehen hatte. Als Gaby das Konferenzzimmer betrat ging seine linke Hand gerade durch seine etwas längeren dunkelbraunen Haare. Dabei musterten seine grünblauen Augen sie auffällig. Gaby fühlte sich in seiner Nähe nicht wohl. Sie wusste nicht warum. Aber irgendwas hatte noch nie an diesem Mann gestimmt.

Gaby setzte sich an ihren Platz und schaute die beiden Männer an.
„Hallo Herr Fallner, hallo Herr Bierkner? Schön dass sie kommen konnten.“
„Hallo Frau Moser, nun ja, Frau Brandt ließ eigentlich keine Wahl.“ Dabei zwinkerte er ihr zu.
„Ja, Herr Fallner, wäre die Schulung nicht, dann würden nun alle Bezirksdirektionsangehörigen hier sitzen.“
Ihr Ton klang gerade eiskalt. Sie war auf der Geschäftsebene angekommen und auf dieser Ebene duldete sie keinen Menschen neben sich. Da hatte sie die absolute Kontrolle.

„Herr Fallner, Herr Bierkner. Ich hab sie hergerufen, weil wir die neusten Stornozahlen vorliegen haben. Irgendwer bricht in unser Revier ein. Wir haben Stornozahlen die liegen bei 25 %!“

Bierkner pfiff durch die Zähne.

„Autsch, da läuft was gewaltig aus dem Ruder, Frau Moser.“, zu mehr ließ sich die linke Hand von Peter Fallner nicht aus.
„Ja, Herr Bierkner, da läuft was gewaltig aus dem Ruder. Und ich möchte mit ihrer Hilfe ein paar Antworten finden. Vielleicht doch ganz gut dass der Rest der Mannschaft auf Schulung ist.“
„Und welche Fragen haben Sie, Frau Moser?“, Peter Fallner versuchte sich wieder in das Gespräch einzubinden, bevor seine linke Hand zu viel verbocken konnte. Denn er wusste, dass er sich mit Frau Moser nicht wirklich grün war.
„Zum Beispiel interessiert mich die Frage, wie jemand an unsere Bestandskundenaddressen kommt. Abgesehen davon, dass hier ein schwerwiegender Fall von Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz vorliegt. Sind ein Großteil unserer Stornos darauf zurückzuführen, dass Kündigungshilfen aus der Konkurrenz vorlagen.“
„Hm, und wie sollen wir das anstellen?“, Markus Bierkner warf diese für ihn berechtigte Frage ein.
„Ganz einfach, ich möchte von Ihnen wissen, wenn sie mitbekommen, dass jemand in ihren Beständen wildert. Ich möchte wissen, wenn einer ihrer Kollegen auf einmal bei IHREM Kunden saß. Ich möchte wissen wenn Ihnen etwas Ungewöhnliches auffällt. Kurz ich möchte, dass sie die Augen aufhalten.“
„Machen wir Frau Moser, sie können auf uns zählen.“, wieder versuchte Peter Fallner seine linke Hand aus der Gesprächslinie mit Gaby zu ziehen.
„Ich danke Ihnen.“
Die drei führten das Gespräch mit Smalltalk weiter, als Frau Brandt reinkam. Sofort musterte Markus Bierkner die junge Frau. Aber sein Blick wandte sich schnell wieder ab. Er schien kein Interesse an ihr zu haben.
„Frau Moser, sie haben Besuch.“, Valerie Brand, schaute fragend zu Gaby rüber.
„Frau Brandt, ich hatte doch gebeten, dass heute Morgen KEINE Termine gegeben werden!“
„Ich weiß, allerdings ließ sich Herr Dr. Farmsen nicht abweisen. Er meinte, so Zitat:“Wenn meine Ex schon für mich als Privatmensch keine Zeit hat, dann soll sie sich jetzt wenigstens die Zeit für mich als ihren Kunden nehmen.“
„Waren das seine Originalworte?“
„Ja Frau Brandt!“
„Ok, ich bin sofort da.“
In Gabys Worten schwang eine gehörige Portion Groll mit. Ja es stimmte, sie hatte den blonden Dr. Stephan Farmsen, seines Zeichens Dozent für Physik an der Universität, als Kundenkontakt kennen gelernt. Und ja es stimmte, die beiden waren einmal ein Paar gewesen. Aber deswegen hatte er nicht das Recht, so mit ihr zu reden. Sie war sauer. In ihr kochte es gerade.

„Soll ich Ihnen den Kunden abnehmen, Frau Moser?“, Peter Fallner war sofort aufgefallen, dass seine Chefin gerade eine Laune hatte, welche mindestens einer Eiszeit glich. Ich meine, wenn zwischen Ihnen beiden mal mehr war, dann kann es jetzt zu Komplikationen kommen. Immerhin scheint Dr. Farmsen gerade sehr….“
„Angepisst zu sein!“, vollendete Markus Bierkner den Satz seines Vorredners.
„Nein, nicht nötig, ich kläre das schon selber mit ihm.“


Abends gegen 22:00 Uhr, Gaby parkte ihren Firmenwagen, den schwarzen Mercedes A-Klasse mit der Aufschrift „Zenturion - Bei uns sind sie gut versichert!“, auf dem Parkplatz ihrer Lieblingsbar. Ein wenig abschalten würde ihr ganz gut tun. Das Gespräch mit Stephan war alles andere als berauschend gewesen. Er hatte ihr vorgeworfen, sie abschieben zu wollen. Die Freundschaft beenden zu wollen. Es dauerte bis sie rausfand, was er überhaupt meinte. Genau wie Kassandra hatte er ein Angebot von der BVG bekommen. Eines das genau seinem bisherigen Versicherungsschutz entsprach. Gaby war deprimiert. Irgendwer wollte ihr doch tatsächlich ihre Direktion kaputt machen. Ihre Existenz vernichten?
„Martin, gib mir bitte ein Bier.“
Der Barkeeper brachte schnell gewünschte ein Bier der Marke Jever. Schnell nahm Gaby einen großen Zug und setzte es dann auf dem Tresen ab. Sie mochte den Laden. Das „Edinburgh“ war eigentlich eine kleine Bar mit diversen ausgesuchten Whiskey-Sorten und ein paar wenigen Biersorten. Unter anderem das Jever, welches sie nach einem harten Arbeitstag so liebte.
Zwei Züge weiter und das Bier war leer.
„Hey Martin, noch mal dasselbe, s´il vous plait!“
Kurze Zeit später brachte der Barkeeper das Gewünschte. Wieder setzte sie an und trank einen großen Schluck.
„Na, na, na junge Dame. In dem Tempo sind sie aber schnell betrunken und auf alle Fälle nicht mehr fahrtauglich.“
Neben sie setzte sich ein etwa 40jähriger Mann, mit halblangen hellbraunen Haaren und sonnengebräunter Haut. Seine Stimme hatte eindeutig einen Akzent, entweder war er Engländer oder Amerikaner.
„Hören Sie, ich hab keinen Bock darauf, von Ihnen kontrolliert zu werden, Mister.“
„Und dennoch sage ich als Arzt, dass sie nicht mehr fahrtauglich sind und besser ihre Schlüssel beim Barkeeper abgeben. Oder wenn es Ihnen lieber ist, bei mir!“
In diesem Moment bekam seine Stimme einen bedrohlichen Unterton, er wollte in diesem Moment keinen Widerspruch zulassen.
„Hören Sie mal genau zu!“
Gaby tippte mit ihrem Zeigefinger auf den Stoff seiner hellblauen Jeansjacke. Sie war mittlerweile wirklich sauer. Was mischte sich dieser Idiot in ihr Leben ein? Ungefragt und ohne, dass sie ihn kannte. Das war IHR Leben und so verkorkst wie es auch im Moment war, er hatte KEIN Recht sich da ein zu mischen.

Ihr Gegenüber, Dr. Angus McAllister, begann sich mittlerweile auch auf zu regen. Was bildete sich diese zugegebenermaßen hübsche, blonde Frau mit ihren smaragdgrünen Augen eigentlich ein? Er war doch nur um ihre Sicherheit besorgt. Und sie führte sich auf wie eine Furie.
„Hören Sie, Lady, ich wollte nur nicht, dass Sie in Probleme mit den Behörden kommen, denn wie es aussieht brauchen Sie ihren Führerschein noch eine Weile.“
Bei dieser Aussage deutete er auf ihren Firmenwagen.
„Ah, wusste gar nicht, dass ich neuerdings von Amerikanern gestalkt werde. Noch dazu von so einer Nervensäge.“
„Hören Sie, Lady, Sie sind gerade mehr als nur unhöflich.“
„Nein, Sie sind unhöflich, Sie dringen gerade ungefragt in mein Leben ein.“
„Ok, dann werde ich jetzt gehen. Aber bei unserem nächsten Treffen wird Ihr Verhalten Konsequenzen haben, LADY!“
Angus McAllister betonte die Lady auf eine Art, welche Gaby einen Schauer über den Rücken fahren ließ. Woher kam dieser Mann, wieso nahm er sich so etwas heraus? Was bildete er sich überhaupt ein?

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