Sonntag, 27. November 2011

Neue Geschichte

Hallo liebe Leser,

ich habe hier mal meinen Creativen Wahnsinn ausgelebt. Vielleicht gefällt Euch ja meine neue Fassung von Bravestarr.




Alle öffentlich erkennbaren Charakteren, Settings, etc. gehören den entsprechenden Besitzern. Die Original-Charakteren und Plots gehören dem Autor. Der Autor ist nicht mit den Besitzern, ErschafferInnen oder Produzenten irgendeiner Medien Franchise assoziiert.Es wird kein Geld mit diesen Arbeiten gemacht. Es sind keine Copyright-Verletzungen beabsichtigt.
Prolog

Für viele ist New Texas, einfach nur ein Wüstenplanet. Für mich ist er meine Heimat. Und ich möchte Euch berichten von den Menschen die meine Heimat lebenswert machten. Von den Menschen welche mir die Chance gaben ein erfülltes Leben zu haben. Ich möchte Euch von meinem Leben berichten, von meinen Freunden, von meinem Leid, aber auch von meiner Freunde.
Wer ich bin?
Mein Name ist Shaman, ich bin der letzte Schamane des Volkes der New Cheyenne, welches vor langer Zeit hier auf diesem Planeten lebte. Als wir hier ankamen lernten wir in Frieden mit dem hier lebenden Bewohnern zu leben. Die Wüstenwalrösser wurden unsere Nachbarn, das Volk der Schlangen wurde unser Begleiter auf manchen Reisen, die Präriewesen standen uns näher als viele andere.  Sie waren wie hilfsbereiten Nachbarn, die Spassvögel. So lebten wir viele Jahre bis das Zeitalter der Drachen kam. Ihr Anführer ein gewisser Stampede, wusste um die Macht des einzigen Bodensschatzes auf diesem Planeten, Kerium. Und er wollte es, er wollte das Feuer, welches uns Schamanen des Volkes der New Cheyenne die Macht der Magie verleiht. Er wollte das Keriumfeuer.
Ich werde Euer Führer sein, durch diese Welt, welche ich meine Heimat nenne und Euer Bürge bei allen Wesen, welche ich meine Freunde nenne.

Euer Schaman
  
Kapitel 1 Drei Sonnen sind verdammt heiss

Es war schon weit nach High Noon, und es war brütend heiss. Aber der Fussmarsch in Richtung Badlands (Eine unwirkliche lavawüstenartige Landschaft, in der sich nur die Schurken dieses Planeten wirklich wohl fühlen.) war weitaus angenehmer als das was er seit ein paar Stunden hinter sich hatte. Und so schleppte sich eine hagere Gestalt, wieder  zurück in den Schrotthaufen den seine Gang Heimat nannte. Für Ihn war er nur ein Ort der Qual. Immer wieder musste er diesem Ungeheuer von Semi-Drachen gegenüber treten und immer wieder bewies er das er in der Lage war Ihn zu zerstören und neu zu erschaffen oder ihn leiden zu lassen wie heute wieder. Zugegeben, es war kein reiner Sadismus, er hatte den Überfall versaut, na ja nicht er alleine eher seine Gang. Aber das war dem Scheusal von Semidrachen egal, seine Leute bauen Mist und er muss dafür gerade stehen. Aber das war er ja schon gewohnt, vor jeder Aktion bereitete er  sich seelisch drauf vor, das Stampede seine Wut danach an ihm auslassen würde. Das war auch der Grund warum man auf New Texas so selten Überfälle von ihm von Tex Hex mitbekam, irgendwo brauchte er wirklich die Erholung, nicht von den Anstrengungen des Überfalles, oder was auch immer. Nein die Erholung von Stampede´s sadistischen Strafaktionen. Denn sadistisch waren sie wirklich.(... mehr)

Sonntag, 20. November 2011

gabrielle´s Tagebuch -- Kapitel 15 Im Reich des Morpheus

gabrielle´s Tagebücher - Prolog und Kapitel 1 Gefürchtete Kriegerin
gabrielle´s Tagebuch -Kapitel 2 Eine Kriegerin beschützt mich
gabrielle´s Tagebuch - Kaptiel 3 Eine Reise in die Heimat
gabrielle´s Tagebuch - Kapitel 4 Die Macht der Gedanken
gabrielle´s Tagebuch - Kapitel 5 Fallende Masken
gabrielle´s Tagebuch - Kapitel 6 Ein Alptraum beginnt
gabrielle´s Tagebuch - Kapitel 7 Die Reise geht weiter
gabrielle´s Tagebuch - Kapitel 8 Ankunft in Amphipolis
gabrielle´s Tagebuch - Kapitel 9 Der Morgen danach
gabrielle´s Tagebuch - Kapitel 10 Das Frühstück
gabrielle´s Tagebuch - Kapitel 11 Schmerzliche Klarheiten  
gabrielle´s Tagebuch - Kapitel 12 Die Belagerung
gabrielle´s Tagebuch- Kapitel 13 Gegenseitiges Verletzen 
gabrielle´s Tagebuch- Kapitel 14 Der Kampf 

Kapitel 15 Im Reich des Morpheus

Ich werde wach und stehe auf. Mir brummt leicht der Schädel, ich gehe daher direkt zum Waschtisch und mache mich etwas frisch. Hoffentlich wirkt das Wasser, denke ich bei mir. Danach gehe ich nach unten suche nach Xena, nach Ares. Komisch keiner zu sehen. Und die Ruhe die hier ist. Was ist los. Irgendwas stimmt doch hier nicht. Im nächsten Moment merke ich auch schon was los ist. Ich bin nicht wach, ich bin immer noch in meiner Traumwelt, in Morpheus Reich. Ich versuche mich an unser letztes Abenteuer in Morpheus Reich zu erinnern.

Doch mir fällt einfach nichts ein, Xena hat mir nie verraten wie sie die Reise durch Morpheus Reich bestanden hat. Also beginne ich spazieren zu gehen. Doch aus irgendeinem Grund komme ich immer wieder an der Taverne von Cyrene an. Gefrustet gehe ich wieder rein und da steht ausgerechnet Hera vor mir. Ich schaue sie an, direkt ins Gesicht.
„Was willst Du von mir Hera?“
„gabrielle, was wird die Mutter des Kriegsgottes und die Göttin des Herdfeuers wohl von Dir wollen?“
„Meinen Tod? Oder warum belagerst Du Amphipolis?“
„Was sollte mir an deinem Tod liegen liebe gabrielle?“
„Na dann bist Du mich los, und dein Sohn wird vielleicht wieder normal. Mit Sterblichen hat er ja nicht wirklich Glück.“
„Ares ist mein Sohn nicht mein Mann. Und wenn mein Sohn sein Glück bei einer Sterblichen findet dann ist es seine Sache.“
„Eine Hera? So wie es aussieht bildet er sich ein es bei zweien gefunden zu haben.“
„Dann kuriere Ihn von dem Gedanken und Du wirst sehen, das sich Eure Probleme ganz von selber lösen werden.“
Hera verschwindet und ich werde wieder müde.
Im Traum erscheint mir Xena, genau wie damals auch. Sie fängt an mit mir zu reden.
„gabrielle, komm wieder zurück zu mir. Ich brauche Dich.“
Dann sehe ich Ares neben ihr stehen. Er sagt kein Wort, aber er hat wieder diesen traurigen Blick. Er wirkt als wenn er trauert. Er sagt kein Wort, er steht nur da und mir klingen Xena´s Worte immer noch in den Ohren. „Ich brauche Dich.“ Ich, sie sagte ich, und Ares stand daneben und sagte nichts. Nein, er steht nur daneben und schaut mich an. Dann nimmt er Xena in die Arme er hält sie einfach nur in den Armen. Keine Annährung, nichts erotisches, kein Sex. Nein, er hält sie in den Armen, so wie ein Mann seine Frau in den Armen hält um sie zu trösten. Ich erkenne so viel Gefühl in diesem Mann. Er ist mehr als nur der Gott des Krieges. Kurz darauf wird es wieder Nacht um mich.

Als ich wieder aufwache, sehe ich die beiden wieder vor mir am Bett sitzen. Sie schauen besorgt aus.
„Hey ihr 2 ich lebe noch, nun schaut nicht so geknickt.“
„Ja, gabrielle Du lebst.“
Ares reicht mir einen Kelch, der Inhalt riecht nicht gerade verführerisch.
„Bitte gabrielle, trink den Kelch aus.“, die Art wie er es sag bringt mich dazu den Kelch in einem Zuge zu leeren.
„Hm, irgendwie könnte ich mich daran gewöhnen Euch beide so nah um mich zu haben. Ähm wie lange war ich eigentlich weg?“
„2 Tage und 2 Nächte, liebes.“
„Ihr wart die ganze Zeit bei mir?“
„Ja!“
Ares schaut mich an:“Wir haben abwechselnd an deinem Bett gewacht, als Aphrodite begriff, welchen perfiden Plan unsere Mutter ausgeheckt hatte.“
„Ich muss mich unbedingt bei ihr bedanken.“
Ares: „Das kannst Du später machen, schlaf erst mal, das Gift muss aus deinem Körper.“
„Xena, bitte ich will Euch helfen.“
Ich versuche auf zu stehen. Doch ein Blick von Ihr, nein kein Blick ein Kopfschütteln  und ich bleibe liegen. Ich sehe wie ihre Hand die seine sucht, er fasst ihre Hand drückt sie kurz und hält sie einfach fest. Ich schliesse die Augen will es einfach nicht sehen, nicht wahrhaben.(...mehr)

Dienstag, 15. November 2011

gabrielle´s Tagebuch -- Kapitel 14 Der Kampf

gabrielle´s Tagebücher - Prolog und Kapitel 1 Gefürchtete Kriegerin
gabrielle´s Tagebuch -Kapitel 2 Eine Kriegerin beschützt mich
gabrielle´s Tagebuch - Kaptiel 3 Eine Reise in die Heimat
gabrielle´s Tagebuch - Kapitel 4 Die Macht der Gedanken
gabrielle´s Tagebuch - Kapitel 5 Fallende Masken
gabrielle´s Tagebuch - Kapitel 6 Ein Alptraum beginnt
gabrielle´s Tagebuch - Kapitel 7 Die Reise geht weiter
gabrielle´s Tagebuch - Kapitel 8 Ankunft in Amphipolis
gabrielle´s Tagebuch - Kapitel 9 Der Morgen danach
gabrielle´s Tagebuch - Kapitel 10 Das Frühstück
gabrielle´s Tagebuch - Kapitel 11 Schmerzliche Klarheiten  
gabrielle´s Tagebuch - Kapitel 12 Die Belagerung
gabrielle´s Tagebuch- Kapitel 13 Gegenseitiges Verletzen



Hier stehe ich nun, die Heimatstadt meiner Xena, meiner geliebten wird von den Göttern des Olymp belagert, nein nicht von allen, Aphrodite und Ares stehen auf unserer Seite. Und ausgerechnet der Kriegsgott macht mir eine Liebeserklärung, mir und Xena. Als wenn eine nicht schon verrückt wäre, nein er macht es bei uns beiden. Wir stehen hier am Belagerungswall Xena, Ares und ich, ich frage mich, immer wieder wieso.
Irgendwann reisst mich der Kriegsschrei Xena´s aus meinen Gedanken. Die Armee von Geronides greift an. Amphipolis Bürger schiessen ihre Pfeile ab, ich wehre 2 Angreifer ab und kann aus den Augenwinkeln beobachten wie Ares Blitze verschiesst, als wäre er sein Vater. Er steht loyal an unserer Seite, etwas was ich seit der Schlacht um Darhak und meine Tochter Hope nicht mehr erwartet hatte.
Whooosh! Ich war zu sehr in Gedanken, und ich hab mir die Faust eines gegnerischen Soldaten eingefangen. 2 Sekunden später liegt er bereits von meinem Kampfstab niedergestreckt auf dem Boden. Dann bemerke ich auf einmal, wie auf der anderen Seite schwere Katapulte aufgefahren werden.  Ich beginne mich nach vorne zu arbeiten, will sehen ob ich die Katapulte sabotieren kann. Da höre ich Ares Stimme, wie damals in der Küche.
„gabrielle, komm zurück. Wir haben bereits einen Plan.“
Ich denke mir, toll und mich weiht mal wieder keiner ein. Doch ich kehre wieder um. Nicht ohne fest zu stellen, das die Katapulte alle das Siegel des Hephaistos tragen. Geweihte Waffen, unzerstörbar durch einen Gott. Ausser mit einer anderen geweihten Waffe, und selbst dann wäre das ein Selbstmordkommando. Auf

Samstag, 12. November 2011

Lost Soul Walking

Hallo liebe Leser, 
diesmal keine eigene Geschichte. Sondern eine die in mir soviele Spuren hinterlassen hat, das ich Sie hier einfach für Euch wiedergeben musste.
Summary:
Xena und Gabrielle in einer weiteren Reinkarnation. Ist es schon wieder zu spät für Gabrielle, Xena zu retten?

Categories: Uebersetzungen, Drama Characters: Eigene Charaktere, Götter, Xena & Gabrielle
Genres: Alt
Warnings: Leichter Subtext
Challenges: Keine
Series: Keine
Chapters: 8 Completed: Ja Word count: 16345 Read: 1893 Published: 21/07/10 Updated: 21/07/10
Story Notes:
Disclaimer: Die Charaktere von Xena und Gabrielle gehören Renaissance Pictures. Keine Copyrightverletzung ist beabsichtigt. Diese Geschichte verfolgt keine kommerziellen Zwecke. Wenn ihr sie auf eine Website posten wollt oder zur öffentlichen Nutzung drucken wollt, dann fragt zunächst nach meiner Erlaubnis. Das Drucken dieser Geschichte zu persönlichen Zwecken, fasse ich als Kompliment auf – macht ruhig damit weiter.
Kategorie: Bitte nehmt zur Kenntnis, dass es sich hier NICHT um eine Uberstory handelt – auch wenn sie so anzufangen scheint. Lest sie und ihr werdet verstehen, warum.
Subtext: Dies ist eine "Alternative" Xena FF. Die Geschichte schildert zwei Frauen, die sich lieben und das schon seit Jahrhunderten. Vielleicht finden wir alle mal so etwas, in welcher Form auch immer es zu uns kommen möge.
Ich hoffe, euch erfreut es!
Kommentare können per e-Mail gesendet werden an: DJWP (Lost Bard)
1. 6 Tage zuvor by DJWP
2. 5 Tage zuvor by DJWP
3. 2 Tage zuvor by DJWP
4. Am Tag zuvor by DJWP
5. Vor Morgengrauen by DJWP
6. Im Morgengrauen by DJWP
7. 6 Uhr by DJWP
8. Eine Lebensspanne später by DJWP
6 Tage zuvor by DJWP
Author's Notes:
(Übersetzung von finonomene)
Lost Soul Walking
Von DJWP


SECHS TAGE ZUVOR…

"Alle, die ihr hier eintretet, lasst eure Hoffnungen hinter euch." Dachte Gayle Bardo, während sie der Gefängniswache entlang des abgeschlossenen Ganges folgte, der in einem Grau gestrichen war, das an einen Regentag gemahnte und sich ebenso schwer auf die Seele zu legen schien.

Hier gab es nichts zu sehen, außer dem Rücken der Wache und nichts zu hören außer dem Klang der Schritte und dem Scheppern des Tores, das sich hinter ihnen schloss. Sie war auf dem Weg und von hier aus gab es kein Zurück mehr. Das Projekt war vor über zwei Jahren in Gang gesetzt worden und kam nun zu einem Abschluss, und das war keinen Tag zu früh, denn ihr blieben nur noch ein paar Tage, um ihre Studien zu beenden - das hieß natürlich, wenn das Subjekt sich kooperativ verhielt.

Es war einfach lächerlich, anzunehmen, dass ein paar Tage dafür ausreichend sein könnten. Aber sie mussten einfach reichen.

Gayles Augen verfolgten den Weg eines Leitungsrohres auf der Betonwand, das ihr ebenso durch den ganzen Gang zu folgen schien. Rost war an manchen Stellen durch die graue Farbe gebrochen und in langen Streifen die Wand heruntergelaufen in der Farbe von getrocknetem Blut.

Gayle hatte nicht den geringsten Grund, anzunehmen, dass sich ihr Studienobjekt kooperativ zeigen würde und jede offizielle Stelle, die sie besucht hatte, um ihre Anfrage bestätigen zu lassen, hatte ihr das Gleiche versichert. Um ihr den Wahnsinn dieser Unternehmung noch deutlicher zu machen, hatte man sie zu allem Übel auch noch ausgelacht. Außerdem war ihr Studienobjekt auch noch eine der berüchtigsten Serienmörderinnen, die der Staat jemals gefangen genommen und zum Tode verurteilt hatte.

Die Leitung verschwand in der Wand. Gayles Augen suchten etwas anderes, dem sie folgen könnten, fanden aber nichts als den Rücken der Wache, auf die sie sich konzentrieren konnte. Sie ertappte sich dabei, die Waffe des Officers zu mustern, die Art zu beobachten, wie er sie im Gehen über der Hüfte zurecht rückte und die Gedanken der Psychologin wanderten, wie so oft, zum Objekt ihrer Leidenschaft.

Sandra Groode hatte in den zwei Jahren ihrer Gefangennahme kein einziges Wort gesprochen. Nicht mit einem Geistlichen, nicht mit ihrem Anwalt, noch nicht einmal mit den Fernseh- und Zeitungsreportern, die sie wegen eines Exklusiv-Interviews und dem Versprechen von Ruhm und Ehre verfolgten. Sie hatte seit ihrem Haftbeginn keine Besucher gehabt. Keine Freunde oder Familie, die sie während des Prozesses unterstützt hätten. Augenscheinlich hatte sie überhaupt zu niemandem Kontakt.

Den einzigen Kontakt, den diese Frau während der Verhandlung überhaupt versucht hatte, war der Blick ihrer Augen in die Kameras des Gerichtssaales. Es war dieser starre Blick, der Gayle direkt an der Stelle getroffen hatte, an der sie in diesem Moment stand, erstarrt wie eingefroren, mitten beim Zusammenrühren des Teiges für den Geburtstagskuchen ihrer Schwester. Die Augen der Mörderin hatten Gayles ganze Aufmerksamkeit über alle Meilen durch die Kamera hinweg gefesselt und sie hatte sich dabei ertappt, wie sie offenen Mundes zurückgestarrt hatte und der Teig auf den Boden getropft war.

Alles, was sie in diesem Moment denken konnte, war: Wie kann jemand nur so alleine sein?’ Und dann hörte sich Gayle selber antworten: ‚Du bist nicht allein.’

Sie erinnerte sich daran, wie sie auf den Fernseher gestarrt und sich ungläubig gefragt hatte, woher dieser Gedanke gekommen war. Wie konnte sie überhaupt daran denken, mit solch einer gefährlichen Mörderin zu sympathisieren? Dennoch, irgend etwas war in diesen Augen gewesen.

Was war es nur, was sie in der Tiefe dieser unglaublich fesselnden, blauen Augen gesehen hatte? Es gab Zeugen, die behaupteten, Sandra Goode könne mit einem Blick Menschen hypnotisieren. Andere, die sagten, ihre Stimme könne jemanden dazu bringen, zu töten. Und wieder andere, die aussagten, dass sie mit ihrem Lächeln verführen könne. Und ihr sexueller Appetit war... nun, er war legendär.

Die Presse nannte sie die Inkarnation des Bösen und verlangte ihren Tod. Sie forderten Vergeltung im Namen von Recht und Gerechtigkeit. Am Tag der Urteilsverkündung wurde Sandra Goode, deren Opfer kaum zu zählen waren, zum Tod in der Gaskammer verurteilt.

Es hatte zwei Jahre und verschiedener Petitionen und fehlgeschlagener Versuche, eine Begnadigung zu erlangen, gedauert, bis das endgültige Datum für die Exekution schließlich festgelegt worden war. Zwei Jahre voll legalen Unsinns, bevor die Welt endgültig das Todesurteil vollstreckt sehen würde. Nicht etwa, weil Sandra Goode das Urteil angefochten hätte, sie hatte während der ganzen Verhandlung und der Urteilsverkündung weder ein Wort gesagt, eine Bitte vorgebracht oder ihren Gesichtsausdruck verändert. Noch hatte ihr Ausdruck irgend etwas von ihren Emotionen verraten, als das Urteil dann verkündet worden war. Wenn überhaupt, dann hatte Gayle für einen kurzen Moment Erleichterung über die erstarrten Züge gleiten sehen, als der Richter das Urteil bestätigte.

Die Kamera hatte direkt in Sandra Goodes Gesicht gezoomt, während der Richter das Urteil aushändigte und dieser Blick hatte Gayle gefangen.

Diese Augen, die völlig gefühllos das Urteil für unzählige Morde angenommen hatten, hatten an jenem Tag einen Stachel in Gayles Gedanken gebohrt, der sich zur Besessenheit entwickelt hatte. Die Besessenheit, hinter das Geheimnis dieses Blickes zu gelangen; ein Blick der alle Herzen gefrieren ließ, die es je gewagt hatten ihn zu erwidern, der für Gayle jedoch nichts anderes war, als der Hilfeschrei einer verlorenen Seele, die ihren nun letzten Gang antreten sollte.

Und Gayle Bardo konnte diesen Ruf einfach nicht überhören.

Sie begründete ihre Leidenschaft für diesen Fall mit einer Studie über die Beziehungen zwischen dem Verstand und den Verhaltensmechanismen von Massenmördern. Sie entwickelte es als Profil für die Verwendung im Rechtsgebrauch. Sie nutzte ihr Ansehen und ihren Ruf, um jede nur mögliche Unterstützung zu bekommen. Sie bahnte sich ihren Weg durch alle notwendigen Institutionen. Sie unterschrieb sogar einen Vertrag über die Buchrechte. Sie gab dieser Sache alle nur möglichen Namen, aber all dies hatte nicht wirklich etwas damit zu tun, was für Gayle wirklich zählte, sie musste dieser Frau von Angesicht zu Angesicht gegenüber stehen. Sie musste sich zu ihr setzen und mit dieser verurteilten Mörderin reden. Aus irgendeinem Grunde wusste sie, dass da eine tiefere Geschichte dahinter stecken musste und diese musste sie hören. Irgendwie würde sie diese berüchtigte Frau interviewen, die in den letzten zwei Jahren weder mit jemandem geredet hatte, noch von irgend jemandem gehört oder überhaupt noch von irgendeinem menschlichen Wesen wahrgenommen worden war.

Gayle betrachtete ihre Füße, während sie um die Ecke in einen weiteren Korridor einbog, der sie zu einem weiteren Sicherheitstor und einer weiteren Wache führte. Sie grinste unverbindlich, froh, dass sie ihr bestes Kostüm und ihre hochhackigen Schuhe angezogen hatte. Sie strich sich mit ihren Fingern rasch durch ihr seidiges, langes, rotgoldenes Haar und dann lachte sie über sich. Nach alledem, wen wollte sie denn hier beeindrucken?

Da war ein weiblicher Wachtposten auf der gegenüberliegenden Seite des dicken, grauen Metalltores. Gayle war im Begriff, den Todestrakt zu betreten und diese Frau war offensichtlich die Hauptwache dieses Teils des Frauengefängnisses. Ihre derzeitige Eskorte übergab der Frau die Papiere durch einen Sicherheitsglaskasten und sie warteten, während die Gefängnisaufseherin die Dokumente überprüfte.

Der weibliche Officer schaute ungläubig auf. "Sie sind hier, um Sandra zu sehen?"

"Ja," antwortete Gayle schlicht.

Die Hauptwache begann zu kichern. "Und was wollen Sie tun, wenn Sie sie sehen?"

"Mir ihr reden."

Ihr Begleiter rollte mit den Augen und sah seine Kollegin an. "Glaubst du das?" Die Frau schaute noch einmal von ihren Dokumenten auf und wandte sich dann an die Psychologin. "Hören Sie, Schätzchen, Sandra hat mit niemandem geredet in den zwei Jahren, die sie hier ist. Noch nicht mal mit mir. Wieso glauben Sie, sie würde mit Ihnen reden?"

"Was lässt Sie denn glauben, Sie würde es nicht tun?" konterte Gayle, die weder die Einmischung der Wache in ihre Angelegenheiten noch deren Erlaubnis jetzt wollte oder gebrauchen konnte.

Die Frau hob die Augenbrauen. "Nun, Sie haben die notwendigen Zustimmungen, also kann ich Sie nicht aufhalten... aber Sie verschwenden Ihre Zeit." Die Frau begann das Tor aufzuschließen. "Diese arme Frau hat nur noch ein paar Tage zu leben. Ich wünschte, ihr alle würdet Sie in Frieden ihre Zeit beenden lassen."

Das Tor öffnete sich rollend und die Wärterin winkte Gayle nach drinnen. "Kommen Sie nur, aber ich denke, Sie haben sich den langen Weg umsonst gemacht."

Gayle trat über die Schwelle und wartete, bis sich das schwere Tor hinter ihr wieder schloss.

"Sie werden gebeten, sich an folgende Regeln zu halten," begann die Frau vorzulesen. "Sie dürfen dem Gefangenen nichts übergeben und nichts von ihm annehmen. Sie dürfen nichts für den Gefangen hereinbringen oder von ihm mit hinausnehmen. Sie dürfen unter gar keinen Umständen den Gefangenen berühren. Sie dürfen die Zelle nicht betreten oder in die Nähe der Gitterstäbe treten."

Die Stimme der Wärterin echote die Wände des Flures entlang, der sie zu den Todeszellen führte. Alle Zellen waren leer bis auf eine und diese erreichten sie sehr schnell.

Endlich führte die Wärterin Gayle vor die letzte am Ende einer langen Reihe leerer Zellen. Sie zeigte auf den Boden, um ihre Aufmerksamkeit auf ihre Füße zu lenken.

"Unter gar keinen Umständen werden Sie diese gelbe Linie überschreiten."

Gayle schaute nach unten und akzeptierte die Linie mit einem Nicken. Dann sah sie auf in die Zelle.

"Sandra," sagte die Wärterin mit einem Lächeln, "du hast Besuch." Die Wärterin berührte Gayles Schulter und begann, sich zu entfernen. "Sie haben fünfzehn Minuten. Ich bin am anderen Ende des Ganges. Rufen Sie, wenn Sie irgend etwas brauchen."

Dann schaute sie Sandra an und drohte mit dem Finger. "Sei nett," warnte sie und ging davon und ließ Gayle allein.

Gayle schaute durch die Gitterstäbe und ertappte sich dabei, dass sie Sandra Goodes Profil anstarrte. Die Frau saß an einem Tisch und las ruhig. Sie fuhr fort zu lesen und machte nicht die geringsten Anstalten aufzusehen, etwas zu kommentieren oder auf andere Weise die Gegenwart ihrer Besucherin zur Kenntnis zu nehmen.

Gayle betrachtete sie für einen Moment schweigend. Bisher konnte die Psychologin nur sagen, dass Sandra recht groß war. Ihr Oberkörper und ihre Beine ließen den Stuhl, auf dem sie saß klein und unbequem erscheinen. Der Gefangenenoverall konnte kaum die athletischen Kräfte ihrer Gliedmaßen verbergen. Sie hatte langes, wundervolles, schwarzes Haar und ihr Profil war aus der Nähe noch attraktiver als im Fernsehen; auch wenn ihr olivfarbener Ton als Tribut für zwei Jahre in einer Gefängniszelle verschwunden war.

Was als unbequemes Schweigen begonnen hatte, wurde nun zunehmend unerträglicher für Gayle. Die Minuten vertickten und die Psychologin musste allmählich irgendwie mit dem Gespräch beginnen.

"Das sieht aus wie Bullfinchs Mythologie. Ich erkenne es am Einband."

Sandra Goode schlug eine Seite um und antwortete nicht.

"Mein Name ist Gayle Bardo und ich bin in der Hoffnung hergekommen, mit Ihnen zu sprechen."

Als Gayle ihren Namen nannte, hielt der schwarzmähnige Kopf kurz inne und hob sich etwas. Das Buch wurde geschlossen und Sandra wandte ihre Augen zum ersten Mal ihrer Besucherin zu.

Gayle fand sich einmal mehr einem Blick gegenüber, den sie nicht deuten konnte.

Sandra schaute Gayle an und studierte sie sorgfältig. Gayle konnte sehen, dass sich die Brust der Frau rasch hob und senkte, ihr Atmen schlug beinahe in ein Stöhnen um. Die junge Psychologin begann, sich Sorgen zu machen über den Ausdruck im Gesicht der wunderschönen Frau; ein Blick voller Hoffnung, schnell fortgewischt von Verzweiflung. Dann wurde der Stuhl zurück geschoben, Sandra stand auf und trat einen Schritt vorwärts. Die Psychologin, die sich an die Gitterstäbe zwischen ihnen erinnerte, zwang sich selber ruhig und entspannt zu bleiben. Sie wollte Sandra nicht die Furcht in ihren Augen oder in ihrer Körpersprache oder was auch immer wahrnehmen lassen.

Die Augen der verurteilten Mörderin schienen weicher zu werden beim Anblick ihrer Besucherin, während sie diese von Kopf bis Fuß musterte, die vollen Lippen verzogen sich beinahe zu einem Lächeln.

Und dann sprach sie.

"Du bist es."

Ihre Stimme war dunkel und kräftig.

Der Klang brachte die lauschende Wärterin beinahe zu einem Herzinfarkt. Die Wache hatte die Halle nicht verlassen, sondern es vorgezogen, in der Nähe zu bleiben, um das Ganze im Auge zu behalten. Zu ihrer unaussprechlichen Überraschung hatte Sandra tatsächlich mit dieser Frau gesprochen.

"Was haben Sie gesagt?" fragte Gayle und wollte schon näher treten, besann sich jedoch rechtzeitig auf die Regel über die gelbe Linie. Ihre grünen Augen funkelten die Frau ermutigend an.

Sandra runzelte die Stirn. "Du bist zu spät. Es ist zu spät." Und dann wandte sie sich wieder ab.

"Zu spät?" fragte Gayle rasch. "Zu spät wofür? Zu spät zum reden? Es ist niemals zu spät zum reden."

Sandra wandte ihr den Blick zu und lachte zärtlich. "Das kannst nur du sagen."

Gayle schaute verwirrt zurück.

"Du erinnerst dich noch nicht einmal daran, oder?" Sagte die Mörderin, ihr Ton war anklagend.

"Erinnern woran?" Fragte Gayle. Dieses Gespräch führte keineswegs in die Richtung, die sie erwartet hatte.

Sandra trat sehr dicht an die Gitterstäbe ihrer Zelle, dicht genug, um sie zu berühren, aber sie tat es nicht. Sie stand vor der metallenen Barriere und sah ihre Besucherin aus tief flammenden, dunkelblauen Augen an. Da war kein Lächeln oder Zuneigung in diesem Blick.

Gayle bewegte sich nervös bei dieser Untersuchung.

"Warum bist du hierher gekommen?" fragte Sandra schließlich so leise, dass Gayle sie beinahe gebeten hätte, die Frage zu wiederholen. Jedoch hatte die Psychologin die sanfte Frage genau gehört und die Frau zu bitten, sie zu wiederholen, wäre wohl ein Fehler gewesen.

Gayle antwortete mit aller Zuversicht, die sie aufbringen konnte. "Ich bin Psychologin. Ich bin gekommen, um zu verstehen, wie Ihnen diese Dinge zustoßen konnten. Verständnis wird uns helfen, andere wie Sie zu verstehen, ihnen vielleicht zu helfen..."

"Lüg mich nicht an," schnappte Sandra von der anderen Seite der Stäbe.

Gayle hörte auf, zu sprechen. Sie hatte gefaselt und sie wusste es.

Die zornige Stimme der Frau wurde sanft. "Du konntest noch nie gut lügen." Und dann war da wieder dieses Lächeln. "Warum erzählst du mir nicht, warum du wirklich hier bist." Sandras Stimme klang beinahe verführerisch. "Wenn du mir die Wahrheit sagst, dann rede ich vielleicht mir dir."

Gayle fühlte sich, als könnte Sandra direkt durch sie hindurch sehen, in die verborgenen Bereiche ihres Geistes, als ob die Frau sie sehr, sehr gut kennen würde. Die Psychologin war sich sehr wohl der Tatsache bewusst, dass ihre Antwort jetzt allen Unterschied der Welt ausmachen würde.

Gayle holte tief Luft und suchte in ihrer Seele nach der Wahrheit.

"Aus irgend einem Grund, musste ich Sie kennen lernen," sagte sie dann leise, ihre Stimme kaum mehr als ein Flüstern.

Sandras Ausdruck wurde plötzlich so traurig, dass Gayle glaubte, ihr Herz würde zerspringen.

"Das tust du doch schon. Du erinnerst dich nur nicht." Sagte Sandra und verließ ihren Platz hinter den Gitterstäben, um auf den Stuhl zu fallen, als wäre sie unaussprechlich müde. "Mach schon, stell deine Fragen."

Erleichterung überflutete Gayle wie eine Welle. Irgendwie hatte sie den Test bestanden. Die Psychologin entspannte sich und stellte die erste Frage, die sie bewegte, seitdem sie das erste mal diese Frau im Gerichtssaal hatte sitzen sehen.

"Haben Sie keine Familie?" fragte Gayle, laut und deutlich.

Sandra schnaubte. "Warum kommst du nicht gleich zur Sache?" Sie hob die Augenbrauen auf eine Art, die Gayles Herz in der Brust stoppen ließ. Sie hatte diesen Ausdruck schon, wie oft zuvor, gesehen? Millionenmal. Aber wo?

Sandra spielte einen Moment mit den Seiten des Buches bevor sie antwortete. "Meine Mutter arbeitet in einer Bar. Ich habe sie seit Jahren nicht gesehen. Mein Vater hat uns verlassen, als ich noch klein war. Ich kannte ihn kaum." Dann schob sie das Buch fort. "Ich hatte einen Bruder," sagte sie leise.

"Sie ‚hatten’ einen Bruder. Was ist mit ihm passiert?"

Sandra verschränkte die Arme und seufzte. "Er wurde vor langer Zeit getötet."

Der Tod ihres Bruders war offensichtlich ein traumatischer Augenblick in Sandras Leben. Gayle konnte es in ihren Augen sehen und sie konnte den Effekt dessen über das Gesicht der Frau huschen sehen.

"Es tut mir leid," sagte die Psychologin aus ganzem Herzen. "Wie ist es passiert?"

"Spielt das eine Rolle?"

"Ja," bekräftigte Gayle, "Weil es für Sie eine Rolle spielt."

Sandra schmunzelte und dann schluckte sie, bevor sie begann, ihre Augen schauten durch die Gitter, durch Gayle hindurch in eine Vergangenheit, weiter entfernt, als sich die Psychologin jemals würde vorstellen können.

"Es war ein Schusswechsel bei einer Autojagd. Gangmitglieder. Sie haben ihn in den Kopf geschossen. Er starb in meinen Armen."

"Wie schrecklich für Sie, Sandra. Hat die Polizei sie jemals gefasst?"

Jetzt lächelte Sandra und ihr Lächeln sandte einen Schauer über Gayles Rückgrat.

"Nein, aber ich."

"Was haben Sie mit ihnen gemacht, nachdem Sie sie hatten." Fragte Gayle und konnte die Antwort schon ahnen.

"Ich habe sie alle umgebracht." Antwortete Sandra flach, ihre Augen so kalt wie Eis.

"Wie haben Sie sich dabei gefühlt?"

Sandra richtete sich auf ihrem Stuhl zu voller Größe auf, die beträchtlich war und Gayle bekam plötzlich einen Geschmack davon, wie einschüchternd und charismatisch diese Frau sein konnte.

"Ich fühlte mich GUT. Sehr gut. Nachdem ich sie getötet hatte, übernahm ich ihre Gang. Das fühlte sich auch gut an." Kicherte Sandra und hielt Gayle mit einem verhexten Blick gefangen.

"Das muss schwierig für eine Frau gewesen sein. Gangs sind typischerweise männlich orientiert," kommentierte die Psychologin.

"Oh, SO schwer war es nicht. Männer sind eigentlich leicht zu manipulieren. Es hat einige Zeit gedauert, aber schließlich haben sich alle meinem Weg angeschlossen."

"Wirklich? Wie haben Sie das denn geschafft?"

"Ich habe jedem von ihnen ein Angebot gemacht, das sie nicht ausschlagen konnten."

"Und was für ein Angebot war das?"

"Ich oder die Alternative."

"Und was war die Alternative?"

"Tod."

"Ich verstehe," sagte Gayle und versuchte ausdruckslos zu bleiben. "Also haben Sie alle getötet, die sich Ihnen in den Weg stellten?"

"Oh, ja. Wenn sie mir im Weg waren, mein Vertrauen missbrauchten, Fehler machten, mich auf die falsche Weise ansahen... ich habe aus vielen Gründen getötet. Meist habe ich nur getötet... unter anderem."

"Was unter anderem?"

"Dinge, von denen eine junge Psychologin wie du sicherlich nichts hören möchte."

"Unterschätzen Sie mich nicht," schoss Gayle wütend zurück. "Ich bin kein Kind. Ich bin nicht naiv."

Sandra lachte offen und ihr Lächeln erleuchtete die Zelle, ließ Gayles plötzlichen Ärger dahinschmelzen und nur noch Verwirrung zurück.

"Nein, du bist ganz offensichtlich kein Kind, also sollte ich dich auch nicht wie eines behandeln," konterte Sandra und mit einem kaum verhüllten Starren musterte sie den Körper der Psychologin von oben bis unten, "ich könnte wetten, deine Schwester tut es noch immer."

Diese Feststellung traf Gayle völlig überraschend. Woher konnte sie wissen, dass sie eine Schwester hatte? Und wieso wusste sie, dass ihre Schwester sie noch immer so behandelte, als wären sie Kinder. Die Psychologin kniff die Augen zusammen und schaute die Mörderin misstrauisch an. Kannte sie sie?

"Kennen Sie mich?"

"In diesem Leben haben wir uns noch nie zuvor getroffen." Sandras lautes Lachen hallte durch die leeren Zellen des Todestraktes.

Ein paar Meter am unteren Ende des Ganges fiel der lauschenden Wärterin das Kinn herunter. Sie konnte dieses Gespräch, dem sie da zuhörte, einfach nicht glauben. Und Sandra lachte. Lachte!

Die Mörderin begann in der Zelle wie ein Raubtier auf und ab zu laufen, plötzlich fühlte sie wieder die Kontrolle einer Situation, die außer Kontrolle gewesen war.

"Ich habe deine Fragen beantwortet, wirst du jetzt ein paar meiner Fragen beantworten?"

"Ich weiß nicht. Wir haben keine Zeit," stammelte Gayle. Ihr gefiel die Idee gar nicht, dass diese Mörderin persönliche Details ihres Lebens erfahren wollte. Sie schien ohnehin schon zuviel zu wissen.

"Keine Angst. Außerdem werde ich in ein paar Tagen Geschichte sein. Nur ein Gegenstand in deinem Buch. Du wirst Millionen von Dinaren damit machen. Es ist nur fair, wenn ich dafür eine kleine Gegenleistung erwarte, denkst du nicht?" Sandra begann die Sache jetzt Spaß zu machen.

"Also los. Stellen Sie Ihre Fragen," sagte Gayle und wunderte sich, was in aller Welt, Dinare sein mochten.

Sandra hörte auf, umherzulaufen und stellte sich direkt vor die Gitterstäbe der Zelle und schaute Gayle durchdringend an.

"Bist du verheiratet?"

"Nein, bin ich nicht."

"Ein Freund?"

"Nein."

"Liebhaber?"

"Nein."

"One night stands?"

"NEIN!“

"Irgend etwas?“

Keine Antwort. Und dann erwiderte Gayle mit einem leisen "Nein."

"Warum nicht?" fragte Sandra und kam noch näher an die Stäbe. Diesmal schlang sie ihre Hände darum und schob das Gesicht so nahe heran, wie sie konnte, blaue Augen bohrten sich in Gayles und zwangen eine ganz persönliche Wahrheit an die Oberfläche.

"Ich weiß es nicht... ich... ich schätze ich habe einfach nicht..."

"Den richtigen Baum im Wald gefunden?" Ergänzte Sandra für sie.

Gayles Mund stand offen. Sandra hatte mit einer ihrer Lieblingsphrasen geantwortet. Diese hübsche kleine Erwiderung, die sie selber immer verwendete, wenn die Fragen ihrer Mutter zu Gayles Verabredungen zu intensiv wurden.

Die Psychologin starrte sprachlos die Frau hinter den Gittern an.

Sandra lächelte zurück, eine warme Zärtlichkeit war einmal mehr in ihre strahlenden, blauen Augen zurückgekehrt. "Ich habe schon immer geglaubt, dass die stärksten Bäume im Wald allein stehen. Dass es anders ist, habe ich schon vor sehr langer Zeit gelernt... Gabrielle."

Der Name wurde langsam und mit samtigem Nachhall ausgesprochen. Sein Klang versetzte die atemlos lauschende Wächterin in einen Schock.

‚Sie hat sie Gabrielle genannt!’ erklärte sich die Wärterin selbst. ‚Das reicht jetzt aber wirklich!’

"OK. Das genügt. Das Gespräch ist beendet." Die Wärterin kam laut rufend über den Gang, so dass beide, Gayle und Sandra ihre Köpfe in ihre Richtung wandten. "Es tut mir leid, aber Ihre Zeit ist um." Die Wache kniff ihre Augen zusammen. Sandra wich von den Gittern zurück, die Hände kapitulierend erhoben.

Gayle stöhnte frustriert und fragte sich, wo die Zeit geblieben sei. Es konnte hier nicht einfach enden, sie hatte noch immer so viele Fragen. Sie senkte enttäuscht ihre Augen zu Boden, während die Wärterin sie am Arm zog.

"Sag Auf Wiedersehen, Sandra." Die Wärterin begann Gayle fort zu führen.

"Celeste," rief Sandra der Wache zu, die überrascht stehen blieb. Sie hätte nicht gedacht, dass die Gefangene überhaupt ihren Namen kannte.

"Celeste, kann sie morgen wiederkommen?" fragte Sandra leise, blaue Augen trafen zum aller ersten mal die der Wärterin.

"Möchtest du denn, dass sie wiederkommt, Sandra?" fragte Celeste. Aus irgendeinem Grunde fühlte sie nichts, als Sympathie für diese Frau, eine verurteilte Gefangene.

"Ja, bitte. Das heißt, wenn du es willst, Gayle?" Sandra lächelte scheu.

Gayle und Celeste schauten einander voller Überraschung an.

Dann zuckte Celeste mit den Schultern. "Sicher. Sie kann wieder kommen. Sie hat die Erlaubnis, dich einmal am Tag zu besuchen, wenn du das möchtest, Sandra."

"Ja, das will ich."

"Also in Ordnung, Gayle?"

Die Psychologin nickte langsam. "Sicher. Ich werde morgen wieder kommen." Dann schaute Gayle Sandra direkt an. "Ich verspreche es."

"Gut." Sandra nickte einmal. Gayle und Celeste beobachteten, wie die Mörderin sich auf ihren Stuhl setzte und wieder anfing, zu lesen.

Celeste führte Gayle den Korridor hinunter, zurück zum Eingangstor des Todestraktes. Gayle wusste, ohne sich umzudrehen, dass Sandra noch einmal aufgestanden war und ihr Weggehen verfolgte. Sie konnte das Brennen von Sandras scharfem, blauen Blick in ihrem Rücken spüren.

Celeste schob das schwere Tor mit der Erfahrung von Jahren auf und wartete darauf, das Gayle hinausschlüpfte.

"Celeste, wer ist Gabrielle?" fragte Gayle und blieb am Eingang stehen, weil sie Freundschaft zu der Wärterin aufkeimen spürte.

Celeste zuckte wieder mit den Schultern und reichte die Papiere über Gayles Schulter an die andere Wache weiter.

"Ich weiß es nicht. Aber sie ruft nach ihr im Schlaf. Es ist das einzige, was ich sie jemals sagen hörte. Bis heute, heißt das."

"Wirklich? Im Schlaf?"

Celeste nickte.

"Danke. Das ist gut zu wissen. Hmm." Gayle wurde nachdenklich und lächelte dann über den besorgten Gesichtsausdruck der Wärterin. "Keine Sorge, Celeste. Ich will sie nicht ausnutzen. Ich bin hier, um ihr zu helfen."

"Niemand kann ihr jetzt noch helfen. Ihr Leben endet in ein paar Tagen, Gayle. Es gibt nichts, was Sie oder ich tun könnten. Ich hoffe nur..."

"Hoffen was, Celeste?"

"Ich hoffe nur, dass Gott Mitleid mit ihrer Seele hat.“

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In dieser Nacht saß Gayle im Dunkeln und dachte über das Geheimnis von Sandra Goode nach. Und als die junge Psychologin endlich einschlief, verfolgten blaue Augen ihre Träume.

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5 Tage zuvor by DJWP
Lost Soul Walking
von DJWP 
FÜNF TAGE ZUVOR...

Am nächsten Tag, als Gayle Sandras Zelle in Begleitung von Celeste Kismet erreichte, fanden sie Sandra schon ungeduldig wartend vor. Sie hatte ihren Stuhl vor die Gitter gestellt und saß, die langen Finger im Schoß gefaltet und die langen Beine übereinandergeschlagen, darauf.

Celeste brachte Gayle bis zur gelben Linie und nickte Sandra kurz zu, bevor sie sich zurückzog. "Sie haben dreißig Minuten. Ich komme zurück, um Sie abzuholen."

"Ich dachte, es wären nur fünfzehn Minuten?" lächelte Gayle herausfordernd.

"Wer trägt hier die Verantwortung? Ich oder Sie?"

"Mir gefällt es, wie Sie die Dinge hier managen, Celeste. Danke." Gayle klopfte der Wärterin auf den Arm und Celeste grinste, dann ging sie ans Ende des Korridors und wartete. Der Officer blieb in Hörweite, natürlich.

Gayle schaute Sandra an und lächelte.

"Du bist wieder zurück." Stellte Sandra flach fest.

"Ich habe es versprochen," antwortete Gayle lächelnd.

Sandra dachte einen Moment lang nach, dann verschränkte sie die Arme und hob eine Augenbraue. Gayle fand diese Geste seltsam vertraut.

"Hast du keine Angst vor mir?" fragte Sandra mit einem Funken Amüsement in der Stimme.

"Nein. Warum? Sollte ich?" antwortete die Psychologin vorsichtig.

Sandra kicherte, schüttelte ihren Kopf und rieb sich mit kräftigen Händen über die Augen. "Manche Dinge ändern sich niemals," kam die klangvolle Stimmer voller Humor.

"Warum fragen Sie so, als würden Sie mich kennen?" begann Gayle und hatte das Gefühl, als hätte sie weiteste Teile des Gespräches bereits verpasst.

"Sieh mal, sei nicht sauer. Warum stellst du mir nicht einfach deine Fragen. Es wird helfen, die Dinge klarer zu sehen, da bin ich mir sicher," schlug Sandra vor und versuchte den aufkeimenden Ärger in den Augen ihres Gegenübers zu besänftigen. Das Grinsen der Gefangenen verwandelte sich zu einem offenen Lächeln, als sie das Funkeln in Gayles grünen Augen entdeckte, das sich von Ärger zu Erwartung umkehrte.

"Also gut dann." Gayles Mine wurde zu einem Grinsen. "Wenn Sie versprechen, zu antworten."

"Oh, das verspreche ich," antwortete Sandra aufrichtig.

Gayle schaute direkt in Sandras Gesicht und fand dort genau dieselben Augen, die ihr in der vergangenen Nacht in ihre Träume gefolgt waren. Sie starrten sie auf eine merkwürdig vertraute Weise an.

"Erzählen Sie mir, was nach dem Tod ihres Bruders geschah," fragte Gayle und alle Heiterkeit war von ihrem Gesicht gewischt.

Sandras Lächeln verschwand ebenso. "Die Polizei konnte sie nicht finden, diejenigen, die ihn umgebracht hatten. Ich konnte es. Das ist alles."

"Ich meine nicht die Ereignisse. Ich kenne die Details, sie befinden sich in Ihrer Akte. Ich möchte wissen, was Sie empfanden, was Sie fühlten."

Plötzlich verdunkelte sich Sandras blaue Augen, erfüllt von Emotionen. Ihre Finger schlossen und öffneten sich bei all den ungebetenen Erinnerungen. "Ich war sehr zornig," antwortete Sandra leise, offensichtlich um Kontrolle ihrer Stimme bemüht.

"Sie haben ein Talent für Untertreibungen," kommentierte Gayle und die blauen Augen klarten einmal mehr wieder auf.

"OK, ich war mehr als ein wenig zornig. Was soll ich denn sagen? Möchtest du, dass ich zugebe, dass ich rasend war? Das war ich. Ich war ERFÜLLT von Raserei! Warum stellst du mir Fragen, deren Antwort du bereits kennst?"

"Also, der Mord an Ihrem Bruder machte Sie wütend genug, Jagd auf seine Mörder zu machen und sie zu töten, ist es das?" fragte Gayle und beobachtete ein wahres Feuerwerk an Emotionen auf Sandras Gesicht. "Hat ihr Tod Ihr Leiden erleichtert... hat das Töten Ihren Schmerz genommen?"

"Ja... ich fühlte ich sehr VIEL besser," fauchte Sandra die Psychologin an, aber Gayle konnte sie nicht zum Narren halten.

"Und warum all die anderen? Warum so viele andere Tote? Ist Ihre Wut nicht verschwunden, nachdem Ihre Rache vollendet war?"

"Nein, nicht wirklich," antwortete Sandra mit schwacher Stimme.

"Was hat Sie dann dazu getrieben, zu töten?"

"Ich hatte angefangen, Vergnügen daran zu haben," kicherte die Mörderin.

"Das glaube ich nicht!" erwiderte Gayle kraftvoll.

"Oh, aber es ist wahr! Es ist immer wahr gewesen. Das ist etwas, dass du nie verstanden hast, nicht wahr?" schnaubte Sandra und hielt den Blick der Psychologin fest.

"Das ist NICHT wahr," insistierte Gayle. "Das wollen Sie alle Welt glauben lassen, aber ich glaube es nicht eine Minute lang. Sie sind verantwortlich für den Tod von vielen Menschen, Sandra. Zu vielen. Aber im Inneren... tief im Inneren... glaube ich, bereuen Sie jeden einzelnen davon."

Sandra blieb still, verweigerte eine Antwort und Gayle trat einen Schritt nach vorn und legte den Finger in die Wunde.

"Sie sind verletzt. Nicht wahr?

Als Sandra immer noch nicht antwortete, verstärkte Gayle den Druck.

"Nicht wahr!?" wiederholte sie.

Sandra sprang von ihrem Stuhl auf und wandte sich ab, versuchte ihre Emotionen, die über ihr Gesicht glitten, zu verbergen. Aber Gayle gab nicht nach.

"Die Wahrheit ist, dass es keine Rolle spielt, wie oft Sie getötet haben, es spielt keine Rolle wie oft sie sich gerächt haben, Sie sind immer wütend und unerfüllt zurück geblieben. Trotz der Toten und der Morde fühlen Sie in sich noch immer dieselbe Wut, bis zum heutigen Tag, oder nicht?"

Sandra drehte sich zu Gayle herum, eine plötzliche Ruhe lag über ihrer ganzen Erscheinung.

"Nein, eigentlich nicht. Früher ja. Für eine sehr lange Zeit. Ich war sehr zornig und erfüllt von Wut. Zuerst war es alles verzehrend. Ich wollte Vergeltung und ich habe sie rasch bekommen, glaube mir. Ich fand die Mörder meines Bruders und ich habe meine Rache bekommen. Junge, und wie. Aber das war mir nicht genug. Ich wurde zum Todesengel für manche Menschen."

Sandra lächelte böse, als eine Parade alter Erinnerungen über sie hinweg flutete. Sie schüttelte sie mit einem Schaudern ab und wandte ihre Aufmerksamkeit wieder der Psychologin zu.

"Die Wut legte sich über mich, wie eine warme, alte Decke. Sie behütete mich. Ich war sicher mit ihr. Sie schenkte mir Kraft und Kontrolle, über mich selber und über andere. Ich liebte das. Ich liebe dieses Gefühl noch immer."

Sandra senkte gedankenverloren den Blick und schaute dann unter halbgeschlossenen Lidern auf Gayle. "Du wirst diese bestimmte Verführung niemals spüren, Gayle Bardo. Es liegt nicht in deiner Natur. Es mag dich faszinieren, dich einnehmen... auch für mich... aber du wirst es niemals wirklich kennen. Den Göttern sei Dank dafür, den Göttern sei Dank..." Sandras Stimme versagte, während sie auf den Boden starrte und mit hängenden Armen neben ihrem Stuhl stand.

"Sie sagten, Sie seien nicht mehr wütend. Der Zorn habe Sie verlassen. Warum? Was ist passiert."

Sandra kam dicht an die Gitterstäbe heran und schloss ihre langen Finger um den kalten Stahl. Sie betrachtete Gayle still und aufmerksam, als wollte sie sich ihre Gestalt einprägen, sie sorgsam erinnern und mit sich nehmen.

"Ich habe mich erinnert," flüsterte sie.

"Erinnert, woran?" fragte Gayle.

Sandra antwortete nicht, sondern fuhr fort sie anzustarren, Gayle mit einem durchdringenden Blick zu fesseln, der zu ihrer Seele zu flüstern schien.

"Erinnert an was?" wiederholte Gayle leise.

In der Stille waren nur sanfte Atemzüge zu hören.

"An was haben Sie sich erinnert?" setzte Gayle nach und vergaß die Regeln und übertrat die gelbe Linie. Sie griff nach der Stange direkt neben Sandras Hand und stand Nase an Nase der verurteilten Mörderin gegenüber.

Sandra löste einen Finger aus dem festen Griff um den Stab und strich kaum spürbar über die zarte Haut von Gayles Handrücken.

"Gabrielle," hauchte Sandra kaum hörbar.

Der Schock des Kontaktes wurde von starken Händen unterbrochen, die nach Gayles Schultern griffen und sie zurück zogen. Celeste drängte Gayle grob vom Gitter fort und schüttelte ihre Schultern.

"Kein Überschreiten der Linie." Schalt die Wache leise und dann schaute sie Sandra warnend an.

"Mach das noch einmal und ich lasse sie nicht wieder hierher kommen."

"Aber... sie kann doch morgen wieder kommen, oder nicht?" fragte Sandra mit einem Hauch von Panik in der Stimme.

Celeste dachte einen Moment darüber nach, bevor sie antwortete. Da ging mit Sicherheit etwas höchst merkwürdiges zwischen den beiden vor sich und sie war sich nicht sicher, ob sie dies weiter erlauben konnte. Dann wiederum war es aber auch eine Unterbrechung dieser öden Routine.

"Versprichst du, dich zu benehmen?" fragte Celeste die Verurteilte.

"Ich verspreche es," antwortete Sandra aufrichtig.

"Und Sie?" fragte Celeste nun die Psychologin.

"Ich verspreche es," antwortete Gayle wie ein gescholtenes Kind.

"Sehr schön. Lassen Sie sich nicht dabei erwischen, diese Linie noch mal zu übertreten."

Celeste lächelte gegen ihren Willen. Sandra fand ganz offensichtlich ein gewisses Maß Frieden in den Gesprächen mit dieser Frau. Darüber war die Wärterin froh.

"Kommen Sie," sagte Celeste warm und zupfte Gayle am Arm, "für heute ist es genug Aufregung. Sag Gute Nacht, Sandra."

"Aber es waren keine dreißig Minuten..."

"Sag Gute Nacht, Sandra." Wiederholte Celeste energisch.

"Gute Nacht. Wir sehen uns morgen?" Es war eine Frage.

"Ich verspreche es," antwortete Gayle. "Ich verspreche es." Diesmal verlor Gayle nicht den Augenkontakt mit Sandra Goode, während sie der Wächterin erlaubte, sie fort zu führen.

"Und du hältst deine Versprechen immer, richtig?" rief Sandra ihnen hinterher und verfolgte sie mit einem Blick, der direkt bis in Gayles Seele drang. Die dunkle Frau hielt die Psychologin gefangen, während Gayle durch das eiserne Tor und den Korridor entlang ging, bis sie und die Wächterin um eine Ecke herum aus der Sicht der Verurteilten verschwanden.

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In dieser Nacht konnte Gayle Bardo überhaupt nicht schlafen. Sie konnte nur auf ihrer Couch sitzen und über die Frau nachdenken, die in der Dunkelheit einer Gefängniszelle saß, nur wenige Tage von ihrer Exekution entfernt.

"Woran hat sie sich erinnert?" fragte sich Gayle, während sie über ihre Hand strich, deren Haut noch immer die Berührung von Sandras Finger in Erinnerung zu haben schien.

"Und wer ist nur Gabrielle?"

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2 Tage zuvor by DJWP
Lost Soul Walking
von DJWP

ZWEI TAGE ZUVOR...

"Schönen Montag," sagte Gayle mit einem Lächeln und begrüßte Celeste, als die Wache das Tor zum Todestrakt öffnete und die Besucherin ihrer Obhut überantwortete.

"Nun, es ist Montag," antwortete Celeste, "aber ich weiß nicht, wie schön er werden wird. Sie war ziemlich aufgebracht, dass Sie die letzten zwei Tage nicht aufgetaucht sind."

Gayle hielt an, nachdem sie das Tor passiert hatte und wartete, während Celeste es verschloss.

"Was meinen Sie? Sie ist aufgebracht? Es war Wochenende! Man hat mir die Wochenenden nicht gestattet. Sicherlich wusste sie das doch?" sagte Gayle und folgte rasch der Wärterin den Gang hinunter.

"Das habe ich ihr gesagt, aber sie war nicht sehr glücklich mit dieser Erklärung. Hat irgend etwas von Versprechungen vor sich hingemurmelt und Vertrauen und all solches Zeug, von dem ich nie geglaubt hätte, dass es jemals über die Lippen von Sandra Goode käme." Celeste hielt inne und warf der Psychologin einen ernsten Blick zu und hielt sie zurück.

"Sie werden eine sehr ernsthafte Erklärung parat haben müssen, junge Dame wenn Sie sie wieder zum Sprechen bringen wollen," Riet ihr Celeste. Damit drehte sie sich auf dem Absatz herum und ging weiter.

"Großartig!" stöhnte Gayle Bardo unter einem Atemzug und folgte der Wächterin den restlichen Weg durch den Korridor.

Kurz bevor sie Sandras Zelle erreichten, zögerten sie beide und schauten einander an, beide holten tief Luft.

"Wünschen Sie mir Glück," flüsterte Gayle der Gefängniswärterin zu.

"Du wirst es brauchen!" rief Sandra aus dem Inneren der Zelle.

"Gute Ohren!" sagte Celeste zu der Gefangenen. "Großes Mundwerk," kommentierte sie in Gayles Richtung mit leiser Stimme.

"Das habe ich auch gehört!" zischte Sandra laut.

"Gut!" grinste Celeste, "Genau das wollte ich auch!"

Die Wärterin ächzte, als sie in Sicht von Sandras Zelle waren und warf der Mörderin einen strengen Blick zu. "Ich würde meinen Ton ändern, wenn ich du wäre, Fräulein, oder deine Freundin hier wird nicht bleiben können." Die Wärterin tätschelte die Schulter der Psychologin und wandte sich zum Gehen.

"Ich will sowieso nicht, dass sie bleibt," grummelte die Mörderin und ließ ihren großen Körper abrupt in den Stuhl am Tisch fallen, sie wandte beiden, der Wärterin und der Besucherin, ihren Rücken zu.

"Natürlich nicht," murmelte Celeste und machte sich auf den Weg. "Deswegen hast du ja auch während des Wochenendes diesen ganzen Aufstand veranstaltet, weil sie nicht aufgetaucht ist."

Celeste ging den Korridor hinunter und ließ die Gefangene und ihre Psychologin in respektvollem Abstand hinter sich, bevor sie sich mit dem Rücken zur Wand aufstellte.

Gayle starrte eine Weile auf Sandras Rücken und ließ nur das Schweigen durch die Luft schweben. Endlich, nachdem die unangenehme Stille zu viel wurde, stützte Gayle Bardo die Hände in die Hüften. "Wollen Sie wirklich die ganze Zeit da sitzen und während meines ganzen Besuches eingeschnappt bleiben?"

Keine Antwort.

"Oder soll ich die ganze Zeit mit mir selber reden?"

Darauf eine kaum sichtbare Bewegung mit den Schultern.

"Wie wäre es mit einer Geschichte?"

Sandra Goode wirbelte so schnell und mit einem so intensiven Ausdruck von Hoffnung auf dem Gesicht herum, dass es Gayle Bardo den Atem raubte.

"Du erinnerst dich?" fragte Sandra rau.

Gayle konnte sich nur voller Verwirrung umsehen. Sie hatte keine Ahnung, was Sandra erwartete, woran sie sich erinnern sollte. Die Psychologin beobachtete traurig, wie das Leuchten von Sandras Hoffnung aus ihrem Gesicht verschwand, so schnell, wie eine vorüberziehende Wolke die Sonne auszulöschen vermochte.

"Es tut mir leid, dass ich am Wochenende nicht hier war," bot Gayle schwach an. "Sie haben mich weder am Sonnabend, noch am Sonntag hereingelassen. Ich dachte, Sie wüssten das."

"Nun, das habe ich nicht," erwiderte Sandra, Enttäuschung färbte ihre Stimme. Sie sank zurück in ihren Stuhl.

"Das wusste ich nicht. Ich hätte es Ihnen sagen sollen."

"Was du GESAGT hast, war, dass du mir versprichst, hier zu sein," schnappte Sandra.

"Ich weiß. Es tut mir leid. Es gab nichts, was ich hätte dagegen tun können."

"Hast du es denn versucht?"

"Was meinen Sie denn damit?"

"Ich meine, hast du überhaupt versucht, herein zu kommen?" entgegnete Sandra und kniff gefährlich die Augen zusammen und trat näher an die Gitterstäbe.

"Warum... nein... warum sollte ich... ich meine, ich wusste, dass ich nicht... man hatte es mir gesagt...," stammelte Gayle ein wenig überrascht, dass Sandra es so ernst nahm.

"Du hast es noch nicht einmal versucht. Du hattest anderes zu tun, nehme ich an?" Sandras blaue Augen waren nur mehr zwei dunkle Schatten, während sie auf Gayles Antwort wartete.

"Wie ich schon sagte," erwiderte Gayle sachlich und versuchte sich von der Gefangenen nicht einschüchtern zu lassen. "Ich wusste, dass die Gefängnisregeln einen Besuch am Wochenende nicht zulassen. Und ja... ja... ich hatte noch ein paar andere Dinge zu tun."

Sandra schnaubte verächtlich und schloss die Augen. Sie wandte sich von der Psychologin ab und ihrem Sitzplatz am Tisch zu.

"Dann hättest du es nicht versprechen sollen," stellte die Verurteilte dunkel fest.

Gayle hatte genug.

"Damit haben Sie wirklich ein Problem, oder nicht?" fragte sie laut.

"Und was meinst du damit?" schoss Sandra zurück und hob herausfordernd den Blick.

"Sie haben ein Problem mit Menschen, die ihre Versprechen nicht einhalten. Lügen. Verraten. Ein tiefsitzendes Problem mit dem Vertrauen, oder nicht?" fragte Gayle und betrachtete Sandra jetzt ganz durch ihre klinische Brille.

Sandra gefiel das keineswegs. "Wage es nicht, mich zu analysieren!" Die Stimme der Frau sank ein Register tiefer und sie warf der Psychologin einen bösen Blick zu.

"Warum nicht? Deswegen bin ich hier!" schoss Gayle zurück und augenblicklich taten ihr die Worte auch schon wieder leid.

Sandra sprang von ihrem Stuhl auf, der dadurch zu Boden fiel.

"Ist das alles, weswegen du hier bist... dann VERSCHWINDE!"

"Verärgert Sie das, Sandra, dass ich nur hier bin, um sie zu studieren?"

Keine Antwort.

"Sie haben gerade angefangen, mich als ihre Freundin zu betrachten, ist das richtig? Sich mir zu öffnen? Mir zu vertrauen?" Gayle verstärkte ihren Druck.

"Halt den Mund!" sagte Sandra und drehte sich fort.

"Sie haben keine Freunde, Sandra. Sie hatten niemals Freunde. Sie würden niemals jemandem genug VERTRAUEN, um sie als Freunde zu gewinnen. Würden Sie, Sandra?"

"Ich sagte... halt... den... Mund." Die Mörderin war sehr ernst geworden und schaute die Psychologin mit gefährlicher Mine an.

Aber Gayle fuhr ungebremst fort. "Nein. Da gab es keine Freunde in Sandra Goodes Leben. Sie würde niemals jemanden nahe genug an sich heranlassen, oder?"

Keine Antwort.

"Warum nicht, Sandra? Warum keine Freunde? Keine Kumpels? Jede Menge Sex, das wette ich... richtig? Aber keine Liebhaber. Warum keinen einzigen, Sandra?"

Stille.

Für eine lange Zeit blieb Sandra nervtötend still und starrte die junge Psychologin nur unverwandt an. Gayle fragte sich schon, ob sie diesmal zu weit gegangen war. Vielleicht war dies die Grenze, die sie nicht hätte überschreiten dürfen?

"Weil du nur verletzt wirst," erwiderte schließlich eine kleine Stimme verzagt. An irgendeinem Punkt während des Schweigens war alle Wut aus Sandras Augen verschwunden und durch absolute Traurigkeit ersetzt worden.

"Was war das?" fragte Gayle und trat einen Schritt näher.

Sandra schluckte hart in ihrer Kehle.

"Wenn du jemanden in dein Herz lässt, dann wirst du nur verletzt... auf die Dauer", erklärte Sandra.

"Oh wirklich?" kommentierte Gayle und hob eine goldene Augenbraue. "Also, Sie schützen sich selbst... auf Dauer... in dem Sie niemals jemandem vertrauen?"

"Das stimmt," gab Sandra zu und betrachtete Gayle kalt.

"Und wer ist dann Gabrielle?"

Die Mörderin antwortete nicht sofort, sondern studierte intensiv ihre Besucherin.

"Du weißt es nicht?" fragte Sandra leise und beobachtete sehr genau Gayles Reaktion, unfähig, ihre Enttäuschung zu verbergen, als die junge Psychologin antwortete: "Nein, ich weiß es nicht."

Warum rief Gayles negative Antwort solch eine offensichtliche Enttäuschung bei der Verurteilten hervor? Und, noch seltsamer, wieso hatte Gayle das Gefühl, dass sie die Antwort irgendwie wissen sollte? Was war mit diesem Namen und der Art, wie Sandra Goode ihn ausgesprochen hatte, die tief im Inneren der Psychologin etwas angerührt hatte? Gayle beobachtete schweigend, wie die dunklen Augen zu Boden sanken.

"Sie war meine Freundin," antwortete Sandra Goode schließlich die Frage der Psychologin.

"Ihre Freundin?" fragte Gayle und versuchte skeptisch zu klingen.

"JA!!!" antwortete Sandra und bewegte sich ungemütlich.

"Sie... hatten eine Freundin?" setzte Gayle nach, beinahe frotzelnd.

"Ja, ich hatte eine Freundin. In Ordnung? Gabrielle war meine Freundin. Zufrieden?" erwiderte Sandra schnippisch.

Also, Sandra Goode mochte es gar nicht, gefrotzelt zu werden und schon gar nicht im Zusammenhang mit dieser Gabrielle. Die geheimnisvolle Frau war wohl mehr als eine Freundin und eine sehr ernste Angelegenheit. Gayle fügte diese Entdeckung als weiteren Stein in ihr Puzzle ein. Die Psychologin beschloss, noch einen Schritt weiter zu gehen.

"Also, Gabrielle war Ihre Freundin. Sie haben Sie eingelassen. Ihr haben Sie vertraut, ja?"

"Wie noch nie jemandem zuvor," stimmte Sandra leise zu.

"Und was ist passiert?" Gayle fürchtete sich beinahe zu fragen, fürchtete sich davor, eine neue Dose mit Würmern zu öffnen.

"Sie hat mich verraten."

Jetzt war es an Gayle, zu schweigen und Sandra fuhr fort.

"Ich habe ihr vertraut und sie hat mich verraten. Ich glaubte an sie und sie hat mich angelogen. Ich liebte sie und sie... sie..." Sandra konnte nicht weitersprechen, sondern schlang ihre Arme um die Schultern und nahm sich selber in eine enge Umarmung.

"Es tut mir leid, Sandra. Was ist passiert? Möchten Sie es mir erzählen?" fragte Gayle mit Sorge in der Stimme.

Sandra schüttelte den Kopf und ging auf und ab.

"Sie waren, offensichtlich, sehr, sehr wütend."

"Oh, ja," Sandras Augen sprühten kalte Funken. "Ich würde sagen, das ist eine Untertreibung."

Plötzlich füllte sich Gayles Herz mit Furcht.

"Sie haben ihr nichts angetan, oder, Sandra?" fragte die Psychologin und hatte Todesfurcht vor der Antwort.

"Was meinst du denn damit?" erwiderte Sandra und ein böser Humor füllte ihren Blick.

Gayle schluckte.

"Sie haben ihr nicht weh getan... sie physisch verletzt, meine ich."

Die Mörderin strich an den Gitterstäben entlang und starrte direkt in die Augen der Psychologin. "Was willst du denn wissen? Ob ich sie umgebracht hätte? Oh, darauf kannst du wetten. Ich habe sie schwerer verletzt, als je irgend jemanden zuvor. Und ich habe es genossen!"

Es sah so aus, als wollte Sandra Goode tatsächlich anfangen, zu lachen, aber ihre Augen füllten sich mit Tränen. Gayle wollte nichts sehnlicher, als ihre Arme um diese Frau schlingen und ihr sagen, dass alles gut werden würde.

"Ich habe versucht, den einzigen Menschen zu töten, der mir jemals etwas bedeutet hat. Ich hätte es beinahe getan! Nach all der Zeit kann ich immer noch nicht glauben, was ich dir angetan habe, Gabrielle."

Wieder rief Sandra Goode die Psychologin mit dem Namen der Freundin an. Diesmal fragte Gayle nicht danach. Wenn sie die Gefangene schon nicht physisch trösten konnte, dann konnte sie es wenigstens zulassen, deren Verstand diese Annehmlichkeit zu gönnen und die Probleme an die Adresse dieser mysteriösen Gabrielle direkt zu senden.

"Ist schon gut, Sandra. Es ist gut," flüsterte Gayle beruhigend, während die Verurteilte mit ihren Emotionen kämpfte. "Also, Sie haben sie nicht umgebracht, aber Sie haben sie verletzt?"

Sandra nickte, wischte ihre Nase und verbarg sich hinter ihren dunklen Locken, als sie den Kopf beschämt sinken ließ. "Sie hätte sterben sollen. Ich hätte sterben sollen. Wie haben einander umgebracht, wirklich. Aber wir haben eine zweite Chance bekommen. Die Götter wissen warum." Sandra schniefte und schüttelte ihren Kopf, um ihn klar zu bekommen.

Gayle lächelte kurz über den Anruf mehrerer Götter. Eigenartig, dass die Mörderin überhaupt an einen glauben sollte. Ein weiteres Puzzleteil.

"Es war so schlimm, ja?" fragte Gayle und wagte sich noch einen Schritt näher an die Gitterstäbe.

"Ja, es war so schlimm, wie es nur sein konnte."

"Ist sie deswegen nicht hier? Hat sie Sie nach alledem verlassen?"

Zu Gayles Überraschung kicherte Sandra.

"Oh nein!" erklärte Sandra und schüttelte ihren Kopf, noch immer überrascht von diesem Wunder. "Nein, sie hat mich nicht verlassen. Sie hat mir vergeben. Kannst du das glauben?!"

"So? Haben Sie ihr denn vergeben?" fragte Gayle und dachte, dass diese ‚Gabrielle’ eine sehr interessante Frau sein musste.

"Oh ja. Ich habe ihr vergeben."

"Aber sie hat Sie verraten."

"Ich weiß."

"Sie hat sie belogen."

"Ich weiß."

"Und Sie haben ihr vergeben?"

"Ja. Aus ganzem Herzen habe ich ihr vergeben. Es war so einfach, dir zu verzeihen, Gabrielle. Die ganze Situation war meine Schuld. Was ich nicht verstehen konnte, warum bist du bei mir geblieben. Warum? Nach alledem. All der Dunkelheit, all meiner Wut. Warum bist du geblieben?"

Sandra und Gayle waren sehr nahe beieinander, kaum Zentimeter entfernt. Die Stäbe warfen Schatten auf Gayles Gesicht, während Sandra voller Verwunderung in ihren Augen auf die Antwort ihrer Frage wartete.

"Sie muss Sie sehr geliebt haben," flüsterte Gayle und starrte in die Tiefe von Sandras klaren, blauen Augen und verstand ohne jeden Zweifel, warum das so war.

"Ich denke, das hat sie," kommentierte Sandra sanft, ihre Mundwinkel verzogen sich aufwärts zu einem Grinsen.

"Es ist leicht, jemandem zu vergeben, den man liebt, nicht wahr?" fragte Gayle leise und bemerkte, wie wunderschön Sandra Goode wirklich war, wenn ein Lächeln, egal wie klein, über ihre Züge glitt.

"Gabrielle war ein Naturtalent im ‚Vergeben’. Es war Teil ihres Wesens, so wie es Teil ihres Wesens war, zu lieben. Aber dies ist nicht mein Teil. Ich musste lernen, zu vergeben."

"Und zu lieben...?"

"Ja, das auch. Es war leicht, Gabrielle zu vergeben."

"Aber nicht so einfach, sich selber zu verzeihen?" Gayle verstand jetzt etwas sehr wichtiges über Sandra Goode.

"Damit bin ich nie klargekommen," stellte Sandra kopfschüttelnd fest.

"Gabrielle scheint eine erstaunliche Frau zu sein."

"Das ist sie," antwortete Sandra mit einem Lächeln, dass die ganze Zelle erhellte.

"Und wo ist sie jetzt?" fragte Gayle und dachte, wenn Sandra Goode irgend jemanden an ihrer Seite brauchte, dann war es Gabrielle.

"Sie ist nicht hier."

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

In der Stille von Gayle Bardos Appartement versuchte die Psychologin schließlich über den Aufenthalt der mysteriösen Gabrielle nachzudenken. Jedoch, es blieb nur noch ein Tag und sie zu finden, schien einfach unmöglich. Außerdem kannte sie ja noch nicht einmal den Nachnamen der jungen Frau.

Und nur noch einen Tag vor der Exekution, lief ihr die Zeit davon.

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Am Tag zuvor by DJWP
Lost Soul Walking
von DJWP
AM TAG ZUVOR...

"Vor ein paar Tagen haben Sie gesagt, Sie hätten sich an etwas erinnert. Etwas, dass die Wut gestoppt hat, den Zorn im Zaum hielt. Woran haben Sie sich erinnert?" fragte Gayle Sandras Rücken.

Die Psychologin stand wieder hinter der gelben Linie und hatte Mühe, der Versuchung zu widerstehen, vorwärts zu stürmen und vor Wut gegen die Gitterstäbe zu schlagen. Irgendwie schien es, als wären sie heute wieder zurück am Anfang. Sandra kooperierte nicht. Die Gefangene verkehrte jede Frage der Psychologin ins Gegenteil und schickte sie in Richtungen, die Gayle nicht geplant hatte, einzuschlagen. Um die ganze Sache noch schlimmer zu machen, waren Sandras Antworten kryptisch und frustrierten die normalerweise gleichmütige Psychologin aufs Äußerste.

Die rothaarige Frau war dabei, die Kontrolle über das Gespräch zu verlieren und wollte es nicht zulassen, dass die Gefangene vom Thema ablenkte, es gar wechselte, wie sie es in den vorangegangenen Interviews getan hatte.

Sandra war genervt von Gayles augenscheinlicher Starrköpfigkeit. Die Mörderin versuchte die letzte Frage zu umgehen, in dem sie selber eine Frage stellte, aber die Psychologin hatte genug davon.

"Sandra," fauchte Gayle ungeduldig, "Ich habe Ihnen eine Frage gestellt. Werden Sie jetzt antworten?"

Die dunkle Frau hielt ihren Rücken dem Gitter zugewandt.

"Möchten Sie heute nicht mit mir sprechen?" fragte Gayle leise. Keine Antwort. "Sie wissen, dass wir nicht mehr viel Zeit haben."

"Nein, wir haben GAR KEINE Zeit mehr," flüsterte Sandra und ihre Stimme klang unerwartet intensiv. Sie drehte sich um und schaute ihre Besucherin an. "Wir haben keine Zeit mehr, weil alles hier enden wird. Jetzt. Keine weiteren Chancen mehr, Gabrielle. Ich kann es nicht mehr ertragen."

Gayle verlor schließlich ihre Geduld. "Okay, warum nennen Sie mich Gabrielle? Und vergessen Sie einfach den rätselhaften Teil..." Gayle stoppte mitten im Satz, als Sandra vor Lachen aufheulte.

"Was ist so komisch?" fragte Gayle, ein wenig verärgert, doch unfähig ihr eigenes Grinsen zu verbergen. Sie verstand den Witz nicht, jedoch war etwas daran, diese Frau lachen zu sehen.

Sandra wischte sich die Tränen aus den Augen und versuchte, sich zusammenzureißen.

"Tut mir leid," schniefte die Gefangene, "aber das warst SO sehr du. Es gibt ein paar Dinge, die mir schlicht den Atem rauben."

Sie bemerkte, dass die Psychologin immer noch reichlich verwirrt war und Sandra beschloss, ein bisschen weniger ‚rätselhaft’ zu antworten.

"Es tut mir leid... Gayle," sagte Sandra aufrichtig und betonte den korrekten Namen der Psychologin besonders und wischte sich das Lächeln aus dem Gesicht. "Es ist gemein von mir, über einen Scherz zu lachen, den du nicht verstehen kannst. Es ist nicht wirklich komisch. Ich weiß, dass du es nicht verstehst und ich kann einfach nichts dagegen tun."

Sandra trat dicht an das Gitter heran und schaute Gayle mit unverhohlener Zärtlichkeit an. "Dich im Dunkel festzuhalten ist eine schlechte Angewohnheit, die ich wohl immer noch mit mir herumtrage."

Gayles Gesichtsausdruck wurde sauer.

"Und ich bin schon wieder kryptisch, nicht wahr?" grinste Sandra. Gayle nickte und versuchte, ihr Temperament zu zügeln und nichts zu erwidern.

"Lass es mich ein wenig erklären, wenn ich kann," bot Sandra an und schlang ihre Hände um die Gitterstäbe. "Ich weiß wirklich nicht, wo ich anfangen soll."

"Warum fangen Sie nicht mit Gabrielle an. Warum nennen Sie mich Gabrielle?"

"Weil du mich an sie erinnerst."

"Offensichtlich. Sie nennen mich bei ihrem Namen. Sind Sie ein wenig verwirrt darüber, wer ich bin und wer Gabrielle ist?"

"Ich bin nicht diejenige, die hier verwirrt ist," sagte Sandra mit einem Schnauben und lachte.

Gayle hatte wieder den Humor des Ganzen verpasst. "Nun, mir scheint, wenn Sie so besorgt um sie sind, wie Sie es vorgeben, dann sollten Sie mich nicht dauernd mit ihr verwechseln!" fauchte Gayle, frustriert über den Rückschlag an diesem, ihrem letzten Tag.

"Ich vermisse sie," flüsterte die Mörderin. Augenblicklich bedauerte Gayle ihren Ausbruch.

"Es tut mir leid, Sandra."

"Nein, das tut es nicht," schoss Sandra zurück. "Du kannst natürlich nicht zugeben, dass jemand wie ich vielleicht jemanden lieben könnte... oder von jemandem geliebt werden würde."

"Nein, das ist nicht wahr..."

"Es ist wahr. Es ist SEHR wahr. Und du würdest Recht haben. Ich werde nie in der Lage sein, Liebe zu verstehen. Meine Seele ist nur fähig zu Hass und Zorn und ich habe es bewiesen, wieder und wieder. Egal wie oft ich schon zurückgekommen bin, ich habe immer das Licht verloren. Es ist mir nicht gegeben und wird es niemals sein. Gabrielle war jemand, der glaubte, er könne das ändern."

"Wo ist sie jetzt?"

"Sie ist nicht hier," wiederholte Sandra die mysteriöse Antwort und wieder füllte diese seltsame Trauer ihre Augen. "Aber Gabrielle glaubte, sie könnte mich ändern. Sie dachte, wenn sie zu rechten Zeit an meiner Seite ist, dann würde das alles nicht passieren. Ich habe das auch geglaubt, aber jetzt nicht mehr. Nichts kann die Dunkelheit von meiner Seele tilgen, nicht einmal Gabrielle. Das weiß ich jetzt."

Die Gefangene ließ die Stangen los und lief ein paar mal in ihrer Zelle auf und ab, bevor sie vor Gayle stehen blieb. Sie hatte eine Entscheidung getroffen und nichts, was diese junge Psychologin sagen konnte, würde ihre Meinung ändern.

"Es spielt keine Rolle mehr, weil Gabrielle es diesmal nicht rechtzeitig schaffen wird. Und egal, wie oft wir hierdurch gehen, ich scheine mich nie daran zu erinnern, was sie mir beibringen wollte, bis es zu spät ist."

Gayle nickte und verstand beinahe.

"Also daran haben Sie sich schließlich erinnert, an das, was Sie sie gelehrt hat? Über die Freundschaft?"

Sandra nickte langsam ihre Zustimmung. "Gabrielle glaubte, dass der Kreis von Hass und Wut nur durch die Liebe beendet werden kann."

Gayle lächelte. "Und als Sie das endlich verstanden hatten, haben Sie sich selber gestellt?"

Sandra nickte wieder und senkte den Blick.

"Aber es ist zu spät," Sandras heiseres Flüstern war erfüllt von Emotionen. "Jedes mal ist es zu spät. Auch wenn ich diesmal sogar ohne ihre Hilfe durch die Dunkelheit sehen konnte, es wird meine Seele niemals verlassen. Ich kenne jetzt die Wahrheit."

Auch wenn Gayle noch immer verwirrt durch die Erklärungen der Gefangenen über wiederholte Ereignisse war, entschied sie sich dennoch dafür, vorerst keine Fragen zu stellen. Sandras Ausführungen berührten eine Seite tief im Herzen der Psychologin.

Sandra hob ihre Augen und schaute direkt in Gayles, ihr durchdringender Blick sandte Schauer über ihren Rücken.

"Und Sie nennen mich Gabrielle, weil ich Sie an sie erinnere?" fragte Gayle leise.

Sandras Augen hielten Gayles Blick fest in ihrem Bann.

"So kann man sagen."

"Und Sie sind willens, ihren eigenen Tod als Strafe für Ihre Verbrechen anzunehmen. Deswegen haben Sie sich nie wegen Ihres Verhaltens verteidigt?"

"Was für eine Verteidigung? Ich bin schuldig, in allem, was man sagt."

"Aber Sie haben sich selber gestellt. Sie haben aufgehört, zu töten. Sie haben Ihre eigene Schuld erkannt und damit aufgehört. Sie haben sich von Wut und Zorn losgesagt. Was ist an dessen Stelle getreten?" fragte Gayle leise.

"Sorge. Reue."

"Und Gabrielles Liebe? Wo ist sie?"

Die Psychologin beobachtete fasziniert, wie Myriaden von Emotionen über die Züge der dunklen Frau hinweg spülten.

Gayle konnte nicht widerstehen. Sie trat vorwärts über die gelbe Linie und bedeckte Sandras beide Hände mit ihren eigenen und sah, wie eine einzelne Träne über die Wange der dunklen Frau lief.

Sandra hielt Gayles Blick mit ihrem einen fest und flüsterte, "Ich werde Gabrielle immer lieben. Immer. Wirst du dich daran erinnern, was ich gesagt habe?"

"Warum wollen Sie, dass ich mich daran erinnere, Sandra?" fragte Gayle sanft und streichelte Sandras Hand, über deren Wärme sie lächeln musste.

"Weil nach morgen werden wir uns niemals wiedersehen. Ich werde nicht auf dich warten Gabrielle. Diesmal werde ich meinen Richterspruch annehmen."

Gayle hielt inne, ihre Augen voller Fragen, als Sandra sie schon wieder in eine unerwartete Richtung lenkte. Sie bemerkte Celeste nicht, die den Weg vom anderen Ende des Korridors heraufkam, doch Sandras Aufmerksamkeit entging die sich nähernde Wache nicht.

"Und DENKE nicht einmal daran, mir zu folgen," hauchte die Mörderin dicht an Gayles Ohr mit einem bedeutsamen Flüstern.

Dann lehnte sie sich gegen die Gitterstäbe, bis sie nur noch einen Atemzug weit von Gayles Lippen entfernt war und murmelt hastig, bevor die Wärterin sie erreichte, um Gayle fort zu ziehen.

"Ich liebe dich."

Und dann legten sich Celestes schwere Hände auf Gayles Schulter und rissen sie abrupt von den Stäben fort. Aber nicht, bevor es Sandra gelungen war, mit unglaublich weichen Lippen, im Flüstern eines Kusses, Gayles Lippen zu berühren.

Celeste drehte die verstörte Psychologin am Stoff ihrer Jacke zu sich herum und schob sie rau ein paar Schritte den Gang hinunter, bevor sie die junge Frau bei den Schultern packte. Als Gayles Augen schließlich in die der Wache schauten, entdeckten sie dort eher Besorgnis als Zorn.

"Was glauben Sie eigentlich, was Sie hier tun?" fragte Celeste harsch und forderte so die ganze Aufmerksamkeit der Psychologin ein.

"Ich... ich weiß es nicht..." stammelt Gayle offensichtlich am Ende ihrer Nerven durch den unerwarteten Kontakt von Sandras Lippen auf den ihren.

Celeste studierte die Psychologin aufmerksam und schüttelte den Kopf.

"Das ist mir eine, diese Frau. Es will mir beinahe scheinen, als hätte sie Sie hypnotisiert? So nennt ihr Seelenklempner das doch?"

Gayle fuhr sich mir den Fingern durchs Haar und schüttelte ihren Kopf und realisierte voller Schrecken, dass Hypnose genau das war, wonach es sich angefühlt hatte.

"Sind Sie in Ordnung?" fragte Celeste besorgt um das Wohlergehen der jungen Frau.

"Es geht mir gut," antwortete diese und schüttelte sich vom Griff der Wache los. "Wirklich, es geht mir gut." Sie sah durch den Korridor zurück zur Zelle. Sandra war nirgendwo zu sehen.

"Kann ich jetzt wieder zurück gehen?" fragte Gayle zum Erstaunen der Wärterin.

"Ich glaube, das ist keine so gute Idee," antwortete Celeste kopfschüttelnd.

"Aber es ist der letzte Tag, Celeste. Morgen wird sie..." Gayles Worte verdorrten in ihrer Kehle.

"Hingerichtet." Beendete Celeste für sie den Satz. "Und nicht zu früh, glaube ich. Ich halte es für keine gute Idee, sie noch einmal zu sehen. Ihr Gespräch ist beendet. Warum gehen Sie nicht nach Hause und fangen an, Ihr Buch zu schreiben oder ihr Drehbuch oder was immer es ist, weswegen Sie hierher gekommen sind?"

Die Wache begann vorsichtig die junge Frau in Richtung Ausgang zu schieben.

"Aber ich muss mich verabschieden," beharrte Gayle.

"Das haben Sie schon, glaube ich."

Gayle blieb unvermittelt stehen, zwang sie beide zum Halt und blickte die Wärterin bittend mit tränengefüllten Augen an. Celeste jedoch schüttelte ablehnend den Kopf.

"Lassen Sie sie jetzt, Gayle. Es ist das Beste."

Celeste strich mit ihrer Hand sanft über die Wange der verstörten Frau.

"Lassen Sie sie gehen," sagte sie leise und dann nahm sie Gayles Hand und führte sie davon.
Vor Morgengrauen by DJWP
Lost Soul Walking
von DJWP

VOR MORGENGRAUEN...


Gayle saß im Dunkeln ihres Wohnzimmers und starrte in den stillen Fernseher, der nichts als ihr eigenes fahles Bild reflektierte. Auf diese Weise konnte sie Trost finden, einfach nur dazusitzen, sich selber zu beobachten und zu warten, dass die Minuten zu Stunden und die Nacht zum Tage wurde.

Sandra Goode war für 6.00 Uhr zum Sterben bestimmt. Jetzt war es 4.00 Uhr und Gayle war nicht in der Lage, zu schlafen. Sie musste sich immerzu Sandra vorstellen, alleine in ihrer hellerleuchteten Zelle und die Minuten bis zum Ende ihres Lebens zählend.

"Diesmal werde ich meinen Richterspruch annehmen, Gabrielle."

Gayle konnte die Worte der Verurteilten durch die Finsternis hallen hören.

"Und DENKE nicht einmal daran, mir zu folgen," wiederholte Gayle laut und fragte sich zum hundertsten mal, was genau die dunkle Frau damit gemeint haben könnte.

Sie konnte noch immer das Funkeln einer Warnung in den blauen Augen sehen, die sie durch die Gitter hinweg angeschaut hatten. Sie hörte sogar den leisen Anflug von Humor und Zuneigung in dieser tödlich ernsten Warnung.

Gayle dachte über diese Bemerkung nach und was sie wohl bedeuten mochte. Sie holte sich Sandras Bild hinter Gittern vor ihr geistiges Auge. Es tanzte durch die Dunkelheit, über den leeren Fernsehbildschirm, wieder und wieder, wie ein Schatten einer längst vergangenen TV-Show.

"Und DENKE nicht einmal daran, mir zu folgen."

Eine gehobene Augenbraue.

Verschränkte Arme.

Eine halbe Stunde verstrich, während Gayle in den stummen Fernseher starrte und sich die Szene wieder und wieder vorstellte.

"Gabrielle."

Der Name, so sanft ausgesprochen, umhüllte sie wie eine warme Decke.

Eine gehobene Augenbraue.

Ein Grinsen.

"Und DENKE nicht einmal daran, mir zu folgen."

Plötzlich bewegte sich der Schatten auf dem dunklen Bildschirm und Sandra Goode trug nicht länger die graue Anstaltskleidung, sondern das dunkle Leder und die goldenen Schnallen der Rüstung einer Kriegerin. Ihre blaue Augen funkelten voller Wärme.

"Gabrielle."

Gayle sprang von der Couch, während das Bild auf dem Monitor erschien und in ihrem Verstand explodierte.

Stolz stand die Kriegerin dort, ein Schwert über dem Rücken, die Schultern gestrafft, ein strahlendes Lächeln erhellte ihre Züge.

"Gabrielle."

Ein ernster Blick, eine befehlsgewohnte Stimme, aber das Funkeln von Zuneigung verließ diese Augen in der Farbe des Himmels nie.

Eine gehobene Augenbraue.

Verschränkte Arme.

"Und DENKE nicht einmal daran, mir zu folgen."

Gayles Augen weiteten sich vor der Erkenntnis, während die Erinnerungen ihr Bewusstsein eroberten und die Barrieren unzähliger Jahrhunderte niederstürzten.

"Bei allen Göttern!" ächzte Gayle und fuhr herum, um nach der Uhr zu sehen.

5.00 Uhr.

Gayle rannte zum Schrank im Flur, zerrte die Türe auf und suchte nach ihrer Handtasche, in der die Schlüssel für ihren Wagen lagen.

"Oh, bitte, lasst mich nicht zu spät sein."

Ihre Finger hasteten durch die Tasche und hatten endlich die Schlüssel gefunden. Sie warf die Tasche zur Seite und rannte durch die Tür, die hinter ihr geöffnet blieb, wegen der Eile, mit der sie dem Parkplatz zustrebte.

Sie zwängte ihren Körper in das Fahrzeug und hätte beinahe den Motor ersäuft, als sie den Wagen startete und ihren Fuß auf das Gaspedal rammte. Als der Wagen lief, wendete sie kreischend und dann schoss sie die Auffahrt hinunter auf die Straße. Der Wagen sprang vorwärts und fuhr in Richtung Morgengrauen, hinter ihr blieben nur schwarze Wolken zurück.

Während Gayle auf dem Weg ins Gefängnis war, dachte sie nicht daran, wie sie hineinkommen würde. Sie betete einfach zu einem Gott, der ihren Namen sehr gut kannte.

"Bitte, Hades. Lass es noch nicht zu spät sein. Das bist du ihr schuldig! Das bist du mir schuldig! Du bist uns beiden eine Menge schuldig!"

Sie musste einfach mit Sandra Goode reden. Ihrer beider Seelen hingen davon ab.

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Since no one knows what dawn will come,
Bearing the dismal future with its sorrows
In its hands, we tremble at full day, our dream
Fears all tomorrows.

(Wenn niemand weiß, was morgen kommt,
ob ungewisse Zukunft oder Bangen
in der Hand, wie zittern alle Tage, unsern Traum
fürchtet alles Morgengrauen.)

-Prolong the Night, Renee Vivien 1877-1909

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Im Morgengrauen by DJWP
Lost Soul Walking
von DJWP

IM MORGENGRAUEN…


Celeste Kismet wedelte mit ihrer ID-Karte der Wache am Gefängnistor zu und lächelte kurz, als dieser sie durchwinkte.

Die Sicherheit war wegen der Exekution von Sandra Goode an diesem Morgen extrem hoch. Die Gegend um das Gefängnis war bereits mit Demonstranten und Schaulustigen bevölkert. Warum sie immer herkamen, würde Celeste ein Rätsel bleiben. Es war nicht so, dass man irgendetwas sehen könnte. Es gab keine Fahne auf halbmast oder Rauchwölkchen, die aus einem Schornstein aufstiegen oder irgend etwas anderes.

Es erinnerte sie immer an diese Art von Mob, der voller Eifer den Galgen oder die Guillotine beobachtete: morbide Neugierde. Das brachte sie zum Schaudern aber dennoch musste sie bei dem Gedanken lächeln, wie schnell die Attraktivität eines solchen Ereignisses verschwunden war, wenn den Zuschauern der Gedanke an ihren eigenen Tod vor Augen trat, der sie eines Tages alle heimsuchen würde. Sie vergab ihnen, während sie ihre Identifikationskarte wieder in die Tasche schob und langsam mit ihrem Wagen anfuhr.

Da hörte Celeste einen Wagen, der mit quietschenden Bremsen hinter ihr zum Halten kam. Sie schaute in den Rückspiegel auf die Scheinwerfer, die trotz der aufsteigenden Sonne noch immer voll aufgeblendet waren.

"Was zur Hölle...?!" grummelte sie und schaute den Sicherheitsdienst an. Dessen Gesichtsausdruck spiegelte ihren eigenen perfekt wider. Dann erkannte sie die Stimme, die laut aus dem Seitenfenster des Wagens rief.

"Bitte... Bitte...gehen Sie aus dem Weg. Ich muss hinein."

Celeste hörte erstaunt die bittenden Rufe der Psychologin, Gayle Bardo. Sie blinzelte in den Rückspiegel und erkannte augenblicklich die Frau hinter sich.

Die Wärterin stürzte förmlich aus ihrem Wagen und rannte auf die junge Frau in ihrem Fahrzeug zu.

"Gayle! Was glauben Sie denn, was Sie hier machen?"

Die Wärterin steckte ihren Kopf durch das Seitenfenster und fauchte. "WAS TUN Sie hier?!"

"Bitte, Celeste. Ich brauche Ihre Hilfe." Gayles flehende grüne Augen ließen allen Ärger im Herzen der Wache dahinschmelzen.

"Bitte, Celeste. Ich flehe Sie an. WIR brauchen Ihre Hilfe."

"Was ist los, Gayle?"

Gayle legte ihre Hand über Celestes und drückte sie.

"Bitte, nehmen Sie mich mit hinein."

"WAS?"

Gayle drückte die Hand der Frau fester.

"Bitte, Bitte Celeste. Ich muss noch einmal mit ihr reden, bevor sie... bevor sie stirbt."

Celeste schüttelte verneinend den Kopf.

"Das kann ich nicht machen, Gayle. Die hohen Tiere werden bald eintreffen. Es ist nicht mehr genügend Zeit."

"Ich brauche nur eine Minute oder zwei. Bitte Celeste. Sie haben ja keine Ahnung, wie wichtig das ist. Sie ist dabei aufzugeben und das kann ich einfach nicht zulassen."

"Was aufzugeben, Gayle?" fragte Celeste und unterdrückte ein Zittern, das ihr plötzlich durch die Glieder fuhr.

"Sie ist dabei, ihre Chance auf Erlösung aufzugeben. Das können wir nicht zulassen. Ihre Seele steht auf dem Spiel."

Celeste trat vom Wagenfenster zurück, sie hatte eine Entscheidung getroffen.

"Folgen Sie mir," sagte sie und lief zu ihrem Wagen um mit der Torwache zu reden.

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Celeste eilte mit Gayle den Korridor hinunter, ohne sich um die fragenden Blicke der anderen Wachen zu kümmern. Vor der Exekution ist dem Gefangenen nicht mehr gestattet, Besucher zu empfangen. Celeste jedoch besaß in der Frauenabteilung des Todestraktes mehr als nur ein wenig Autorität. Solange Gayle bei ihr war, würde das Auftauchen der jungen Psychologin nicht in Frage gestellt werden.

Celeste stoppte kurz hinter dem Tor zum Todestrakt, noch bevor sie Sandras Zelle erreicht hatten. Dort stand eine Wache – die Standardprozedur am Morgen vor einer Exekution, als Sicherheitsmaßnahme gegen einen Suizidversuch oder andere Akte von Eigenmanipulation. Aus Sandras Zelle jedoch waren keine Geräusche zu vernehmen.

Celeste nickte dem Wachhabenden zu und bedeutete ihm, dass es Zeit für seine Ablösung sei. Sie war damit betraut worden, die Gefangene zur Exekutionskammer zu geleiten. Es war ihre Pflicht, als Oberaufseherin in der Frauenabteilung. Dies war nicht die erste Frau, die sie den langen Korridor hinunter geführt hatte. Und so sehr sie auch betete, es möge die letzte sein, so sicher wusste sie, dass die Ereignisse diesen Wunsch niemals Wirklichkeit werden lassen würden.

Als der Korridor schließlich leer war, trat Celeste vor die Zelle und betrachtete die Insassin. Sandra saß auf dem Bett und starrte die Wand an.

"Danke, Celeste," sagte Sandra leise.

"Danke wofür, Sandra?" entgegnete Celeste.

"Dafür, dass Sie mir gegenüber freundlich waren. Das war mehr, als ich verdiene."

"Jeder verdient Freundlichkeit, Kindchen," antwortete Celeste, "... und Liebe."

Als Sandra auf diese unerwartete Bemerkung hin aufblickte, winkte Celeste jemanden in Sandras Blickfeld.

Die dunkle Frau schrak zusammen, als Gayle auftauchte.

"Was tust du denn hier?" stöhnte Sandra, kaum fähig, ihre Emotionen unter Kontrolle zu halten. "Bitte, ich will nicht, dass du mich jetzt siehst."

Die Verurteilte stand schnell von ihrem Bett auf und drehte das Gesicht zur Wand, fort von der jungen Frau.

"Bitte, geh fort. Ich kann jetzt nicht mit dir sprechen."

Celeste zog sich von der Zelle zurück und erhob keinen Einspruch, als Gayle die gelbe Linie überschritt und ihre schmalen Hände um die Gitterstäbe schlang.

Sandra stütze ihre Handflächen gegen die kalte Betonmauer und lehnte ihre Stirn an die graue Wand.

"Xena." Flüsterte Gayle.

Celeste hob überrascht die Augenbrauen, als sie den fremden Namen vernahm, aber die Wärterin wusste besser, dass sie dazu nichts zu sagen brauchte. Was sich hier abspielte, stand völlig außerhalb ihres Erfahrungshorizontes. Sie war nur froh, dass sie helfen konnte.

"XENA!" rief Gayle fordernd und laut.

Die dunkle Frau erstarrte bei diesem Namen und drehte sich langsam herum, eine Augenbraue in der so vertrauten und geliebten Art in die Höhe gezogen.

"Erinnerst du dich jetzt?"

Die Verurteilte trat aus dem Schatten der Zelle heraus ans Licht.

"Du bist ein bisschen spät dran, Gabrielle."

Gabrielle zuckte mit den Schultern.

"Besser spät, als nie," Gabrielles Augen waren erfüllt mit Erinnerungen und Erkenntnissen. Xena konnte die Gedanken beinahe lesen, die über die strahlenden Züge der Bardin tanzten. Ihre Lippen verzogen sich zu einem traurigen Lächeln.

"Du bist so starrköpfig, Gabrielle," sagte Xena und schüttelte ihren Kopf.

"Also ich bin ein wenig spät. Was ist schon dabei? Ich werde sicherstellen, dass ich es das nächste mal ein wenig früher schaffe."

Xenas Lächeln ging komplett verloren. "Was dabei ist?" wiederholte die Kriegerin ungläubig, durchquerte den Raum bis zu den Gitterstäben in zwei lang ausgreifenden Schritten und schaute die Frau draußen wütend an. "Noch mehr Tode, Gabrielle. Noch mehr Blut an meinen Händen!" Xena schaute voller Ekel auf ihre Handflächen und dann wieder auf. "Es wird mit jedem Versuch schlimmer. Es scheint, dass mit jeder Reinkarnation unsere Erinnerungen später wieder zu uns kommen. Du hast dich nicht erinnert, bis es beinahe zu spät war, dieses mal! Was wird das nächste Mal passieren? Vielleicht kommen unsere Erinnerungen das nächste mal überhaupt nicht zurück und dann wird mich niemand mehr aufhalten können! Nicht einmal ich selber! Wie viele Menschen müssen noch durch meine Hände sterben, Gabrielle, bevor wir das hier endlich aufgeben?"

"Nein, Xena NEIN! Du kannst nicht aufgeben! Das werde ich nicht zulassen! Du hast es versprochen! Und Hades hat gesagt, dass wir so viele Versuche haben, wie wir wollen! Er ist es uns schuldig und du bist es dir schuldig!"

"Ich schulde es der Menschheit, endlich aufzuhören."

"Und was ist mit mir?" fragte Gabrielle geduldig.

"Ich bin es dir ebenso schuldig."

Gabrielle wollte gerade missbilligend ihren Kopf schütteln, als Xena ihre Hände mit den ihren bedeckte.

"Gabrielle. Du verdienst es, in den Feldern zu weilen. Es ist Zeit für dich, zu gehen."

"Nicht ohne dich."

"Ich werde es nie in die Felder schaffen, egal, wie oft wir es noch versuchen."

"Hades hat gesagt, es bedarf nur eines einzigen Males..."

"Nun, das wird einfach nicht passieren."

"Einmal noch, Xena, bitte. Nur noch ein einziges Mal."

Xena schüttelte den Kopf, dunkle Locken fielen ihr ins Gesicht und sie starrte auf den Boden.

Gabrielle wollte noch nicht aufgeben. "Xena, ich verspreche dir, dass ich es rechtzeitig zu dir schaffe. Ich werde sicherstellen, dass ich da bin. Es wird nicht wieder das Gleiche passieren. Es wird alles anders sein. Ein einziger Versuch, das ist alles, worum ich bitte."

"Nein Gabrielle," sagte Xena ernst und trat von den Gittern zurück, aber Gabrielle schlang ihre Finger um Xenas Hand und hielt sie fest.

"Nein, Xena. Versprich mir, dass du wartest und den Richterspruch nicht annimmst."

Xena betrachtete die Frau, die ihr mehr bedeutete, als ihre eigene Seele. Sie konnte dieses Versprechen nicht geben.

"Versprich mir, dass du wartest!" flehte Gabrielle.

Xena zog ihre Hände unter denen der Bardin hervor und stöhnte unter dem Schmerz der Trennung auf.

"Nein, Xena bitte. Hör mir zu." Die Bardin weinte jetzt, glitzernde Tränen rannen aus schmerzerfüllten grünen Augen. Sie schlug mit den Fäusten gegen das Metall, als Xena zurück wich.

"Gabrielle," Xena sprach den Namen auf die Weise aus, die die Bardin so liebte. Gabrielle hob ihre tränenverschleierten Augen und hielt ihr Schluchzen im Zaum.

Die Kriegerin trat in den Schatten im Hintergrund der Zelle. "Es ist Zeit für mich, zu gehen."

Die Geräusche einer Gruppe von Männern, die sich näherten, erregte die Aufmerksamkeit von Celeste und Gabrielle. Die Wärterin geriet für einen Moment in Panik und zog die Psychologin vom Gitter fort.

Gabrielle entwandt sich ihrem Griff und stürzte zurück zur Zelle, in die ausgebreiteten Arme der Kriegerin, tauchte in die Wärme ein, obwohl die Gitterstäbe zwischen ihnen waren und sie trennten. Xena drückte sie fest und küsste ihren Scheitel, bevor sie sanft ihre Wange am rotgoldenen Haar rieb.

"Ich liebe dich so sehr," flüsterte Xena heiser.

Gabrielle konnte zur Erwiderung nur nicken.

"Und jetzt lass mich gehen."

Gabrielle löste ihren Griff und beide wichen voneinander zurück, gerade als das Geräusch des sich öffnenden Tores zum Todestrakt durch den Korridor echote.

"Xena, tu das nicht," beharrte Gabrielle, während eine Gruppe von Männern in Sicht kam, die in einer strengen Formation auf sie zumarschierte.

Celeste schob Gabrielle aus dem Weg, die Blicke der Wache auf die unerwartete Besucherin ignorierend.

"Wer ist das?" Die tiefe Stimme der Wache blaffte die Wärterin an.

"Verwandtschaft," erwiderte Celeste kurz angebunden. "Letzter Wunsch."

"Höchst ungewöhnlich," kommentierte die Wache skeptisch.

"Letzter Wunsch," wiederholte Celeste.

"Wird sie der Exekution als Zeugin beiwohnen?" fragte die Wache.

"Nein," antwortete Celeste schnell.

"Ja," folgte Gabrielles ernsthafte Entgegnung, Celeste übertönend.

"NEIN!" Verlangte Xena und alle Köpfe wandten sich in ihre Richtung.

"JA!" Beharrte Gabrielle starrköpfig. "Ich werde da sein!"

Xena schüttelte noch immer ihren Kopf als Erwiderung, während ihr schon die Fesseln an Handgelenken und Füßen umgelegt wurden.

Gabrielle starrte Xena an den Körpern der Gefängnis-Offiziellen vorbei an. "Du wirst da NICHT alleine durchgehen!" verlangte die Bardin.

Xenas Grinsen war der Bardin Beweis genug, dass sie diese Diskussion mit der Kriegerin gewonnen hatte und ihr diese nun erlaubte, Zeugin der Exekution zu sein. Sie gab den Wachen ein Zeichen und diese drehten sich um und nickten Celeste zu.

"Begleiten Sie sie zum Zuschauerraum," ordnete die Wache an und wandte sich dann ab.

"Kommen Sie, Gayle oder Gabrielle oder wer immer Sie sein mögen," sagte Celeste freundlich und legte sanft eine Hand auf den Arm der Bardin. "Wir müssen in den Zuschauerraum gehen."

Gabrielle tätschelte dankbar die Hand der Frau und wandte sich noch einmal zu Xena um. "Ich WERDE dir folgen, weißt du."

Xena funkelte Gabrielle an.

"Die Felder oder der Tartarus... wir gehen gemeinsam," beharrte die Bardin.

Eine Gruppe von Gefängnispersonal umgab die Verurteilte und sie traten aus der Zelle.

Xena hielt vor der Bardin und schaute sie traurig an. "Hades wird dich nicht in den Tartarus einlassen... er schuldet mir noch einen Gefallen. Er wird mir versprechen müssen, dass er dich dahin schickt, wo du hingehörst."

Gabrielle hätte beinahe wieder angefangen, zu weinen. "Xena, bitte... tu es nicht... noch einen Versuch. Ich flehe dich an."

Die Männer machten Anstalten die Gefangen fort zu führen und ignorierten die bettelnde Frau, insgeheim grinsten sie jedoch über diese verrückte Richtung des Gespräches.

Gabrielle griff nach dem Arm der Kriegerin, als diese vorüber kam und hielt abrupt die ganze Prozession auf.

"Verlass mich nicht," schluchzte Gabrielle.

Xena schaute in die Augen ihrer Freundin, ertrank im Anblick ihrer Schönheit, der Art, wie das Licht in ihrem Haar funkelte und der Sorge um sie, die immer da war, egal unter was für Umständen auch immer.

"Berühren Sie die Gefangene nicht!" warnte die Wache und zog Xenas Arm von der Bardin fort. Ein kurzer Anflug von Zorn fuhr durch die Glieder der Kriegerin. Sie wusste, dass sie die Ketten zerbrechen konnte und sie alle schneller bewusstlos schlagen konnte, bevor dieser dicke, fette Bürokrat auch nur einen Atemzug gemacht hatte, aber das war nicht Teil des Spieles, dieses mal nicht.

Statt dessen entzog sie ihm ihren Arm und bedachte ihn mit einem Blick. Der Mann ließ die Hände sinken und trat einen Schritt zurück, plötzlich hatte er erkannt, dass die Situation völlig von dieser Frau beherrscht wurde.

Xena umfing Gabrielles Gesicht mit ihren gefesselten Händen und neigte ihren Kopf um die Lippen der Bardin in einem sanften Kuss einzufangen.

"Zu wissen, dass du in den Elysischen Feldern glücklich bist, ist die Ewigkeit im Tartarus wert."

Sie wischte eine Träne fort, die einem grünen Auge entkommen war.

"Denk hin und wieder an mich. Ich werde deine Gedanken hören können."

Xena entließ Gabrielles Gesicht aus ihren Händen und drehte sich um. Die Gruppe begann ihren Weg durch den Korridor auf eine große, schwere Stahltür zu, hinter der die Gaskammer lag.

"Toter Mann kommt!" Rief der führende Officer wem auch immer zu. Leere Zellen antworteten, während die Tür der Kammer sie erwartete.

Celeste griff um Gabrielles Schulter und schob sie sanft in die entgegengesetzte Richtung.

"Wir müssen uns beeilen, wenn wir es noch bis in den Zuschauerraum schaffen wollen. Es geht hier entlang. Wollen Sie noch immer dahin?"

Gabrielle schaute die Frau an und wischte sich die Tränen aus den Augen. "Ich muss doch noch irgend etwas anderes tun können?"

"Liebes," sagte Celeste und nahm die Hände der Bardin in ihre eigenen. "Ich glaube, ich verstehe kaum, was hier vor sich geht. Es scheint, als würdet ihr seit sehr, sehr langer Zeit immer wieder durch dasselbe Szenario gehen. Sie will, dass es zu einem Ende kommt."

Gabrielle starrte in Celestes freundliche Augen, erstaunt, dass die Wärterin so gut zu verstehen schien, was passiert war.

Celeste drückte noch einmal Gabrielles Hand und lächelte. "Liebst du sie?"

"Ja, absolut. Mehr als meine eigene Seele," antwortete Gabrielle und wischte die Traurigkeit aus ihren Augen.

"Dessen waren wir uns immer sicher," kommentierte Celeste und Gabrielles Brauen zogen sich in die Höhe. "Jetzt liegt es an Xena, das Gleiche anzubieten."

Celeste lächelte über den fragenden Ausdruck in den Augen der Bardin. "Komm mit. Schicken wir sie auf ihren Weg. Sie will, dass du da bist, ihr zur Seite stehst, oder nicht?"

Gabrielle nickte ernst, gab sich selber das Versprechen, dass sie es irgend wie schon schaffen würde, immer an Xenas Seite zu sein – und verdammt sei das Schicksal, wenn es dies anders geplant haben sollte.

"Lass uns gehen," sagte Celeste und nahm Gabrielle bei der Hand, "Es ist Zeit, Xena zu ihrem Richterspruch zu geleiten."
6 Uhr by DJWP
Lost Soul Walking
von DJWP

6.00 UHR...


Während Gabrielle und Celeste auf dem Weg durch Myriaden von Gängen und Gefängniskorridoren waren, um den Publikumsraum der Exekution zu erreichen, war Xena bereits in der Glaskammer auf einen Stuhl gesetzt worden und die letzten Riemen wurden um ihre Glieder gelegt.

Zwei schwarz gekleidete Gefängniswärter zogen sie fest und prüften den Sitz an den Handgelenken der Gefangenen und wichen dann, zufrieden mit ihrem Werk von der Verurteilten zurück. Sie gingen vorsichtig um den Spender und ein Wassergefäß herum, sorgsam darauf bedacht, weder das eine noch das andere zu berühren, verließen sie die Kammer.

Die Tür wurde fest verschlossen, aber im Publikumsraum war kein Ton davon zu hören. Die Glaswände der Kammer waren dick und geräuschundurchlässig. Nur der schwere Atem und die nervösen Bewegungen von etwa einem Dutzend ‚Zeugen’, die ungeduldig darauf warteten, dass die Tablette fallen möge, störte die Stille.

Sandra Goode nahm keine Notiz von den drei Reihen Gesichtern, die sie mit selbstgerechten Minen betrachteten, als wäre sie ein Film, der zu ihrer Unterhaltung abgespielt wurde. Stattdessen durchforschte sie den Raum mit intensiven, blauen Augen, bis sie die einzige Person gefunden hatte, die für ihre dunkle Seele wirklich zählte.

Celeste und Gabrielle hatten den Raum so leise wie möglich betreten und sich entschieden, im Hintergrund an der Wand stehen zu bleiben. Xenas Augen fanden die Bardin, aber sie konnte ihr ihr Erkennen nicht zunicken, ihr Kopf war fest an die Lehne des Stuhles gebunden und sie konnte ihn nicht bewegen. Sie verzog die Mundwinkel ein wenig nach oben zu einem kleinen Lächeln und ihre Augen füllten sich mit ungewöhnlicher Wärme, ungewöhnlich vor allem für diejenigen, die sie als Sandra Goode kannten. Für die Zuschauer im Raum war ihr Gesichtsausdruck mehr als ungewöhnlich.

Ein paar privilegierte Zeitungs- und Fernsehreporter drehten sich in ihren Sitzen um, um zu sehen, wer denn diese besondere Aufmerksamkeit der verurteilten Serienmörderin auf sich gezogen hatte und in der Tat die sonst eiskalte Mine zum Schmelzen brachte. Sie erspähten Gabrielle und Celeste am hinteren Ende des Raumes und schrieben hastige Notizen in verschiedene kleine Bücher. In den kommenden Tagen würde Gabrielle von diesen Reportern verfolgt werden und riesige Geldsummen angeboten bekommen für ein Interview. Die Bardin würde jeden ablehnen, bis endlich die Angebote ausblieben, so wie auch die Erinnerung an ihre Teilnahme an diesem Ereignis und sogar die Infamie einer Sandra Goode selber verblasst waren. Alles würde vergessen sein, wenn sich wieder ein neues, medienträchtiges Drama ereignete.

Auch jetzt beschloss Gabrielle die Blicke der Presse nicht zur Kenntnis zu nehmen. Sie erwiderte auch nicht das schmale, subtile Lächeln ihrer ewigen Freundin. Obwohl sie und Xena so oft durch diesen speziellen Augenblick gegangen waren, durch viele Leben hindurch, konnte sie nichts dagegen tun, dass sie wütend war und wieder einmal das Schicksal verfluchte – sogar Hades selber. Immer wieder war ihnen die Chance gegeben worden und immer wieder hatte sie das gleiche Ergebnis zur Folge.

Die Bardin hielt sich an Xenas Blick fest und ihr Herz hörte beinahe auf, in ihrer Brust zu schlagen. Was sie dort sah, war die grimmige Entschlossenheit der Kriegerin diesem niemals endenden Kreislauf von vergeblicher Hoffnung auf Erlösung ein Ende zu bereiten.

Dieses mal würde die Kriegerprinzessin direkt in Hades’ Reich einkehren und ihren endgültigen Richterspruch des Herrn der Unterwelt annehmen und Gabrielle würde nicht dort sein können, um zu ihren Gunsten zu sprechen... Die Bardin war sich sicher, dass das Schicksal der Kriegerin nicht ihr eigenes sein würde. Wohin Xena jetzt ging, dahin konnte sie ihr nicht länger folgen. Dieser Gedanke war für die Bardin schier unerträglich.

"Nein!" stieß Gabrielle flüsternd hervor, aber Celeste brachte sie mit einer beruhigenden Geste zum Schweigen.

Xena hielt die Augen der Bardin fest.

Der Klang eines eingeschalteten Mikrofons ließ alle im Raum zusammenschrecken. Ein Zischen und dann ein paar Klapse um die Funktionstüchtigkeit zu prüfen und schließlich eine tiefe Stimme, die durch den Raum und das Innere der Exekutionskammer hallte.

"Sandra Goode, Sie sind durch das Hohe Gericht zum Tode verurteilt. Das Urteil wird exakt um 6.00 Uhr durch Verabreichen eines tödlichen Gases ausgeführt werden."

Dann entstand eine Pause, in der niemand wagte, auch nur das kleinste Geräusch von sich zu geben. Ein paar Zuschauer bewegten sich aufgeregt in ihren Sitzen, streckten sich, um einen besseren Blick in die Kammer und den Spender zu erhaschen. Celeste beobachtete sie sehr genau, um jeden, der sich in dieser geschmacklosen Weise verhielt, in Erinnerung zu behalten. Sie würden sich für ihre Aktionen verantworten müssen, wenn ihre Zeit herangekommen war und sie würde dabei ganz sicher gehen.

Die große Uhr über der Kammer tickte laut, während der Zeiger immer näher an die angegebene Zeit heran rückte.

Noch eine Minute.

"Sandra Goode," rief die tiefe Stimmer durch das Mikrofon, "haben Sie noch ein letztes Wort?"

Die Frage erregte die Aufmerksamkeit der Gefangenen und ließen sie den Blickkontakt zur Bardin für einen Moment verlieren. Sie versuchte, ihren Kopf zur Tür der Kammer zu drehen, hinter der sie die Gefängnisoberen vermutete, aber sie konnte es nicht, weil ihr Kopf so fest angeschnallt war, wie ihre Glieder.

Sie leckte sich mit der Zunge über ihre plötzlich ausgetrockneten Lippen und wandte ihren Blick wieder der Bardin zu, bereit zu sprechen, aber Gabrielle trat rasch ein paar Schritte von der Wand weg und diese Bewegung stoppte ihre Worte.

"Du hast es mir versprochen!" schrie Gabrielle mit lauter Stimme und lief von der Wand weg. "Du hast mir versprochen, du würdest mich niemals verlassen! Auch im Tod nicht, hast du gesagt... auch im Tod..."

Celeste lief hinterher um die Bardin aufzuhalten, aber Gabrielle riss sich los.

Obwohl Xena die Worte nicht hören konnte, konnte sie doch die Lippenbewegungen ihres wütenden Appells erkennen. Die Kriegerin brachte die Bardin mit einem einzigen, leise gesprochenen, Wort zum Schweigen.

"Gabrielle."

Xenas warme Stimme erfüllte den Zuschauerraum, noch verzauberter durch das Übertragungssystem.

Die Bardin war augenblicklich still.

"Ich lege dir meine Seele zu Füßen." Xena hielt inne und zu jedermanns Überraschung lächelte sie. "Sage mir nicht, dass du sie nach all der Zeit nicht willst?"

Die schockierte Reaktion der Zuschauer über die Worte der verurteilten Frau war, sich auf ihren Stühlen umzudrehen und offen die Psychologin anzustarren.

Der Klang der Uhr, das Ticken des Zeigers zog schließlich jedermanns Aufmerksamkeit auf sich.

"Es ist Zeit, Gabrielle." Sagte Xena ernst.

Ihr Satz wurde durch das Abschalten des Mikrofons abgeschnitten. Der Zuschauerraum war plötzlich und schmerzlich leer, ohne den Klang von Xenas tiefer und wohltönender Stimmer. Alle beobachteten, wie eine Tablette still aus dem Spender rutschte und wie in Zeitlupe, lautlos in das Wassergefäß unter Xenas Stuhl fiel.

Noch bevor eine kleine Rauchwolke für die Zeugen sichtbar wurde, hatten sich Xenas Augen geschlossen und die Kriegerin ihren letzten Atemzug getan. Die Riemen verhinderten, dass ihr Kopf zur Seiten fallen konnte oder ihr Körper in sich zusammensank, aber es war in der beinahe schmerzhaften Bewegungslosigkeit ihrer Muskeln mehr als offensichtlich, dass die verurteilte Mörderin Sandra Goode nicht mehr am Leben war. Und mit ihr war die Seele der Kriegerprinzessin fortgegangen.

Celeste musste die schluchzende Gabrielle aus dem Raum führen.

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So many years ago you said
Something that sounded like Good-bye;
And everybody thinks that you are dead,
But I.

(Vor vielen Jahren sagtest du
etwas, es klang wie Lebewohl;
und jeder dachte du seiest tot
nicht ich.)

So I, as I grow stiff and cold
To this and that say Good-bye too;
And everybody sees that I am old
But you.

(Und als ich steif und kalt
und jenen anderen Lebwohl gesagt
und jeder sah, dass alt ich nun
nicht du.)

And one fine morning in a sunny lane
Two lovers will meet and kiss and swear
That nobody can love their way again.
While over there
You will have smiled, I shall toss your hair.

(Und in eines Morgens erstem Sonnenstrahl
zwei Liebende erneuern Schwur und Kuss
und keiner kann so lieben je.
Denn dort
Sei dein Lächeln und meine Hand in deinem Haar.)

A Quoi Bon Dire, Charlotte Mew 1869-1929

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Eine Lebensspanne später by DJWP
Lost Soul Walking
von DJWP

EINE LEBENSPANNE SPÄTER...

Gabrielle eilte so schnell sie konnte über die riesigen Treppen, die in den langen, uralten Korridor führten, hinab. Sie übersprang die beiden letzten Stufen und landete mit beiden Beinen auf dem steinernen Boden, und hielt nicht einmal inne, um sich die Zeit zu nehmen, die prächtigen Ornamente und Verzierungen zu betrachten, wie es jede Seele tat, die das erste mal in Hades Reich ankam.

Die Bardin hatte diesen Weg schon viele Male zuvor genommen. Manchmal vor der Kriegerin, öfter jedoch nach der Kriegerin. Aber niemals zuvor hatte sie solche Angst, wie jetzt, als sie den hohen Gang betrat.

Ihre kräftigen Beine trugen sie leicht und flink durch die Halle. Sie war wieder die Amazonenkönigin, gekleidet in ihren braunen Rock und das Top. Sie hielt einen Kampfstab fest in der Hand und ihre Tasche mit den Schriftrollen hing über der Schulter und schlug mit jedem Schritt gegen ihre Hüfte, während sie den Korridor zum Totenreich entlang hastete.

Ihr Herz ließ sie nicht langsam gehen, also rannte sie – rannte, um eine Audienz beim Fürsten der Unterwelt zu bekommen und endlich das Schicksal der einzigen Seele zu erfahren, die sie höher als alle anderen schätzte, sogar höher als ihre eigene.

Sie hoffte mit unerschütterlichem Optimismus, dass Xena in Hades’ Thronsaal auf sie wartete, einmal mehr den Richterspruch zurückgewiesen habe und willens war, eine weitere Chance auf Erlösung zu ergreifen.

Die Bardin betete im Stillen zu verschiedenen Göttern, rief sie laut bei allen Namen und Titeln, die sie sich durch die Zeiten und Pläne gewählt hatten, durch die sie hatte gehen müssen in ihrer unendlichen, sich wiederholenden Existenz. Die Götter liebten es, gepriesen zu werden und so rief sie sie an, in dem Bemühen, ihre Zuneigung zu erringen.

Aber unter ihrem Atem verfluchte sie den Namen eines Gottes allein.

"Ich schwöre dir, Hades, wenn du mich nicht in den Tartarus mit ihr gehen lässt... werde ich... werde ich... werde ich... jede deiner netten Vasen zerschmettern, die ich in diesem Korridor und allen anderen dazu, finden kann... und deine hübschen Statuen auch!"

Je schneller sie rannte, um so mehr fluchte sie. Je mehr sie fluchte, um so wütender wurde sie. Als sie endlich durch den Eingang in Hades Audienzsaal platzte, war sie völlig außer sich.

Sie stapfte an Zerberus vorbei und ignorierter die Bestie komplett. Sie hatte schließlich schon lange keine Angst mehr vor ihm. Zerberus beschwerte sich jaulend, als er die Bardin erkannte und war enttäuscht, dass sie nicht anhielt, um ihm ein wenig den Bauch zu kraulen.

Gabrielle schob ein paar wartende Seelen aus dem Weg und drängelte sich in die erste Reihe.

"Also gut, Hades. Wo ist sie?" verlangte die Bardin, stützte die Hände in die Hüften und tippte ungeduldig mit dem Fuß auf den Boden.

"Gabrielle!" Der Gott lächelte die Bardin freundlich an und winkte mit einer knappen Bewegung seiner ringgeschmückten Hand eine Seele in Richtung Charons Boot. "Wir haben auf dich gewartet. Was hat dich dieses Mal denn so lange aufgehalten?"

"Ich hatte ein erfülltes und glückliches Leben, aber dafür bedanke ich mich nicht auch noch bei dir," brauste die Bardin auf und funkelte den Gott an.

"Was? Kein Unfall? Kein Missgeschick? Nichts, um die Wartezeit zu verkürzen?" fragte der Gott in beinahe neckischer Weise.

"Das ist nicht komisch, Hades. Ich habe bis in das hohe Alter von 95 gelebt. Das war sehr unfair und du weißt das!" Die Bardin drohte dem Herrn der Unterwelt mit dem Finger.

"Nun, nun, kleine Bardin," versuchte Hades sie zu beruhigen und lehnte sich bequem auf seinem Thron zurück. "Du weißt doch, dass ich keinen Einfluss auf das Schicksal habe. Jedes Mal, wenn du die Reise von neuem angetreten hast, dann hast du dein Leben in ihre Hände gelegt... und völlig aus meinen genommen."

"Du glaubst nicht im Ernst, dass ich dir das abkaufe, oder? Ich habe nicht all diese Jahrhunderte mit Xena verbracht für nichts. Wenn ich etwas gelernt habe, dann traue nie... NIEMALS... den Göttern!"

Hades hätte eigentlich beleidigt sein müssen, aber er kannte die Kriegerprinzessin und ihre Bardin zu gut. Der Herr der Unterwelt konnte nicht anders, als zu kichern. Außerdem, sie hatte ja recht – in gewisser Weise.

"Wie überaus undankbar von dir, Gabrielle," stellte der Gott fest, spiegelte Zorn vor und erhob sich von seinem Thron.

"Ich wäre dankbar, wenn du mir endlich sagen würdest, wo sie ist," sagte Gabrielle und blickte sich ärgerlich im Thronsaal um, auf der Suche nach einer bekannten und vertrauten schwarzen Mähne oder glänzenden, blauen Augen.

"Sie wartet nicht hier, nicht wahr? Xena hat ihren Richterspruch angenommen und DU hast es ohne mich zugelassen. Wo hast du sie hingeschickt, Hades? Und ich bekomme jetzt BESSER eine Antwort!"

"Du willst mir doch nicht drohen, Kleine?" Hades kam herunter und beugte sich über die Bardin. Gabrielle war nicht sonderlich beeindruckt. Sie kannte den Herrn der Unterwelt zu gut.

Der Gott lächelte und streichelte ihr kurz über die Wange, dann wurde sein Gesichtsausdruck plötzlich sehr ernst.

"Sie wurde fair gerichtet und dahin geschickt, wo sie hingehört, Gabrielle. Und jetzt ist es Zeit, für dich das Gleiche zu tun." Hades drückte die Schultern der Bardin und wandte sich um und rief in Richtung des Raumes, der sich hinter seinem Thron befand.

"Celesta! Würdest du bitte? Ich brauche deine Hilfe."

Die Vorhänge hinter dem Thron glitten zur Seite und Celesta, die Schwester des Hades, die rechte Hand des Todes schritt in den Audienzsaal, in der Hand eine Kerze und auf den Lippen ein Lächeln für die Bardin.

"Gabrielle. Wie schön, dich wieder zu sehen. Dieser Raum ist doch viel schöner, als das Gefängnis, nicht wahr?"

Gabrielle betrachtete Hades’ Schwester mit Bedacht und erkannte sie augenblicklich als die Gefängniswärterin, die ihr über Xenas letzte Stunden hinweg geholfen hatte.

Celesta schwebte auf Gabrielle zu und legte eine warme, weiche Hand auf ihren Arm.

"Komm, mein Liebes. Lass mich dich zu Charons Boot bringen."

"Wohin bringt er mich?" fragte Gabrielle Celesta und Hades und ihre Blicke huschten von der einen zum anderen.

"Wieso, zu den Feldern natürlich, Liebes. Dein Schicksal sind schon immer die Elysischen Gefilde gewesen."

"NEIN!" schrie Gabrielle und zerrte ihren Arm aus Celestas Griff. "Ich werde nicht gehen. Ich habe sowieso nicht das Fährgeld."

Hades trat vor und legte einen Arm um die Schulter der Bardin.

"Du hast das Fährgeld schon vor langer, langer Zeit bezahlt, Gabrielle," Der Gott begann, Gabrielle vorwärts zu schieben, in Richtung des Ufers des Flusses Styx, "und außerdem..."

"Nein, Hades. Ich gehöre nicht in die Elysischen Gefilde. Ich habe getötet. Ich habe schlimme Dinge getan. Ich habe Xena verraten. Ihren Sohn umgebracht."

"Du hast ihren Sohn nicht getötet."

"Nun ja, es war aber eine Schuld. Ich habe eine Menge Dinge getan... in allen meinen Leben... um den Tartarus zu verdienen."

"Gabrielle," sagte Celeste und schwebte an die andere Seite der Bardin. "Dein Richterspruch war immer, in den Elysischen Feldern zu sein, seit dem aller ersten Mal, da du Hades’ Reich betreten hast. Und du weißt das auch."

"Ich weiß," seufzte die Bardin und hörte auf, die Schwester des Herrn der Unterwelt anzustarren, "Aber ich verdiene es nicht."

"Doch, das tust du. Das hast du schon immer." Beharrte Celesta. "Du hast deine Seele für Xena geopfert. Du hast Xenas Leiden wieder und wieder geteilt, eure Leben wieder und wieder aneinander gebunden. Warum hast du das getan, Gabrielle, wenn du gleich beim ersten mal in die Elysischen Felder hättest gehen können?"

"Ich glaubte an ihre Hoffnung auf Erlösung. Ich war sicher, dass wir den Lauf der Dinge hätten ändern können. Ich habe an sie geglaubt."

"Wie konntest du nur so einen felsenfesten Glauben in sie haben, wenn sie dir immer wieder das Gegenteil bewiesen hat."

"Weil ich sie liebe."

"Mit deiner ganzen Seele?"

"Ja, mit meiner ganzen Seele."

Hades stellte sich vor die Bardin und lächelte und legte ihr die Hände auf die Schulten.

"Gabrielle. Deine Bereitschaft, deine Seele im Namen der Liebe zu opfern, wäscht dich von allen deinen Sünden rein. Für solch ein Opfer sind die Elysischen Gefilde der rechte Lohn."

"Was für ein Lohn ist das? Wenn ich die Ewigkeit in den Elysischen Gefilden ohne Xena verbringen muss, dann ist das für mich auch nicht besser als der Tartarus."

"Wer sagt denn, dass Xena nicht in den Gefilden weilt?" kommentierte Celesta sanft, trat näher an die aufgeregte Bardin heran und nahm sie erneut am Arm.

"Xena..." stammelte die Bardin, kaum die neu aufkeimende Hoffnung in ihrem Herzen verbergend, "sie ist in den Elysischen Gefilden?"

Hades schmunzelte und klopfte ihr auf den Rücken, schob sie freundlich vorwärts zum Strand des Styx.

"Oh ja. Sie wartet auf dich. Und nicht gerade sehr geduldig, das kann ich dir sagen."

Der Herr der Unterwelt lachte schallend und stellte sich die Kriegerprinzessin vor, wie sie wütend am Elysischen Strand auf und ab marschierte, jede Minute des Wartens eine nervenzerrüttende Ewigkeit.

Wann immer Hades ein wenig Amüsement brauchte, lauschte er mit seinem göttlichen Ohr Xenas Gemurmel von der anderen Seite des Styx:

‚Ich dachte, du hättest gesagt, das hier sei Elysia! Diese Warterei ist eine Qual für mich! Schöner Lohn.’

... oder Xena stoppte plötzlich ihre unaufhörliche Wanderei und schrie durch die Hände:

"Wenn ich noch ein Jahr länger warten muss, dann werde ich diesen Fluss durchqueren und sie selber hierher zerren!"... um dann ihre Wanderung wieder auf zu nehmen.

Das amüsierte Celesta, Hades UND Persephone und brachte sie alle zum Lachen, bis sie sich zu sorgen begannen, dass die frühere Zerstörerin ganzer Nationen ihre Drohung wahr machen könnte. Es wäre gar nicht gut, wenn eine vorzeitliche griechische Kriegerin, in voller Rüstung, in die modernen Zeiten platzen würde, um eine hoch geehrte Psychologin fort zu zerren, egal, wie sehr dieser das gefallen würde.

Nein, Xena musste wirklich warten, bis Gabrielles Lebensspanne von selber zu Ende war, wie es das Schicksal vorsah. Es gab nichts, was er oder irgend ein anderer Gott hätten tun können, um das Leben der Bardin auf Erden auch nur eine Sekunde zu verkürzen, egal wie oft eine bestimmte Kriegerin ihre wütenden Forderungen über den Fluss Styx schrie.

Schließlich wurde sogar Charon der Kriegerprinzessin ein wenig überdrüssig. Der Fährmann gab sich insgeheim das Versprechen, dass, wenn Gabrielle endlich ankam, sie von ihm die schnellste Reise vom Styx zu den Gefilden bekommen würde, die je einer Seele zuteil wurde.

Gabrielle starrte ängstlich über den Fluss in der Hoffnung, in der Ferne eine Ahnung von der Kriegerin am Ufer zu erhaschen.

Aber alles, was sie sehen konnte, war Charons Boot, dass den Nebel teilte, als es direkt vor ihnen auftauchte. Der Fährmann lächelte, aufrichtig erfreut, der Bardin bei ihrer letzten Reise zu helfen.

Gabrielle blieb am Fluss stehen und wandte sich zu Celesta und Hades um.

"Wie? Warum? Nein, wartet... ich will es gar nicht wissen." Ihre roten Locken schwangen, als sie den Kopf schüttelte und sich ihr Kinn kratzte. Sie schaute auf ihre Füße und dann zurück zu den Göttern. "Das ist dein Werk, Hades, nicht wahr? Du wusstest die ganze Zeit, dass ihr die Gefilde bestimmt waren und du hast es uns niemals gesagt!"

Die Bardin hob ein weiteres Mal drohend den Zeigefinger in Hades Richtung.

"Nicht ganz, Gabrielle," antwortete der Gott, griff nach ihrem Finger und drückte ihn sanft nach unten. "Xena war beim ersten Mal für den Tartarus verurteilt."

Der Gott dachte einen Moment lang nach und berichtigte seine Bemerkung dann, "Nein, beide male... zweimal.. oder war es dreimal... verurteilt zum Tartarus? Ich habe vergessen, wie lange es gedauert hat, bis sie endlich gestorben ist... hmm."

"Es war viermal," stellte die Bardin mit flacher Stimme fest, kaum imstande ein Grinsen zu unterdrücken. Hades hatte schon immer eine Schwäche für die Kriegerprinzessin. "Also, was hat deine Meinung geändert?" fragte Gabrielle, die immer noch nicht so recht an des Gottes Großmut glauben konnte.

Charons Boot war angekommen und es war Zeit, für die Geschichtenerzählerin an Bord zu gehen. Celesta lächelte und nahm sie bei der Hand.

"Komm jetzt, Gabrielle. Steig in Charons Boot. Du kannst über diese Frage nachdenken, während wir über den Fluss fahren. Du willst Xena doch nicht noch länger warten lassen, oder?"

Gabrielle warf Hades einen letzten, erstaunten Blick zu, bevor sie ihre schmalen Arme um ihn schlang und ihn nach Bardenart so fest umarmte, wie sie konnte.

"Ich danke dir. Danke," flüsterte sie heiser und barg ihr Gesicht an der Brust des Herrn der Unterwelt.

"Danke nicht mir, meine Schöne. Alle Seelen bekommen, was sie verdienen. Du vor allen anderen." Der Gott küsste den Scheitel ihres goldenen Haares und dann trennten sie sich. Er hatte schon immer eine Schwäche für die Bardin von Poteidaia gehabt.

Gabrielle lächelte dem Gott ein letztes Mal zu und drückte ihm dann ihre Tasche mit den Schriftrollen in die Hand.

"Hier. Das ist für dich. Es ist mein wertvollster Besitz... meine Schriftrollen. Alle Geschichten von mir und Xena durch die Jahrhunderte. Ich hoffe, sie gefallen dir."

Hades strahlte und nahm das Geschenk dankbar an, sein Herz platzte beinahe vor Zärtlichkeit für diese kleine Sterbliche.

"Das haben sie immer, Gabrielle. Das haben sie immer."

Vom Boot her räusperte sich Charon ungeduldig und alle Köpfe wandten sich in seine Richtung.

"Und jetzt fort mit dir, Gabrielle," sagte Hades, streichelte der Bardin über die Wange und blickte noch einmal lächelnd in ihre strahlenden, grünen Augen.

"Komm schon, Charon!" grollte Gabrielle jetzt auch voller Ungeduld. "Und beeile dich. Wir haben, weiß Hades, eine lange Zeit darauf gewartet."

"Ein Fährgeld für eine schnelle Reise wäre angebracht..." begann Charon, aber er wurde von Celesta gestoppt, "... errr... aber es ist nicht nötig," beendete der Fährmann und schob das Boot mit einer langen Stange vom Ufer fort. "Und es ist nicht schön, zu fluchen!" setzte er unter seinem Atem hinzu, während seine Schultern sich unter einem weiteren Stoß bewegten.

Gabrielle und Celesta grinsten einander an und drehten dann ihre Gesichter in die schmeichelnde, süße und kühle Brise. Die Bardin schaute mit verzagtem Herzen nach vorn, während das Boot stetig von der Audienzhalle in den wabernden Neben davon glitt.

"Ist sie wirklich dort?" fragte Gabrielle atemlos.

"Oh ja, Vertrau mir. Sie ist dort. Sie hat das Ufer nicht mehr verlassen, seit sie angekommen ist." Celesta nahm die Hände der Bardin und drückte sie.

"Ich verstehe es nicht, Celesta. In jedem Leben, das wir gelebt haben, ist dasselbe passiert. Hass, Wut, Rache, Dunkelheit. Und es schien, als würde es nur schlimmer und schlimmer werden."

"Es ist keine gute Idee, ein Leben in Dunkelheit wieder und wieder zu leben. Man ist wirklich nur zu einem einzigen Leben bestimmt. Wir können nicht ändern, was das Schicksal für uns und unser Leben auf Erden bereit hält. Erst wenn man das Reich der Unterwelt betritt, gelangen die Seelen in Hades‘ Obhut."

Die Bardin wandte sich um und schaute die Schwester des Todes an, schließlich glitt Verstehen über ihre goldenen Züge.

"Als Xena endlich beschlossen hatte, zu beenden, was nicht geändert werden kann, da erst konnte sie wirklich von Hades gerichtet werden. Aber warum hat er uns dasselbe Leben wieder und wieder leben lassen?"

Celesta drehte die Bardin herum und zuckte mit den Schultern, "Du hast darum gebeten, erinnerst du dich? Hades war euch beiden einen Gefallen schuldig und danach hast du verlangt,"

Gabrielle schüttelte ihren Kopf über die Fatalität dieser Bitte. All die Zeit, in der sie ihre Leben wiederholten, hatten sie versucht, etwas ungeschehen zu machen, was niemals hatte geändert werden können.

Die Bardin atmete schwer, ihre Augen tränten in der Brise.

"Wir hätten immer und ewig so weitermachen können und es hätte keinen Unterschied gemacht... was für eine Verschwendung!" Die Bardin wollte schon wütend werden auf Hades’ Schwester und sie für die ständige Wiederholung desselben Fehlers schelten.

"Nein, Gabrielle," stoppte Celesta sie, bevor sie anfangen konnte. "Es war keine Verschwendung. Wenn Xena damals den Richterspruch angenommen hätte, auch nur eine Sekunde lang... dann wäre sie ohne Frage direkt in den Tartarus gelangt."

"Nun, und was hat diesmal den Unterschied ausgemacht?" fragte die Bardin, erforschte das Gesicht der Göttin und tauchte in ihre Weisheit.

"Dieses Mal hat sie sich selber in Hades Obhut gegeben, egal, wie das Urteil ausfiel und nur darum besorgt, dass DU bekommst, was du verdienst. Endlich..." erklärte Celesta.

"Sie war willens ihre Seele für mich zu opfern..."

"... im Namen der Liebe," lächelte Celesta und drehte Gabrielle bei den Schultern um. "Sieh nur, Gabrielle..."

Die Bardin blinzelte in den dünner werdenden Nebel. Nicht weit entfernt konnte sie die fahlen Umrisse einer dunklen Lederrüstung erkennen, deren Beschläge im Sonnenlicht eines nicht existenten Himmels schimmerten.

Beide konnten sie sogar von dieser Entfernung aus Xenas Lächeln sehen, die aufgeregt mit ihren Händen durch die Luft wedelte und ihre Liebste nach Hause winkte.

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Charon stieß gegen das Ufer und hob das Boot mit Hilfe einer lieblichen Welle vom Strand. Beide, er und Celesta drehten sich ein letztes Mal um und betrachteten Xena und Gabrielle, die überhaupt nicht mehr aufhören konnten, sich zu umarmen und zu küssen und einander in die Augen zu schauen. Diese Umarmung würde wohl niemals enden.

Der Fährmann schnaufte, aber Celesta konnte sehen, dass er ein zufriedenes Grinsen verbarg.

"Nun," strahlte Celesta den edlen Charon an, "sie haben sich endlich gefunden. Kannst du das glauben?"

"Ich habe gegen besseres Wissen gewettet, dass sie es nie schaffen würden!" grummelte der Fährmann.

"Ich hoffe, du hast Kopf und Kragen verloren!" wetterte Celesta, gelinde empört, dass er um so etwas, wie das Schicksal zweier Seelen, hatte wetten können.

"Nah," bemerkte der alte Schiffer. "Ich war noch nie so froh, eine Wette zu verlieren."

"Was für ein herzerwärmender Anblick, nicht war?" sagte Celesta kichernd und klopfte freundlich auf die Schulter des Fährmannes.

Charon erwiderte das Lächeln, eine Aktion, die seine sonst so missmutigen Züge beinahe gutmütig erscheinen ließen.

"Das war das beste Fährgeld, dass mir jemals gezahlt wurde."


ENDE
End Notes:
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